Mein Papa ist eine Maschine
Zwischen Familienwerten und (Selbst-)Zerstörungslust: „Terminator Genisys“
Die Zukunft hat sich geändert!“wirbt der Film, und man ahnt schon, dass dies keine gute Nachricht ist. Gut für Fans ist aber erst einmal, dass Arnold Schwarzenegger zum dritten Mal sein Versprechen „I’ll be back“einlöst: Der „Terminator“, die wohl berühmteste Kultfigur des modernen Actionkinos, ist zurück, unkaputtbar, maschinell und doch menschlich. Weder sein Ausflug in die US-Politik als „Governator“noch sein inzwischen fortgeschrittenes Alter schwächen den Eindruck, den „Arnie“hinterlässt.
„Terminator Genisys“, bei dem diesmal der völlig unbekannte Fernsehveteran Alan Taylor Regie führte, beschwört zwar im Titel die biblische Schöpfungsgeschichte, doch dreht sich die Handlung eher um die Hölle eines alternativen Universums: Noch einmal – wie schon im ersten „Terminator“– landet der stählerne „Cyberorganismus“im Los Angeles des Jahres 1984: die Muskeln durch digitale Schönheitsoperationen geglättet, wie auch das Antlitz des Kinohelden. Wie in Plastilin konserviert und nach drei Jahrzehnten wieder aus der Konservendose geholt, wirkt der ganze Film: Allemal ist der Kontrast irritierend, der sich zwischen dem Schwarzenegger der Vergangenheit und dem der Gegenwart auftut, dem wir in der späteren Hälfte des Films begegnen. Alter und Schönheitschirurgie wirken sich auf Schwarzeneggers allemal limitierte Schauspielkunst nicht positiv aus.
Augenblicke voller Selbstironie, Nostalgie und Weisheit
Aber es gibt großartige Augenblicke voller Selbstironie, Nostalgie und – ja! – Weisheit. In denen erlebt man diesen sonderbaren Menschen, der vom Bodybuilder zum Schauspieler mutierte, und paradoxer- aber eben auch passenderweise ausgerechnet als Darsteller einer Maschine die Rolle seines Lebens fand. Er ist jetzt, in der Filmhandlung, die von 1984 bis 2017 reicht, über 30 Jahre unter den Menschen: Eine alt gewordene Maschine, die sich in den neuen hypermodernen Zeiten zwischen all der neuen Technik nicht mehr wirklich gut zurechtfindet. Und die Sprüche sagt, wie heute jeder zweite Silver Surfer: „I’m old, not obsolete.“Ein Überbleibsel aus dem 20. Jahrhundert, ein Angehöriger der Arbeiterklasse, bei der es auf Muskelkraft ankommt, nicht auf die Schnelligkeit am Touchscreen, einer, der es stoisch aushält, dass die Zeit über ihn hinwegging und dass das Ende aller Tage immer näher rückt.
Die Handlung von „Terminator Genisys“ist kompliziert, schwer nachzuerzählen. Wer Einsteins Relativitätstheorie im Kopf, oder sich mit Zeitreisen und Parallelwelten beschäftigt hat, ist fraglos im Vorteil. Denn wie die Bewohner einer Flipperkugel wird man zwischen den Jahren 1984, 2017 und 2027 hin- und hergeschossen und entwickelt auch als Zuschauer solche paradoxen Gefühle wie Nostalgie für die Zukunft.
Wieder einmal ist es John Connor (diesmal gespielt von Jason Clarke), der im nach wie vor unüberbotenen „Terminator II“ein kleiner Junge war, der aus einer fernen Zukunft eine Kampfmaschine in die Vergangenheit sendet, um die eigene Zukunft zu sichern. Es gibt über den ganzen Film verteilt glänzend inszenierte Action-Sequenzen.
Wie im zweiten Teil muss auch hier Johns Mutter Sarah gerettet werden, der Filmcharakter, der einst Linda Hamilton berühmt machte, den jetzt die Britin Emilia Clarke („Game of Thrones“) spielt. Wieder kommen Killer-Maschinen, doch diesmal wurde am Zeitstrang herummanipuliert mit dem Ergebnis, dass Sarah weiß, worum es geht und gleich losballern kann.
Sie wurde auch bereits früh von der Schwarzenegger-Figur aufgezogen, nennt die Maschine „Papa“. Der Rest ist Action: Explosionen, digitale Selbstreparaturen, Bedrohungen, die in letzter Sekunde abgeschmettert werden.
Urteil ist etwas harsch
Bei der US-amerikanischen Kritik fällt der Film bislang durch. Das muss nichts bedeuten, denn die Fans wollen es einfach mit eigenen Augen sehen. Das Urteil ist aber auch für sich genommen etwas harsch: Denn dieser „Terminator“ist schön anzusehen, nur hat der Charakter einfach eine Menge hinter sich. Und die Narben verheilen bei Maschinen langsa- mer. Am Ende ist die Antwort auf die Frage, was wir von so einer Figur eigentlich wollen, einfach zu beantworten: Künstliche Menschen, von Frankensteins Monster bis heute, sind immer nur Spiegel unseres eigenen heimlichen Begehrens.
Dass die heroische Maschine einerseits Familienwerte predigt, andererseits viel kaputt schlägt, erzählt schon viel. Dass sich Zuschauer seit 30 Jahren eher mit einer Maschine identifizieren als mit ihresgleichen, verrät noch mehr. Der neue „Terminator“-Film spiegelt nicht nur unsere Selbstzweifel, sondern auch die (Selbst-)Zerstörungslust unseres Zeitalters.