Und jetzt kennt sie jeder
Eine Australierin wollte ein ungeliebtes Porträt entfernen lassen und erntete weltweite Aufmerksamkeit
Als Streisand-Effekt bezeichnet man das Phänomen, wenn ein eher ungeschickter Versuch, eine unliebsame Information zu unterdrücken, genau das Gegenteil bewirkt – nämlich die öffentliche Aufmerksamkeit auf eben diese Information zu lenken. Er wurde benannt nach der Sängerin Barbra Streisand, die 2003 erfolglos eine Luftaufnahme der kalifornischen Küste entfernen lassen wollte, auf der ihr Haus zu sehen war – was bis zu dem Zeitpunkt niemandem aufgefallen war. Ähnliches hat Australiens reichste Frau auf eindrucksvolle Art geschafft. So wollte sie ein in ihren Augen wenig schmeichelhaftes Porträt, das ein indigener Künstler von ihr gemalt hatte, aus einer Ausstellung in der National Gallery of Australia verbannen lassen. Doch der Versuch ging nach hinten los, denn nicht nur sämtliche lokalen Medien berichteten über den Versuch von Bergbaumagnatin Gina Rinehart, auch international verbreitete sich die Geschichte wie ein Lauffeuer. Medien wie die„New York Post“, CNN
„Ich male die Welt so, wie ich sie sehe.“
Vincent Namatjira, Maler
oder der britische „Mirror“berichteten am 16. Mai. Die indische „Hindustan Times“, die „South China Morning Post“, die spanische „Vanguardia“und die BBC griffen das Thema am 17. Mai auf, der „Spiegel“am 19. Mai. Sogar in der US-Talkshow „The Late Show“ mit Stephen Colbert fand es Erwähnung. Gemalt hat das Porträt kein Geringerer als der berühmte kontemporäre Maler Vincent Namatjira, ein Urenkel der Malerikone Albert Namatjira. Allein deswegen hätte sich Rinehart eigentlich schon geehrt fühlen können. Außerdem hat Namatjira sie in illustrer Runde abgebildet – neben ihr hängen die Köpfe früherer australischer Premierminister, ein Porträt der verstorbenen britischen Königin Elizabeth II. oder die berühmten indigenen Sportler Adam Goodes und Cathy Freeman. „Ich male die Welt so, wie ich sie sehe“, sagte der indigene Künstler gegenüber der Nachrichtenseite News.com.au. Die Leute müssten seine Bilder nicht mögen, aber er hoffe, dass sie sich die Zeit nehmen würden, um hinzuschauen und darüber nachzudenken. Rinehart wollte sich diese Zeit ganz offensichtlich nicht nehmen. Sie wollte ihr Bild einfach nur verschwinden lassen und bat dafür sogar einige prominente Schwimmer, die sie sponsert, um Unterstützung. Tatsächlich ist das Bild kein im klassischen Sinne hübsches Porträt, das ein wenig Weichzeichner zum Einsatz bringt. Stattdessen rückt es das Doppelkinn Rineharts prominent in den Mittelpunkt, und die nach unten gezogenen Mundwinkel geben ihr einen eher perplexen, leicht verärgerten Ausdruck. Wie Rinehart lieber gemalt würde, das zeigt das Porträt eines namentlich nicht genannten lokalen Künstlers auf ihrer Website – als „Country Girl“mit verschmitztem Lächeln, roten Pausbäckchen und blitzenden Augen vor einer Blumenwiese. Doch dieses Porträt wird es nicht zur gleichen Prominenz bringen wie das karikaturhafte von Namatjira. Letzteres soll – wenn es nach dem australischen Moderator und Komiker Dan Ilic geht – sogar auf dem New Yorker Times Square gezeigt werden. Mithilfe einer Crowdfunding-Kampagne hat er bereits über 22000 Australische Dollar (13 500 Euro) gesammelt. Die National Gallery of Australia, in der das Bild ausgestellt ist, hat übrigens keinerlei Anstalten gemacht, das Porträt abzuhängen. Vielmehr berichtete das Museum in Australiens Hauptstadt Canberra von deutlich mehr Besucherinnen und Besuchern, seitdem die Saga um die Welt geht.