Trauer um Wolfgang Kosubek
Noch vor vier Wochen kümmerte sich der 83-Jährige um die Haller Geschichtspfade. Jetzt verließ ihn die Kraft, und er schlief im Kreise seiner Familie ein. Rückblick auf ein besonderes Leben.
Halle.
Dann und wann schrieb Wolfgang Kosubek mir eine Mail und machte Anmerkungen zu verschiedenen Beiträgen im HK; manchmal kritisch, auch mal lobend. Er gab Hinweise auf Themen, um die wir uns mal kümmern könnten. Oder schickte Bilder von Momentaufnahmen, die ihn berührt hatten. Wie die vom schillernden Eisvogel, den er Ende November zwischen Laibach und Margarete-WindthorstStraße entdeckt hatte. Es war seine letzte Mail an mich. Stattdessen meldete sich vergangene Woche seine Tochter Katja und überbrachte mir die Nachricht, dass Wolfgang Kosubek am 27. April gestorben sei. Ganz leise, ganz friedlich, und wohl für die meisten Menschen völlig überraschend. Nach einer Diagnose im Frühjahr blieb ihm nicht mehr lange Zeit.
Zunächst waren wir nur Nachbarn seiner Mutter „Tante Käthe“, einer geborenen Schmidt. Lange bevor sie zum Samlandweg gezogen war, hatte sie mit ihrem Sohn Wolfgang und dessen älterer Schwester an der Marmorschleiferei Schmidt an der Haller Bahnhofstraße gelebt. Mit einem Pottstück im Garten und dem alten Friedhof nebenan. Und mit vielen Kindern in der Nachbarschaft ringsherum. Vater Hermann Kosubek, ein gelernter Kaufmann, der um 1938 aus Schlesien ins Arbeitsdienstlager nach Halle gekommen war, der Akkordeon und Querflöte spielte, galt da schon in Stalingrad als vermisst.
Ausbildung bei Thomas
Als Wolfgang Kosubek in den 1970er Jahren mit seiner Frau Brigitte „Kitty“im Haller Süden baute und sie gemeinsam mit ihren drei Kindern dorthin zogen, wurden auch wir Nachbarn, wenn auch etwas entfernt. Zu dem Zeitpunkt hatte er sich bereitseinigesaufgebaut.Erhatte die Mittelschule in Halle besucht, die später zur Realschule wurde. Und Ende der 1950er Jahre eine kaufmännische Lehre bei Holz-Thomas in Halle absolviert. Dort war der damalige Bürgermeister Heinrich Thomas zugleich sein Lehrherr. Die beiden mochten sich, und so hatte Wolfgang Kosubek am Klingenhagen eine gute Zeit.
Stürmer im SC Halle
Die Idee, als Holzkaufmann nach Bremen zu gehen, verwarf er allerdings schnell – und führte stattdessen sein Haller Leben fort. Mit unterschiedlichen Schwerpunkten, einer davon war sicher der Sport. Als Kind lief Wolfgang Kosubek auf der Kättkenstraße mit Begeisterung Rollschuh. Zu seinen schönsten Weihnachtsgeschenken zählte jedoch immer ein gebrauchter Lederfußball; gut gefettet mit einer Speckschwarte sah der aus wie neu. Überhaupt hatte er Spaß am Kicken und wurde deshalb auch Stürmer beim SC Halle. In jenem Verein, in dem er sich später auch im Vorstand engagierte. Und ich kann mich noch gut erinnern, wenn wir anlässlich der großen Haller Schützenfeste in der Abteilung des SC gemeinsam durch die Stadt marschierten: Wolfgang Kosubek ganz vorne mit dabei. Auch bei den Spielfesten in der Masch oder anlässlich des 75-jährigen Vereinsjubiläums mit mehr als 2.000 Gästen wirkte er an entscheidenden Stellen mit.
Vertrauter von Kiskers
Seine Stellung fürs Leben hatte mit Holz dann nichts mehr zu tun, sehr wohl jedoch mit seinen kaufmännischen Wurzeln: 1966 wurde Wolfgang Kosubek, gerade mal 25 Jahre alt, Einkaufsleiter der traditionsreichen Haller Brennerei Kisker. Die alte Kaufmannsfamilie KiskermitderenHaltungundWerten prägten den jungen Wolfgang Kosubek. Aber die Verbundenheit beruhte auf Gegenseitigkeit. Er verwaltete fortan auch die Kiskerschen Immobilien und war für die Familie da, wenn er gebraucht wurde. So großes Vertrauen in einen noch so jungen Mann suchte seinesgleichen.
Sonntags schlüpfte er dann noch in eine ganz andere Rolle – und war fürs Westfalen-Blatt als freier Mitarbeiter auf den Fußball-Plätzen im Altkreis unterwegs. Seine Wegbegleiter waren damals Detlef Krön oder der HK-Mitarbeiter Wilfried Braune. Und Zeit für die Familie brauchte es auch noch. Nachdem er 1961 den Bund fürs Leben mit seiner Kitty eingegangen war, wurden bald darauf zwei Söhne und später eine Tochter geboren. Zwei Enkelkinder gibt es auch.
Für sie hatte er in den vergangenen 19 Jahren dann mehr Zeit, nachdem er im Sommer 2005 in den Ruhestand wechselte und die Zeit voller Freiheit und Zufriedenheit in vollen Zügen genoss. Wolfgang und Kitty Kosubek unternahmen Radtouren und lange Spaziergänge sowie später auch die Pflege der Geschichtspfade und des Alten Friedhofs. Als die Kiskers an Wolfgang Kosubek die Bitte herantrugen, eine Firmenchronik
zu schreiben, entdeckte er zugleich auch sein Interesse für die Haller Geschichte. Und fortan las und recherchierte er in den Archiven, bildete mit dem erworbenen Wissen die ersten Haller Stadtführerinnen und Stadtführer aus, veröffentlichte Aufsätze und Bücher zur Haller Geschichte.
Große Liebe zu Halle
„Wolfgang war durch und durch ein Haller Kind“, sagt seine Tochter Katja, „er trug eine große Liebe zu der kleinen Stadt mit ihren Fachwerkhäusern in sich. Sie war für ihn der Tropfen, in dem die Welt sich spiegelt.“Sowaresfürihnauchganz selbstverständlich, dass er sich mit der Gründung des stadtgeschichtlichen Museums Haller ZeitRäume als ehrenamtlicher Mitarbeiter einbrachte und schon bald zu einer der tragenden Säulen der Museumsarbeit avancierte. Er bot Stadtführungen zu besonderen Themen an, mal allein, mal gemeinsam mit seiner Tochter. Auch die Haller Geschichtspfade gehen auf seine Initiative zurück. Seine Texte sind auf den Lesetafeln und im Museum zu lesen. Welch schönes Vermächtnis.
Was besonders war bei Begegnungen mit Wolfgang Kosubek? Er hatte das Leben in Halle immer im Blick, alle drängenden Themen und ebenso auch die weniger bedeutenden. Und hatte immer eine klare Meinung dazu. Oberflächliches Wortgeplänkel gab es mit ihm nicht, vielmehr hörte er stets aufmerksam zu, redete niemanden nach dem Mund. „Wolfgang glaubte letztlich immer an das Gute im Menschen und vermittelte die feste Zuversicht, dass der Mensch langfristig für die aktuellen Probleme Ideen und Lösungen finden werde“, ergänzt seine Tochter. Mit dieser Haltung sei er nicht nur für seine Familie ein geschätzter Ratgeber gewesen. Und oft auch Tröster in den schwierigen Fragen des Lebens. Und ein Optimist.
Dankbar für das Schöne
„Er hatte die Gabe, das Schöne und Gute wahrzunehmen, das ihm zuteil wurde – und dankbar dafür zu sein“, ergänzt Katja Kosubek. „Was geht es uns gut! Wir haben ein Dach über dem Kopf, wir haben satt zu essen und wir haben 80 Jahre lang Frieden erleben dürfen“, zitiert sie ihren Vater. Während er ihr und ihrer Familie schon jetzt fehlt. Als Vater, als Ehemann, als Opa und als Freund. Ganz praktisch als Helfer im Museumsteamundjemand,der die Sütterlinschrift noch lesen konnte. Und ganz gewiss auch uns beim „Haller Kreisblatt“, die wir nun keine Mails mit Anregungen mehr von ihm bekommen.
Wolfgang Kosubek wurde gestern im engsten Familienkreis auf dem Haller Friedhof beigesetzt.