Mit dem 4:0 beim ärgsten Konkurrenten VfL Wolfsburg sind die Münchnerinnen fast am Ziel.
(sid). Giulia Gwinn konnte es selbst kaum glauben. Eine derartige Machtdemonstration beim Dauerrivalen VfL Wolfsburg – für die Nationalspielerin „ehrlich gesagteinbisschensurreal“.Nach dem souveränen 4:0 (0:0) hat der FC Bayern bereits eine Hand an der Trophäe, der erneute Titel in der Frauen-Bundesliga ist dem ungeschlagenen Spitzenreiter kaum noch zu nehmen. „Ich glaube, ich bin nicht die Einzige, die hier noch nie gewonnen hat“, sagte Gwinn überglücklich nach dem ersten Münchner Sieg in Wolfsburg seit mehr als 15 Jahren. „Von daher war es doppelt emotional und natürlich ein Riesenschritt Richtung Meisterschaft“, betonte die 24Jährige bei MagentaSport: „Das sind Big Points hier.“
Sieben Zähler Vorsprung haben die Münchnerinnen nach dem Ausrufezeichen vor ihren größten Konkurrentinnen aus Niedersachsen. Auf der Zielgeraden will der Titelverteidiger nichts mehr anbrennen lassen. „Wir müssten uns extrem dumm anstellen, dass wir da nicht die Meisterschaft holen“, sagte Stürmerin Lea Schüller bei Sky. In Wolfsburg hakte man diesen Traum fünf Spiele vor Saisonende schon ab. „Ich glaube nicht, dass die Bayern diese sieben Punkte noch irgendwo verspielen“, gab VfL-Trainer Tommy Stroot zu. Auch Kathrin Hendrich war sich sicher: „Das wird sich Bayern nicht mehr nehmen lassen, da brauchen wir nichts schönzureden.“ Dennoch werde das Team „weiterhin alles geben“, betonte die Verteidigerin.
Dabei waren sich die beiden Mannschaften vor einer Wolfsburger Rekordkulisse von 24.437 Zuschauern, darunter Interims-Bundestrainer Horst Hrubesch und DFBSportdirektorin Nia Künzer, in der VW-Arena lange Zeit auf Augenhöhe begegnet. Doch Ex-Wolfsburgerin Pernille Harder (48.), die Nationalspielerinnen Klara Bühl (57.) und Schüller (76.) sowie Georgia Stanway (87.) schossen die Bayern gnadenlos effizient Richtung sechste Meisterschaft und ließen dem VfL, bei dem die verletzte DFB-Kapitänin Alexandra Popp fehlte, keine Chance.
Wolfsburg richtet nun den Fokus auf die realistischere Titelchance: den DFB-Pokal. „Wir haben noch einen Wettbewerb, in dem wir voll drin sind“, sagte Verteidigerin Marina Hegering, die bereits in der 24. Minute verletzt ausgewechselt worden war: „Darauf werden wir uns jetzt voll konzentrieren.“Doch auf dem Weg zum elften Pokalsieg könnte es erneut zum Duell mit Bayern kommen. Zunächst empfängt Titelverteidiger Wolfsburg im Halbfinale am Samstag (13.00 Uhr) jedoch die SGS Essen. Die Münchnerinnen treffen einen Tag später auf Eintracht Frankfurt (15.45 Uhr/ARD). Und bei Bayern ist die Sehnsucht nach dem ersten Double der Klubgeschichte groß, der bislang einzige Pokal-Triumph liegt zwölf Jahre zurück.
Es gibt diese Tage, an denen das Leben mit einem so richtig Achterbahn fährt. Leo Oppermann hatte am Samstag so einen. Der Fußballspieler, der den Titel „Ersatztorwart“trägt, verließ den Platz nach dem Pokalspiel des DSC Arminia Bielefeld gegen Preußen Münster als strahlender Sieger, vielleicht sogar als Held des Halbfinals. 5:4 nach Elfmeterschießen. Das Finalticket ist gelöst.
Bis es zu diesem Triumph für Spieler und auch Team gekommen war, passierte einiges. Für Oppermann begann es damit, dass DSC-Coach Mitch Kniat einige Tage zuvor erklärt hatte, dass er seine beste Formation in diesem Duell der Drittligisten auf den Platz stellen wollte. Einen Pokal-Torwart gebe es nicht. Damit konnte sich Oppermann nach Auftritten gegen Herringhausen/Eickum und Victoria Clarholz einen dritten Einsatz eigentlich abschminken.
„Heute Morgen um 8.30 Uhr habe ich erfahren, dass ich spiele“, erzählte der Keeper nach dem Spiel, in dem er entsprechend nicht auf der harten Ersatzbank geschmort hatte. Jonas Kersken hatte sich kurzfristig krank abgemeldet und folgerichtig rückte Oppermann auf den Posten zwischen den Pfosten.
Und es begann alles andere als gut für den 22 Jahre jungen Schlussmann, der zunächst ganz schön alt aussah. Als in der 10. Minute ein Ball von außen in den Strafraum kam, packte Oppermann nicht zu und Maximilian Großer drosch das Leder nicht aus der Gefahrenzone. Das Missverständnis rächte sich. Sebastian Mrowca schob zum 1:0 für Münster ein. „Leck mich am Arsch“, habe er gedacht, gestand Oppermann.
Wenig später knallte ein 18Meter-Freistoß von Marc Lorenz an die Latte. Auch da hätte Oppermann wohl kein Land gesehen. „Habe ich gut eingeschätzt. Mit Auge gehalten.“Später konnte der Keeper über den Fehlstart lachen. „Heute war ein Tag, den werde ich immer im Kopf behalten“, sagte er nach dem nach eigener Aussage wohl bislang größten Spiel seiner jungen Karriere.
Solche Bewertungen konnte der junge Fußballer nur tätigen, weil das Pendel im Spiel noch zu seinen Gunsten ausschlug – und zwar ordentlich. Mindestens zwei Großchancen, in der 27. Minute gegen Grodowskiundinder81.gegen Dominik Steczyk, vereitelte Oppermann. Ein 2:0 für Münster wäre wohl die Vorentscheidung gewesen.
Stattdessen gelang dem DSC noch der Ausgleich (85.), per Eigentor von Simon Scherder zwar, doch den guten Ball von Christopher Lannert hätte Fabian Klos ansonsten sicher verwandelt. Es ging ins Elfmeterschießen, wo Oppermann endgültig vom Pechvogel zum Helden mutierte. Gleich beim ersten Schuss von Lorenz blieb er einfach in der Mitte stehen – und hielt. „Viel Instinkt und das nötige Glück“, begründete er seine goldrichtige Entscheidung.
Oppermann – Lannert, Schneider, Großer, Oppie – Corboz, Schreck (76. Wörl) – Biankadi (76. Putaro), Boujellab (67. Wintzheimer), Mizuta (46. Yildirim) – Klos.
Schenk – Schad, Koulis, Scherder, Böckle – Bouchama (61. Kyerewaa), Preißinger (88. Grote), Mrowca, Lorenz – Grodowski (73. Wegkamp), Batmaz (73. Steczyk).
Vor dem schnaubenden Gästeblock behielt Arminias Schlussmann die Ruhe. Vorbereitet auf die Schützen war er nicht. In der Jugend sei er ein Elfmeterkiller gewesen. „Dann hatte ich eine lange Durststrecke.“Beim fünften
Lorenz verschießt, 1:0 Großer, 1:1 Mrowca, Corboz verschießet, 1:2 Scherder, 2:2 Oppie, 2:3 Wegkamp, 3:3 Wintzheimer, Grote verschießt, 4:3 Putaro.
Münsteraner Schützen, Dennis Grote, wählte Oppermann die richtige Seite. Leandro Putaro machte den Sieg perfekt. „Als er geschossen hat, habe ich gar nicht realisiert, dass er der letzte Schütze ist. Ich habe gedacht, dass es noch weiter geht“, so Oppermann.
Arminias Nummer zwei genoss seinen Erfolg: „Ich musste lange, lange warten und viel schlucken. Ich bin aber immer weiter dran geblieben. Am Ende mache ich das auch für mich, damit ich irgendwann die Nummer eins sein kann. Heute konnte ich zeigen, dass ich auch das Zeug dazu habe“, sagte der 22-Jährige. Ob seine Zukunft beim DSC liegt, dazu könne er noch nichts sagen, erklärte der vom Hamburger SV ausgeliehene Keeper. Dann ging es mit der Familie zum Essen. So klang Leo Oppermanns Achterbahn-Tag ohne weiteren Looping aus.