Unausgegoren und ungerecht
Das Steuersystem sollte einfach und gerecht sein, doch davon ist der Status quo weit entfernt – auch bei der Erbschaftsteuer. Über die Frage des Für und Wider dieser Abgabe lässt sich trefflich streiten. Schließlich sind die vererbten oder geschenkten Vermögen in der Regel bereits doppelt und dreifach besteuert worden. Und ist eine Steuer zudem erst einmal beschlossene Sache – die Erbschaftsteuer gibt es in Deutschland bereits seit dem Jahr 1906 – dann lässt sie sich kaum wieder aus der Welt schaffen. Schließlich legt sich eher ein Hund einen Wurstvorrat an, als dass der Staat auf die Einnahmen aus einer Steuer verzichtet.
Union und SPD haben sich jetzt, allerdings vom Bundesverfassungsgericht dazu gedrängt, auf eine Reform verständigt, die auf den ersten Blick recht moderat erscheint. Die Mahnungen der Karlsruher Richter, die Erben größter Betriebsvermögen nicht länger so umfassend zu verschonen wie bisher, wurden dabei berücksichtigt, ohne ein Übermaß an Belastungen zu schaffen und dadurch die Zukunft von Unternehmen und Sicherung von Arbeitsplätzen zu gefährden.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble stand vor der schwierigen Aufgabe, die unterschiedlichsten Interessen unter einen Hut bringen zu müssen. Der Opposition und auch Teilen des Koalitionspartners geht die Reform nicht weit genug. Die Unternehmerverbände und der Wirtschaftsflügel der Union warnen dagegen vor zu hohen Belastungen für die Firmenerben und die Betriebe. Im Griff auch nach dem Privatvermögen der Erben sehen zudem nicht wenige Steuerexperten eine unzulässige Grenzüberschreitung.
Der Entwurf der Erbschaftsteuerreform der Bundesregierung wirkt alles in allem unausgegoren und wie mit heißer Nadel gestrickt. Von einem einfachen, klaren und gerechten Gesetz kann keine Rede sein. Und wenn Bundestag und Länder erst noch einmal Hand angelegt und weitere Veränderungen durchgepaukt haben, dürfte von einer echten Reform überhaupt nichts mehr zu erkennen sein.