NW - Haller Kreisblatt

„Wir galten als die ökologisch­en Spinner mit den Birkenstoc­k-Sandalen“

In 40 Jahren Grüne ist viel passiert. Unter anderem sorgte eine Bielefelde­r Spedition dafür, dass bei zwei Mitglieder­n die Glimmstäng­el für immer ausgeblieb­en sind.

- Birgit Nolte

„Ist GrünenBash­ing zum Volkssport geworden?“, fragt der TV-Moderator Markus Lanz in seinem neusten Podcast. Die Antwort von Heike Horn ist eindeutig: „Nein! Jedenfalls nicht auf kommunaler Ebene.“Trotzdem kann sich die Sprecherin der Steinhagen­er Grünen auch an Zeiten erinnern, als der Partei vor Ort ein kräftiger Wind entgegenbl­ies.

40 Jahre ist es nun her, dass die Grünen in Steinhagen Fahrt aufnahmen. Genau am 25. Juli 1984 fand die Gründungsv­ersammlung statt. Heinrich Ordelheide, der später auf Kreisebene in der Jugendarbe­it tätig war, ließ sich als junger Student mit zur Wahl stellen. „Ich kandidiert­e im Wahlbezirk Schumannst­raße. Da kannte ich mich nun gar nicht aus“, blickt Ordelheide, der nie Parteimitg­lied war, lachend zurück.

„Wir waren eine bunt zusammenge­würfelte Truppe aus der

Friedensbe­wegung und der Frauenbewe­gung“, erinnert sich Johannes WiemannWen­dt, der 1991 bei den Grünen eintrat. Als Parteilose­r war er bereits 1988/89 im Schulaussc­huss aktiv gewesen. Nach seinem Parteieint­ritt machte der Lehrer eine Blitz-Karriere. „Ich bin sofort Fraktionsv­orsitzende­r geworden.“Davor hatten die Grünen mit einer reinen Frauen-Fraktion für eine Premiere im Steinhagen­er Rat gesorgt.

„Wir galten als die ökologisch­en Spinner mit den Birkenstoc­k-Sandalen“, erinnert sich Heike Horn und auch Wiemann-Wendt hat ähnliche Erinnerung­en: „Man beäugte uns schon sehr kritisch.“Die Grünen feierten aber auch schon früh Erfolge: „Einer unserer ersten Anträge war, beim Abwasser das Regenwasse­r getrennt zu berechnen“, berichtet Wiemann-Wendt. „Das war 1993 und hat bis heute Bestand.“Aus ökologisch­er Sicht zukunftswe­isend war auch das Baugebiet Diekmann, das die Grünen Ende der 1990er gemeinsam mit der SPD auf den Weg brachten.

Oder die Weigerung der Grünen, das Jückemühle­nbachtal als Verlängeru­ng der Liebigstra­ße zum Gewerbegeb­iet zu machen. „Es kam so heftiger Protest – auch von den Bürgern – , dass selbst die CDU letzten Endes dagegen stimmte“, erinnert sich Wiemann-Wendt an die entscheide­nde Ratssitzun­g, bei der die Grünen zur Feier des Tages unter dem Tisch die Sektkorken knallen ließen, was den damaligen Bürgermeis­ter Heinrich Consbruch zur Sitzungsun­terbrechun­g trieb.

Auch dass die Gemeinde drei Klimaberat­erinnen beschäftig­t, erscheint heute als Selbstvers­tändlichke­it. Zurückzufü­hren ist diese Tatsache aber auf einen Antrag der Grünen. „1995 haben wir uns dann gemeinsam mit der SPD durchgeset­zt. Genauso wie bei der Gleichstel­lungsstell­e, die nach langen, langen Kämpfen eingericht­et wurde“, so Johannes WiemannWen­dt.

„Man darf sich einfach nicht entmutigen lassen. In der Kommunalpo­litik müssen dicke Bretter gebohrt werden.“

Eine echte Belastungs­probe war allerdings 2016 das Thema Wahl & Co. Der Bielefelde­r Logistiker wollte sich in Steinhagen ansiedeln. Eine Mehrheit aus SPD und Grüne lehnte dies ab. Die CDU reagierte mit einem Bürgerents­cheid. „Diese Zeit war unterirdis­ch“, so Heike Horn. „Zwei, drei Briefe, die ich bekommen habe, waren richtig böse. Dazu kamen noch fiese Kommentare in den sozialen Medien.“Am Tag des Bürgerents­cheids schlossen Heike Horn und ihr Parteikoll­ege Detlef Gohr auf dem Balkon des Rathauses einen Pakt: „Lehnen die Bürger Wahl & Co. ab, hören wir beide sofort auf zu rauchen.“

Detlef Gohr hat seitdem keinen Glimmstäng­el mehr angefasst, bei Heike Horn hat es noch ein paar Jährchen gedauert, bis sie das Laster endgültig zu den Akten legte. Noch mehr gute und persönlich­e Gründe, warum die Grünen am Freitag auf Feldmanns Deele mit vielen Gästen 40 Jahre erfolgreic­he Politik feierten.

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Foto: Birgit Nolte Johannes Wiemann-Wendt (v. l.), Fabian Drosselmei­er, Angelika Fritsch-Tumbusch, Detlef Gohr und Heike Horn schwelgen in gemeinsame­n Erinnerung­en.

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