Innovativ: Baum sorgt für mehr Sicherheit
Am Rande der Versmolder Innenstadt stehen zwei neue, unscheinbare Beete. Doch die beiden Bäume darin erfüllen eine besondere Funktion. Die ist im Kreis Gütersloh sehr selten.
Versmold. Zwischen Weihnachten und Silvester 2023 hatte Versmold mit einem ungewöhnlichen Wetterphänomen zu kämpfen: Teile der Stadt waren überflutet, einige Straßen mussten gesperrt werden. Es wurde klar: In der Stadt besteht Handlungsbedarf. Einen kleinen,abereffektivenBausteinhat Versmold nun umgesetzt. In der Burgkampstraße entstanden zwei so genannte Baumrigolen.
Wirklich auffällig sind die öffentlichen Beete nicht. Auf den erstenBlicksehensieauswieviele kleine Grünanlagen, die über das gesamte Stadtgebiet verteilt sind. Allerdings haben die Bäume eine technische Funktion, wie Dirk Niggemann erläutert. „Bei Starkregenereignissen entlasten wir mit diesen Beeten die Kanalisation“, sagt der Bauamtsleiter der Stadt Versmold. Das Beet ist nämlich so angelegt, dass Wasser verhältnismäßig schnell im Boden versickern kann.
„Der Regen, der dann fällt, läuft nicht mehr in die Kläranlage, die dann das Wasser reinigen muss“, erläutert der städtische Bauingenieur Ali Yavavli. Wennesdocheinmalzuvielregnet, sorgt ein Notüberlauf dafür, dass das Wasser doch noch in die Kanalisation gelangt. Das passiert aber nur in Ausnahmefällen.
Problemzone in Versmold: Hohlweg
So ein Beet lässt sich allerdings nicht überall anlegen, wie Yavavli erläutert. Zunächst muss der Boden eine entsprechende Beschaffenheit aufweisen. Schließlich muss Regen relativ schnell versickern können. Außerdem sind Hauptstraßen weniger gut geeignet. „Streusalz ist für die Bäume nämlich ein Problem“, so der Bauingenieur. Im Winter werden Hauptverkehrswege natürlich häufiger gestreut als die Burgkampstraße, die von der Ringallee in ein Wohngebiet führt. Kurzum: „Man muss den Standort mit Bedacht wählen.“
Außerdem legte die Stadt bei der 12.000 Euro teuren Maßnahme auch einen besonderen Fokus auf die Art des Gewächses. Der Amberbaum verfügt über eine knollenartige Wurzel. „Dadurch kommt die Straße nicht hoch, wenn der Baum wächst“, erläutert Maik Lechtenfeld vom städtischen Bauhof. Er bezeichnet das Gehölz als „Klimabaum“. Er kommt nämlich mit „nassen Füßen“zurecht und zeigt sich zudem in langen Trockenperioden widerstandsfähig. Im Herbst bringt er außerdem bunte Farbakzente in die Straße – ein praktischer Baum also für eine Baumrigole.
BisdasProjektallerdingsumgesetzt werden konnte, mussten einige Hürden genommen werden. „Die Untere Wasserbehörde musste zustimmen“, so Dirk Niggemann.DieseistbeimKreis Gütersloh angesiedelt. „Die haben aber gerne mitgeholfen. Denn so ein Projekt ist im Kreis Gütersloh noch sehr selten“, so der Bauamtschef. In größeren Städten würden solche Maßnahmen dagegen häufiger vorgenommen.
Allerdings sind die Beete nur ein Teil der Maßnahmen, mit denen die Stadt veränderten Klimabedingungen entgegentreten möchte. „Es ist kein Allheilmittel“, weiß Ali Yavavli. Daher wird die Kommune in verschiedenen Bereichen tätig. Die Kläranlage wird ohnehin regelmäßig in Schuss sowie auf den neusten Stand der Technik gebracht. Außerdem wurde in Regenrückhaltebecken investiert. Die Renaturierung von Gewässern hilft ebenfalls. Auch privat sollte Vorsorge getroffen werden, empfiehlt Dirk Niggemann. „Manche Bereiche sind besonders betroffen. Tiefgaragen gehören dazu“, sagt er. Die Stadt könne zwar einiges umsetzen, allerdings sollte jeder auf seinem Privatgrundstück Vorkehrungen treffen. Dazu gehört zum Beispiel, Flächen freizulassen. DochtrotzallerVorsorge:Bei starken Regenereignissen gibt es Bereiche in der Stadt, die Probleme bereiten. Am Hohlweg zum Beispiel: Von den höher gelegenen Feldern hinter dem Baugebiet Sandbreede dringt über Wirtschaftswege schnell Wasser auf die Straße. Bei starkem Regen ist der Hohlweg schnell überflutet. „Dort erarbeiten wir gerade Maßnahmen“, so Niggemann. Man müsse an vielen Stellen ohnehin punktuell vorgehen, um Überflutungen möglichst effektiv zu bekämpfen.
Wer herausfinden möchte, ob und wie gefährdet sein Grundstück für Hochwasser ist, kann eine interaktive Karte des Landes NRW zu Rate ziehen. Dort sind extreme Niederschlagsmengen anhand von Daten berechnet und können originalgetreu angeschaut werden. Was die Auswirkungen in der Realität bedeuten, wurde aber vor allem zum Ende des vergangenen Jahres an vielen Stellen in Versmold deutlich.