Athens Finanzminister kommt mit leeren Händen
Kritische Töne gegenüber der Regierung Tsipras in Brüssel – Euroländer wollen Reformprogramm sehen
BRÜSSEL - Mit leeren Händen kam der neue griechische Finanzminister Euklid Tsakalotos am Dienstag zum Treffen mit seinen Kollegen der Eurogruppe nach Brüssel. Es war erwartet worden, dass er neue Reformvorschläge seiner Regierung erläutert, bevor abends die Regierungschefs einen Ausweg aus der verfahrenen Situation suchen. Bei der Ankunft gab sich Tsakalotos zugeknöpfter als sein Vorgänger Varoufakis und mied die Mikrofone. Auch Alexis Tsipras ging schweigend an den wartenden Journalisten vorbei. Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem sagte, er erwarte die Vorschläge und den Antrag auf Hilfen aus dem Rettungsschirm ESM in den nächsten Stunden. Erst dann könne geprüft werden, ob die Grundlage für neue Verhandlungen gegeben sei.
In Straßburg nahm zeitgleich die lettische Ministerpräsidentin Laimdota Straujuma Komplimente für die Ratspräsidentschaft ihres Landes entgegen. Für die kleinen Mitgliedsländer ist es ein Kraftakt, sechs Monate lang die EU-Geschäfte zu führen. Mehrere Redner betonten, dass sich Lettland durch vorbildliche Sparmaßnahmen selbst aus der Schuldenkrise befreit habe.
Grexit für Letten „kein Problem“
500 Kilometer weiter nördlich, in Brüssel, sagte der lettische Finanzminister Jänis Reirs: „Wir waren 2008 in einer ähnlich schwierigen Lage, haben die Beamtengehälter um 30 Prozent gekürzt und ein Drittel der Mitarbeiter im öffentlichen Sektor entlassen. Die griechische Regierung hat ihr Land heruntergewirtschaftet. Ein Schuldenschnitt sei nicht möglich. Auch ein Blitzverfahren, um den Europäischen Stabilitätsfonds ESM anzuzapfen, wird es nicht geben. Ein Grexit wäre für Lettland kein Problem.“
So brutal wollten die anderen Minister ihre Position nicht formulieren. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sprach aber für viele, als er sagte: „Die griechische Regierung hat erfolgreich dafür gekämpft, dass sie kein Programm will. Das respektieren wir. Aber ohne Programm gibt es keine Möglichkeit, in der Eurozone zu bleiben.“Einen Schuldenerlass lehnte er ab. „Wer die europäischen Verträge kennt, der weiß, dass ein Schuldenschnitt unter das Bailout-Verbot fällt.“Dabei bezieht sich Schäuble auf den Passus, der verbietet, dass ein Euroland die Schulden eines anderen Mitglieds der Eurozone übernimmt.
Ob in Brüssel oder in Straßburg – alle, die sich am Dienstag zum Referendum äußerten, betonten, dass nicht eine Demokratie mehr gelte als die andere, weil sie ihre Bürger direkt befragt habe. Der Vorsitzende der EVP-Fraktion, Manfred Weber (CSU), sagte: „Was ist, wenn wir die Finnen abstimmen lassen? Ist das dann eine schlechte Demokratie? Wir wissen nun, dass es eine nationale Sichtweise gibt. Das bringt uns aber in Europa nicht weiter.“Das Spiel von Syriza sei „hoch riskant“. Europa basiere auf Werten und Regeln. Kommissionspräsident Juncker ergänzte: „Rechthaberei hilft nicht. Wir müssen unser kleines und mein großes Ego in Klammern setzen und uns mit der Lage beschäftigen, die wir vorfinden. Ich werde alles tun, um den Grexit zu verhindern.“
Auch der finnische Finanzminister Alexander Stubb sagte, die Tür bleibe offen – aber nur unter der Bedingung, dass die griechische Regierung endlich spare. „Finnland hat Griechenland fünf Milliarden Euro geliehen, das sind zehn Prozent unseres Budgets und 2,5 Prozent unseres Bruttoinlandsprodukts.“Auf die Frage, ob er erleichtert sei, nicht länger mit dem überheblichen Gianis Varoufakis am Tisch zu sitzen, antwortete Stubb: „Es ist nicht eine einzelne Person, die das Spiel ändert. Das Spiel kann nur die griechische Regierung als Ganzes ändern.“
Allmählich zehrt der monatelange Ausnahmezustand an den Nerven aller Beteiligten. Im Europaparlament schnappte Kommissionschef Juncker wütend, als ihn eine Abgeordnete wegen des Dauerblicks auf sein Handy kritisierte. Er schreibe sich SMS mit Griechenlands Premier Tsipras, während er zuhöre. Parlamentspräsident Schulz lockerte die Stimmung auf, als er Fabio di Masi von der Linkspartei darauf aufmerksam machte, dass der sein OXISchild (griechisch „Nein“) falsch herum aufgestellt hatte. „Das müssen Sie umdrehen. Sonst heißt das IXO.“