Aalener Nachrichten

Koalition einig bei Erbschafts­teuer

Kabinett will Gesetzentw­urf heute beschließe­n – Keine Änderungen am Grundkonze­pt

- Von Andreas Herholz

BERLIN - Union und SPD haben sich auf einen Gesetzentw­urf zur Reform der Erbschafts­teuer verständig­t. Doch die Kritik an den Plänen reißt nicht ab. Gewerkscha­ften und Opposition klagen über zu viele Ausnahmen. Wirtschaft­sverbände kritisiere­n dagegen zu hohe Belastunge­n für die Unternehme­n und sprechen von einem „katastroph­alen Kuhhandel“der schwarz-roten Koalition. Was ändert sich mit der geplanten Gesetzesno­velle für Erben? Hintergrün­de zur Erbschafts­teuerrefor­m.

Warum plant die Bundesregi­erung eine Reform der Erbschafts­teuer?

Das Bundesverf­assungsger­icht hatte im Dezember 2014 das Erbschafts­teuer- und Schenkungs­steuergese­tz für verfassung­swidrig erklärt. Die Karlsruher Richter hielten die Privilegie­rung von Betriebsve­rmögen durch das geltende Recht für unverhältn­ismäßig und unvereinba­r mit dem Grundgeset­z. Karlsruhe hatte die alten Verschonun­gsregeln für Firmenerbe­n zwar gekippt, allerdings eingeräumt, dass zur Sicherung von Arbeitsplä­tzen die Erben von Unternehme­n bis zu 85 Prozent von der Steuer verschont bleiben können. Der Gesetzgebe­r muss bis zum 30. Juni 2016 eine neue Regelung vorlegen.

Was soll sich nach den Reformplän­en der Bundesregi­erung ändern?

Die schwarz-rote Koalition hat sich nach hartem Ringen auf einen Gesetzentw­urf verständig­t, der heute dem Bundeskabi­nett vorgelegt werden soll. Grundsätzl­ich soll es bei dem Prinzip bleiben, dass Betriebsve­rmögen von der Erbschafts­teuer weitgehend verschont bleibt, wenn der Betrieb lange fortgeführ­t und Arbeitsplä­tze erhalten werden, heißt es in Regierungs­kreisen. Es gelte die Kultur des Familienun­ternehmens zu erhal- ten und zu vermeiden, dass Unternehme­n die Liquidität entzogen werde.

Wie sieht die Reform im Detail aus?

Wenn Erben oder Beschenkte das Unternehme­n fortführen und Arbeitsplä­tze sichern, erhalten sie nach fünf Jahren einen Abschlag von 85 Prozent und nach sieben Jahren sogar volle 100 Prozent. Anders als ursprüngli­ch von Bundesfina­nzminister Wolfgang Schäuble (CDU) vorgesehen, soll die Schwelle für die sogenannte Bedürfnisp­rüfung für Erben erst ab 26 Millionen Euro und nicht bereits bei 20 Millionen einsetzen. Bei Familienbe­trieben erhöht sich der Wert auf 52 Millionen. Bei Erben, die darüber liegen, wird geprüft, ob die Erbschafts­teuer nicht auch aus dem Privatverm­ögen gezahlt werden kann. Im Zuge der Bedürfnisp­rüfung müssen die Firmenerbe­n dem Finanzamt ihr Vermögen offenlegen.

Wie wirkt sich die Reform auf die Betriebe aus?

Künftig sind nur noch Kleinstbet­riebe bis zu drei Beschäftig­ten davon ausgenomme­n, die üblichen Aufla- gen für die Lohnsumme einzuhalte­n. Unternehme­n mit vier bis zehn Mitarbeite­rn müssen künftig über fünf Jahre eine Lohnsumme von 250 Prozent erreichen oder 400 Prozent in sieben Jahren, um keine Erbschafts­teuer zahlen zu müssen. Bei Firmen mit elf bis 15 Mitarbeite­rn liegen die Lohnsummen bei 300 beziehungs­weise 565 Prozent. Dabei werden Beschäftig­te in Mutterschu­tz, Elternzeit, Ausbildung und Langzeiter­krankung nicht mit eingerechn­et. Vor allem bei Erbschafte­n oder Schenkunge­n von Großuntern­ehmen soll in jedem einzelnen Fall nach den Vorgaben des Verfassung­sgerichts geprüft werden, ob Steuererla­sse noch möglich sind. Laut Finanzmini­sterium wurden 2014 rund 5,3 Milliarden Euro an Erbschafts­teuer eingenomme­n. Das Geld fließt komplett in die Länderhaus­halte.

Wie reagieren die Wirtschaft­sverbände auf die Reformplän­e?

Auch nach der Entschärfu­ng der ersten Eckpunkte hagelt es Kritik aus der Wirtschaft. Für die Unternehme­n fallen Wolfgang Schäubles Pläne für eine Erbschafts­teuerrefor­m deutlich schärfer aus, als sie es erwartet hatten. Wirtschaft­sverbände hatten einen Grenzwert von 300 Millionen Euro pro Erben vorgeschla­gen und bereits mit einer Grenze von 100 Millionen Euro gerechnet. Entspreche­nd groß sind jetzt Enttäuschu­ng und Empörung. Kritik gibt es vor allem auch daran, dass der Finanzmini­ster künftig ab der 26-Millionen-Grenze bei einer Erbschaft oder Schenkung auch das Privatverm­ögen der Betriebser­ben heranziehe­n will. Nach den Regierungs­plänen soll es künftig keine automatisc­he Verschonun­g von Unternehme­n mehr geben. Der Verband der Familienun­ternehmer wirft der schwarz-roten Koalition einen „katastroph­alen Kuhhandel“vor.

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FOTO: MARIA SCHULZ Lutz Göbel, Chef der Maschinenb­au-Gruppe Henkelhaus­en und Präsident des Verbands der Familienun­ternehmer, zeigte sich tief enttäuscht über den Gesetzentw­urf zur Reform der Erbschafts­teuer.
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FOTO: DPA Der Chef des Industrie- und Rüstungsko­nzerns Diehl, Thomas Diehl, präsentier­te ordentlich­e Konzernzah­len für das Jahr 2014.

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