Ihr Leben war gekennzeichnet vom Vertrauen und der Fähigkeit, Schicksalsschläge wegzustecken. Jetzt ist Adelheid Gräfin von Korff im Alter von 98 Jahren gestorben.
Gerecht werden kann sie einem solchen Leben natürlich nicht. Und doch vermittelte die Todesanzeige, die am Samstag im „Haller Kreisblatt“erschien, einen kleinen Eindruck davon, welch außergewöhnlichen Weg der Mensch hinter sich hat, um den es hier geht. Allein schon der Name: Adelheid Gräfin von Korff genannt Schmising-Kerssenbrock, Gräfin Praschma Freifrau von Bilkau. Klingt glamourös – doch diese Adelige lebte nicht abgehoben im Schloss, sondern zeitlebens in der Mitte ihrer Heimat. Jetzt ist die bekannte Gräfin im Alter von 98 Jahren verstorben.
Was sie alles erschaffen hat, verrät die lange Liste der Angehörigen auf besagter Todesanzeige. Was die neunfache Mutter allerdings zu erleiden hatte, wird hier auch nicht verschwiegen.DieGräfinmusstenichtnur den Tod ihres Mannes vor 15 Monaten verkraften, sondern auch den frühen Tod einer Tochter sowie die Verluste einer Enkelin und zweier Schwiegersöhne. „Für mich ist sie der Prototyp eines Menschen, der Nackenschläge wegstecken und positiv nach vorne blicken kann“, sagt ihr Sohn Georg Graf Kerssenbrock-Praschma dem HK.
Zwar hätten sie damals nach dem Tod der Tochter Zweifel geplagt, weiß er zu berichten: „Sie soll gesagt haben: Ich weiß nicht, ob ich noch Kinder kriegen kann. Aber sie konnte und sie wollte.“Die junge Gräfin legte den Grundstein für eine große Familie – mit Beharrlichkeit und dem Hang zum Anpacken, der sie schon früh auszeichnete. Sie hatte auch kaum eine Wahl.
Geboren und aufgewachsen im Schloss Loburg in Ostbevern als eines von fünf Kindern der Eheleute Karl Freiherr von Elverfeldt, genannt von Beverfoerde-Werries, und Agnes Korff, genannt Schmising-Kerssenbrock, legt sie mit 18 Jahren das hauswirtschaftliche Abitur ab und kommt 1943 für sechs Monate nach Hesepertwist im Emsland. „Dort haben wir auf Neusiedlerhöfen gelebt und gearbeitet.“Mit Land- und ForstwirtschaftistAdelheidvonKorff aufgewachsen. „Mein Vater war Jäger und hat uns Kinder immer mitgenommen“, erinnert sie sich in einem Artikel zu ihrem 90. Geburtstag im „Haller Kreisblatt“.
Dann gerät die Abiturientin in die Wirrnisse des Zweiten Weltkrieges. „Ich habe ganz Deutschland kennengelernt, am besten aber die Güterbahnhöfe“, erzählte sie. Unter anderem hilft sie in einer Nachtjagdstellung bei der Bekämpfung alliierter Bomber. Die Gräfin wird in Augsburg für die Flugabwehr ausgebildet und flieht schließlich vor der Roten Armee.
„Wir bekamen als junge Frauen den Befehl, 100 Kilometer zu Fuß über die Tschechei nach Dresden zu gehen.“In einer verlassenen Flakabwehrstellung erlebt sie Mitte Februar 1945 den großen Bombenangriff. „Es war schrecklich“, sagte Adelheid von Korff.
„Mit der Kapitulation wurden wir entlassen.“Im Sommer 1945 schlägt sie sich auf einem offenen Lkw-Anhänger nach Dissen durch und geht zu Fuß nach Hause. Die Gräfin macht eine landwirtschaftliche Ausbildung, dann noch eine hauswirtschaftliche – letztere, weil sich das eben so gehörte. „Sie sind und bleiben eine Ausfrau, eine Hausfrau werden Sie nicht“, habe ihr Lehrherr gesagt. „Ich war gern auf dem Feld, da hat man gesehen, dass es voranging“, sagte die Gräfin später.
1950 verlobt sie sich mit Graf Justus, 1951 heiratet das Paar – und widmet sich fortan der Lebensaufgabe, die Besitzungen des Wasserschlosses Brincke zu verwalten.„Wirwarennichtnur miteinander, sondern immer auch mit Brincke verheiratet“, sagte der Graf einst.
Gräfin von Korff führt das Haus, erzieht die Kinder, kümmert sich um die Landwirtschaft und hält ihrem Mann den Rücken bei dessen politischem Engagement frei. Aber sie engagiert sich auch für die Kirche. „Zum Beispiel hat sie in Borgholzhausen für die Caritas Klinken geputzt“, erinnert sich Sohn Georg Graf Kerssenbrock-Praschma. „Sie hat ein Leben geführt, das geprägt war vom Vertrauen in dieZukunft.“UndauchdasSterben sei für sie nichts Drohendes gewesen. „Sie hat es als Christin in den vergangenen Jahren voller Zuversicht erwartet.“
Ihr Sohn ist dankbar, dass die Familie der Frau, die mehr als 70 Jahre „Dreh und Angelpunkt“gewesen sei, ermöglichen konnte, bis zuletzt auf Schloss Brincke zu leben und friedlich zu Hause in ihrem Bett einzuschlafen. „Sie war vom Vertrauen in ihre Familie erfüllt – und das möchte ich nun wiederum in die nächste Generation geben“, sagt ihr Sohn. Er sei dankbar dafür, dass seiner Mutter ein so langes Leben vergönnt war.
Die Trauerfeier in der Hauskapelle von Schloss Brincke sowie an der Familiengrabstätte in Stockkämpen wird zum Treffen einer Großfamilie werden. „Wir stehen jetzt vor der Herausforderung, den Zusammenhalt weiter so zu schaffen, wie sie es getan hat“, sagt Georg Graf Kerssenbrock-Praschma. Denn Schloss Brincke sei die Keimzelle der Familie Kerssenbrock und solle deren Zentrum bleiben. So hätte es sich Adelheid Gräfin von Korff sicher gewünscht – auch das ist aus einer in vielerlei Hinsicht außergewöhnlichen Todesanzeige herauszulesen.