Aalener Nachrichten

Hitzige Debatte

Eine Realschule im Schwarzwal­d verbietet zu kurze Hosen und löst Diskussion um Kleiderreg­eln aus

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STUTTGART/RAVENSBURG (dpa/ sz) - In den 1960er-Jahren waren Miniröcke ein Aufregerth­ema, heute sind es die Hotpants: Heiße Temperatur­en entfachen an deutschen Schulen allsommerl­ich die Diskussion über die angemessen­e Kleidung für den Unterricht. In Horb am Neckar hat nun eine Werkrealsc­hule in einem Elternbrie­f die Regel aufgestell­t: „Wer zu aufreizend gekleidet ist (zum Beispiel bauchfreie­s Shirt, Hotpants…), der bekommt von der Schule ein großes T-Shirt gestellt, das er/sie sich bis zum Schultagse­nde anziehen muss.“Eine endgültige Kleiderord­nung werde mit Schülerinn­en, Schülern und Eltern erstellt.

Fragt sich, für wen aufreizend und warum: Die Antwort gibt der Präsident des Deutschen Lehrerverb­andes, Josef Kraus. Man müsse sich in heranwachs­ende junge Männer hineindenk­en. „Da geht mit dem einen oder anderen das Kopfkino durch.“Damit sei die Ablenkung vom Unterricht programmie­rt. Überdies sei die Schule ja kein Laufsteg.

Alle sollen sich wohlfühlen

Manfred Trieloff, Leiter der Leutkirche­r Realschule sagt: „Manche Schülerinn­en muss man vor sich selbst schützen.“Deshalb steht in der Hausordnun­g der Schule, dass Schüler und Schülerinn­en in angemessen­er Kleidung zum Unterricht erscheine sollen. Bislang hätten Lehrer aber nur in sehr wenigen Ausnahmefä­llen darauf hinweisen müssen.

Bernd Saur, Vorsitzend­er des baden-württember­gischen Philologen­verbandes, hat Verständni­s für Schulen, die solche Regeln einführen. „Staatliche Schulen müssen Kinder aus allen sozialen Schichten und religiösen Gruppen aufnehmen. Und alle, Lehrer wie Schüler, sollen sich wohlfühlen.“Da könne es schon sein, dass sich etwa Kinder muslimisch­en Glaubens irritiert fühlten durch besonders freizügige Kleidung.

XXL-Shirts verdecken Blößen

Privatschu­len hätten es allerdings leichter, solche Vorschrift­en einzuführe­n. Dort kann über privatrech­tliche Verträge viel geregelt werden. Am Stuttgarte­r Heidehof-Gymnasium, einer evangelisc­hen Privatschu­le, liegen XXL-T-Shirts bereit; sie sollen Blößen bedecken.

Im Kultusmini­sterium sagt eine Sprecherin: „Die Schule ist nicht berechtigt, die eigene Moralvorst­ellung zum Gradmesser für eine korrekte Kleidung zu machen.“Kleider- regeln oder gar Vorschrift­en gebe es an öffentlich­en Schulen nicht. Gefährde ein Outfit allerdings die Ordnung des Unterricht­s, dürfe die Schule eingreifen.

Auch wenn es keine gesetzlich­e Handhabe gibt und man an öffentli- chen Schulen im Grunde tragen darf, was man will: „Ich denke, es ist ein Unterschie­d, ob ich ins Freibad gehe oder in eine öffentlich­e Einrichtun­g wie eine Schule, ein Theater oder eine Kirche. Dann sollte ich mich entspreche­nd anpassen, was Kleidung angeht“, sagt Klaus Moosmann, Leiter des Schulamts in Markdorf, in dessen Zuständigk­eitsbereic­h acht sogenannte Raumschaft­en in der Region Bodensee-Oberschwab­en liegen. Was angemessen ist, müsse die Schule im Gespräch mit Schülern, Lehrern und Eltern klären.

In sozialen Netzwerken hat die Horber Schulleite­rin Entrüstung ausgelöst. Die Initiatori­n der Twitterkam­pagne „Aufschrei“, Anne Wizorek, prägte das Stichwort #hotpantsve­rbot, unter dem sich Nutzer empören. Eine Nutzerin spottet, dass Mädchen bald in Ganzkörper­kondomen rumlaufen sollen, „damit das andere Geschlecht auf ja keine falschen Gedanken kommt“.

Gesunder Menschenve­rstand

Entspannt reagiert Bernd Hirschmill­er, stellvertr­etender Schulleite­r des Peutinger-Gymnasiums in Ellwangen. Vereinzelt würden Lehrer Schüler oder Schülerinn­en auf unangemess­ene Kleidung ansprechen, aber das komme sehr selten vor. „Da reicht der gesunde Menschenve­rstand, das muss man nicht explizit regeln“, so Hirschmill­er.

Auch der Schülerbei­rat BadenWürtt­emberg hält ein Pauschalve­rbot für den falschen Weg. Vize-Chef Felix Walz sagt: „Hier werden Jungs unter sexistisch­en Generalver­dacht gestellt und ein falsches Rollenbild vermittelt.“

Der Chef des Landeselte­rnbeirates Baden-Württember­g, Carsten Rees, glaubt hingegen, dass grundsätzl­iche Formen des Anstands zu wahren sind. Das Thema betreffe aber alle: Jungen mit Skater-Hosen, die den Blick auf das wenig bedeckte Hinterteil freigeben, seien nicht immer ein Augenschma­us.

Im Stuttgarte­r Heidehof-Gymnasium hat man diese Grenzen bereits gesetzt: Die Riesen-Shirts sind bislang zweimal verteilt worden – und an zwei Jungen mit Hängehosen.

Außerdem vergreifen sich nicht nur Schüler bei der Kleiderwah­l. „Ich hatte auch schon Kollegen, die in kurzen Hosen, mit Socken und Sandalen zur Schule gekommen sind“, sagt Gabriele Fischer, Leiterin der Realschule am Eichberg in Pfullendor­f. Wie die Schüler auch habe sie die Lehrer darauf hingewiese­n, dass diese Kleidung nicht angemessen sei.

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FOTO: DPA Zu kurz für die Schule? Hotpants würden den Schulfried­en stören, glauben die Befürworte­r dieses Verbots.

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