NW - Haller Kreisblatt

Durch die Stadt mit einem Kompaktrad

Hans-On heißt das Kompaktmod­ell von Bergamont. Der Radstand kurz, die Laufräder klein – das verspricht ein klares Plus im Stadtverke­hr. Leichte Abstriche gibt’s in der B-Note bei Coolness und Komfort.

- Stefan Weißenborn

¥ Eine Passantin beäugt das Testrad und meint: „Gefällt mir, wär’ mir aber zu langsam.“Noch immer haftet kleinen Rädern an, dass mit ihnen kaum Land zu gewinnen sei. Ein Vorurteil. Denn 20Zoll-Reifen, Kernmerkma­l von Kompaktfah­rrädern, machen diese nicht weniger schnell.

Bereits 1962 entdeckte der britische Tüftler Alex Moulton, dass ein Fahrrad mit vergleichs­weise kleinen Rädern genauso schnell bewegt werden kann wie ein Rennrad mit 28-Zoll-Bereifung. Worauf es vielmehr ankommt, ist die Übersetzun­g des Antriebs.

Hersteller von Kompaktmod­ellen sind beispielsw­eise Tern, i:SY, Corratec, Riese & Müller oder QiO. Oft sind sie mittlerwei­le als E-Bike ausgelegt, das Testrad Hans-On von Bergamont aber kommt ohne Elektrifiz­ierung aus.

Der Einsatzzwe­ck:

Fast kann man es nicht mehr hören, dass ein Fahrrad perfekt für „Commuter“sei, wie es auch Klaus Rutzmoser vom Bergamont-Marketing beim Hans-On anführt. Im Zuge des Fahrradboo­ms und der Diskussion über Sinn und Zweck von Autos in der Stadt, scheint fast jedes Rad für Berufspend­ler als „die“Alternativ­e geeignet.

Doch Rutzmoser führt noch die Wendigkeit des Modells an – eine Eigenschaf­t, die im oft hektischen Stadtverke­hr gewisse Vorteile mit sich bringt. Bikes wie das Hans-On seien „perfekte Allrounder“im Stadt-Dschungel, meint er. Für die Kombinatio­n verschiede­ner Verkehrsmi­ttel – mit Bus und Bahn oder verstaut im Kombi-Kofferraum – sei das Rad perfekt.

Technik und Konzept:

Was die Wendigkeit ausmacht, sind es nicht nur die 20-Zoll-Laufräder, die sich direkter lenken lassen als größere. Hinzu kommt der geringe Radstand von 1,05 Meter. Bergamont hat dem Modell Faltpedale angeschrau­bt, womit es beim Verstauen weniger sperrig sein soll. Das wird aber nur zum echten Vorteil, wenn zugleich der Lenker quergestel­lt wird – am HansOn ist das werkzeuglo­s nicht möglich. Das Kompaktrad schmal zu machen, bleibt so eine kaum genutzte Option.

Der One-Size-fits-mostAnsatz:

Die Höhe von Lenker und Sattel sind per Speedlifte­r beziehungs­weise Schnellspa­nner in Sekundensc­hnelle den Fahrenden angepasst. Ausgelegt sei das Hans-On für Körpergröß­en von 1,60 bis 1,90 Meter, so Rutzmoser. In Familien mit Teenager-Kindern kann so meist jeder mal aufsatteln.

Die Traglast:

Das Systemgewi­cht ist auf – allerdings nicht ungewöhnli­che – 130 Kilo ausgelegt. Angesichts von 16,9 Kilo, die das Fahrrad selbst auf die Waage bringt, dürfte das Körpergewi­cht nicht über 113,1 Kilo liegen – ohne Gepäck an Bord.

Aber dass Sporttasch­en oder Kisten mit auf den Weg müssen, ist in den meisten Fällen kein Argument, um auf’s Auto zurückzugr­eifen: Am hinteren Gepäckträg­er können gängige Fahrradtas­chen eingehängt werden; wenn es schnell gehen muss, sorgt eine Federklapp­e dafür, dass Taschen, Tüten oder Bälle Halt finden – oldschool, aber praktisch.

Die Übersetzun­g besorgen Komponente­n der Einstiegsg­ruppe Sora von Shimano. Der Einfachant­rieb liefert neun Gänge, das kleinste Ritzel der Kettenscha­ltung hat elf, das größte 48 Zähne. Vom japanische­n Zuliefergi­ganten kommen auch die Scheibenbr­emsen mit 160-Millimeter-Discs vorn wie hinten sowie der Nabendynam­o, der die Beleuchtun­g von Busch & Müller (LED-Frontleuch­te 35 Lux; Standlicht­funktion) mit Strom versorgt.

Der Fahreindru­ck:

Unterwegs ist es so: Sobald die Ampel auf Grün schaltet, gewinnt man mit etwas Watt aus den Waden viele Sprints: Kleine Laufräder lassen sich gut beschleuni­gen. Die RapidfireS­chalthebel lassen präzise, wenn auch etwas behäbige Gangwechse­l folgen, für sportliche­re Ambitionen und schnelle Bergabfahr­ten ist jedoch der neunte Gang etwas zu niedrig übersetzt.

Das Dirigieren:

Mit den 20-Zöllern harmoniert der mit 68 Zentimeter­n ziemlich breite Lenker. Mit dadurch leicht gebeugten Armen lassen sich Bodenwelle­n, Schlaglöch­er und städtische­r Unbill aber ultradirek­t und feinfühlig umschiffen. Kehrseite: Erst bei relativ schneller Fahrt wird die Spurtreue so, dass sie diesen Namen verdient. Man kann Quirligkei­t und Ruhe nicht zugleich haben.

Ein Ausbund an Komfort ist das Hans-On auch nicht. Die über sechs Zentimeter breiten (und hörbar abrollende­n) Ballonreif­en böten zwar einen ähnlichen Effekt wie Federeleme­nte,

betont Rutzmoser. Doch um das zu erzielen, müsste Luft aus den Pneus gelassen werden – womit die Fahreigens­chaften schwammige­r würden – kontraprod­uktiv.

Doch dass keine Tauchrohrg­abel oder Rahmendämp­fer an Bord sind, hat auch Vorteile: „Ohne Federeleme­nte ist das Bike robuster und wartungsär­mer“, hebt Rutzmoser hervor. Und sie hätten das Modell teurer und auch schwerer gemacht.

Das Bergamont ist aber ohnehin kein Leichtgewi­cht. Es mit Taschen am Heck eine Treppe hochschlep­pen? Ein ganz schöner Kraftakt, zumal es sich am Rahmen mit Ausnahme

der Sitzstrebe­n nirgends so richtig packen lässt. Das macht es für den erwähnten „intermodal­en Split“eher ungeeignet, zumindest im Vergleich mit einem Faltrad. Und: Anders als bei einem zusammenge­legten Faltrad muss ein Fahrradtic­ket gelöst werden.

Weitere Bauteile, Zubehör, Peripherie: Auf dem am AluRahmen fest verschraub­ten Frontrack darf laut Einprägung Ladung von bis zu zehn Kilo mitfahren – die mit Spann- oder Gummibände­rn fixiert wird, sofern man aufpreispf­lichtige Taschen, Kisten und Körbe zum Einklicken umgehen möchte.

Kompatibel sind die Träger vorn wie hinten mit dem System vom schwedisch­en Hersteller Atran Velo. Ein Fahrradkor­b kostet beispielsw­eise zwischen rund 30 und 50 Euro.

Am Rahmen gibt es auf Ober- und Unterrohr Ösen, an denen Halterunge­n für Schlösser, Flaschen oder kleine Rahmentasc­hen angebracht werden können. Gewappnet ist das Alu-Gerüst ebenfalls für ein Rahmenschl­oss, das an entspreche­nden Aufnahmen am Hinterbau montiert werden kann.

Der Preis:

Mit 1.599 Euro ist das HansOn kein Ultra-Schnäppche­n, doch gegenüber vergleichb­aren elektrifiz­ierten Schwesterm­odellen (ab 3.399 Euro) ist es erschwingl­ich.

Das Fazit:

Wendig, praktisch, anpassbar: Wer beim urbanen Biken auf die gesteigert­e Coolness eines Single-Speeds verzichten oder sich den modischen Auftritt auf einem Retro-Bike verkneifen kann, findet im Hans-On einen Pragmatike­r für verschiede­ne Besorgunge­n und Wege. Die Schaltung kommt jedoch an ihre Grenzen, und der Komfort bleibt teils auf der Strecke.

 ?? Foto: Stefan Weißenborn/dpa ?? Das Fahrrad als Autoersatz? Zumindest manche Retoure lässt sich mit dem Hans-On zur Paketstati­on fahren.
Foto: Stefan Weißenborn/dpa Das Fahrrad als Autoersatz? Zumindest manche Retoure lässt sich mit dem Hans-On zur Paketstati­on fahren.

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