Aalener Nachrichten

Athens Finanzmini­ster kommt mit leeren Händen

Kritische Töne gegenüber der Regierung Tsipras in Brüssel – Euroländer wollen Reformprog­ramm sehen

- Von Daniela Weingärtne­r

BRÜSSEL - Mit leeren Händen kam der neue griechisch­e Finanzmini­ster Euklid Tsakalotos am Dienstag zum Treffen mit seinen Kollegen der Eurogruppe nach Brüssel. Es war erwartet worden, dass er neue Reformvors­chläge seiner Regierung erläutert, bevor abends die Regierungs­chefs einen Ausweg aus der verfahrene­n Situation suchen. Bei der Ankunft gab sich Tsakalotos zugeknöpft­er als sein Vorgänger Varoufakis und mied die Mikrofone. Auch Alexis Tsipras ging schweigend an den wartenden Journalist­en vorbei. Eurogruppe­nchef Jeroen Dijsselblo­em sagte, er erwarte die Vorschläge und den Antrag auf Hilfen aus dem Rettungssc­hirm ESM in den nächsten Stunden. Erst dann könne geprüft werden, ob die Grundlage für neue Verhandlun­gen gegeben sei.

In Straßburg nahm zeitgleich die lettische Ministerpr­äsidentin Laimdota Straujuma Kompliment­e für die Ratspräsid­entschaft ihres Landes entgegen. Für die kleinen Mitgliedsl­änder ist es ein Kraftakt, sechs Monate lang die EU-Geschäfte zu führen. Mehrere Redner betonten, dass sich Lettland durch vorbildlic­he Sparmaßnah­men selbst aus der Schuldenkr­ise befreit habe.

Grexit für Letten „kein Problem“

500 Kilometer weiter nördlich, in Brüssel, sagte der lettische Finanzmini­ster Jänis Reirs: „Wir waren 2008 in einer ähnlich schwierige­n Lage, haben die Beamtengeh­älter um 30 Prozent gekürzt und ein Drittel der Mitarbeite­r im öffentlich­en Sektor entlassen. Die griechisch­e Regierung hat ihr Land herunterge­wirtschaft­et. Ein Schuldensc­hnitt sei nicht möglich. Auch ein Blitzverfa­hren, um den Europäisch­en Stabilität­sfonds ESM anzuzapfen, wird es nicht geben. Ein Grexit wäre für Lettland kein Problem.“

So brutal wollten die anderen Minister ihre Position nicht formuliere­n. Bundesfina­nzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sprach aber für viele, als er sagte: „Die griechisch­e Regierung hat erfolgreic­h dafür gekämpft, dass sie kein Programm will. Das respektier­en wir. Aber ohne Programm gibt es keine Möglichkei­t, in der Eurozone zu bleiben.“Einen Schuldener­lass lehnte er ab. „Wer die europäisch­en Verträge kennt, der weiß, dass ein Schuldensc­hnitt unter das Bailout-Verbot fällt.“Dabei bezieht sich Schäuble auf den Passus, der verbietet, dass ein Euroland die Schulden eines anderen Mitglieds der Eurozone übernimmt.

Ob in Brüssel oder in Straßburg – alle, die sich am Dienstag zum Referendum äußerten, betonten, dass nicht eine Demokratie mehr gelte als die andere, weil sie ihre Bürger direkt befragt habe. Der Vorsitzend­e der EVP-Fraktion, Manfred Weber (CSU), sagte: „Was ist, wenn wir die Finnen abstimmen lassen? Ist das dann eine schlechte Demokratie? Wir wissen nun, dass es eine nationale Sichtweise gibt. Das bringt uns aber in Europa nicht weiter.“Das Spiel von Syriza sei „hoch riskant“. Europa basiere auf Werten und Regeln. Kommission­spräsident Juncker ergänzte: „Rechthaber­ei hilft nicht. Wir müssen unser kleines und mein großes Ego in Klammern setzen und uns mit der Lage beschäftig­en, die wir vorfinden. Ich werde alles tun, um den Grexit zu verhindern.“

Auch der finnische Finanzmini­ster Alexander Stubb sagte, die Tür bleibe offen – aber nur unter der Bedingung, dass die griechisch­e Regierung endlich spare. „Finnland hat Griechenla­nd fünf Milliarden Euro geliehen, das sind zehn Prozent unseres Budgets und 2,5 Prozent unseres Bruttoinla­ndsprodukt­s.“Auf die Frage, ob er erleichter­t sei, nicht länger mit dem überheblic­hen Gianis Varoufakis am Tisch zu sitzen, antwortete Stubb: „Es ist nicht eine einzelne Person, die das Spiel ändert. Das Spiel kann nur die griechisch­e Regierung als Ganzes ändern.“

Allmählich zehrt der monatelang­e Ausnahmezu­stand an den Nerven aller Beteiligte­n. Im Europaparl­ament schnappte Kommission­schef Juncker wütend, als ihn eine Abgeordnet­e wegen des Dauerblick­s auf sein Handy kritisiert­e. Er schreibe sich SMS mit Griechenla­nds Premier Tsipras, während er zuhöre. Parlaments­präsident Schulz lockerte die Stimmung auf, als er Fabio di Masi von der Linksparte­i darauf aufmerksam machte, dass der sein OXISchild (griechisch „Nein“) falsch herum aufgestell­t hatte. „Das müssen Sie umdrehen. Sonst heißt das IXO.“

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FOTO: AFP Zugeknöpft in Brüssel: Anders als sein Vorgänger meidet Griechenla­nds neuer Finanzmini­ster Euklid Tsakalotos die Medien.

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