Zwischen Kita und Plenarsaal
Politikerinnen wollen mehr Familienfreundlichkeit im Bundestag
BERLIN (KNA) - Vorbei ist die Zeit der fast reinen Männerparlamente. Der Frauenanteil wächst, auch der Anteil der jungen Mütter. Pampers und Politik – oft ist das schwer vereinbar. Eine Initiative fordert mehr Rechte für junge Eltern.
Sie haben alle kleine Kinder. Und sie haben keine Lust mehr, sich zu rechtfertigen, wenn sie nicht zum Abendtermin ihrer Fraktion kommen können, weil der Babysitter nicht einspringen kann. Bundestagsabgeordnete – bislang nur weibliche – haben sich deshalb zu einer Initiative zusammengeschlossen, um mehr Familienfreundlichkeit im Bundestag durchzusetzen. Prominenteste Vertreterinnen sind die frühere Familienministerin Kristina Schröder (CDU) und die Fraktionsvorsitzende der Linken, Katja Kipping. „Natürlich genießen wir Privilegien“, sagt die familienpolitische Sprecherin der Grünen, Franziska Brantner, die sich der Initiative ebenfalls angeschlossen hat. Bundestagsabgeordnete verdienten gut und könnten sich viele Termine frei einteilen. Es gebe aber eben auch viele Nachteile.
Dazu gehört, dass Abgeordnete kein Recht auf Elternzeit haben. So musste etwa Schröder, die inzwischen Mutter von zwei Mädchen im Alter von vier und einem Jahr ist, wie Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) – damals noch Generalsekretärin ihrer Partei – acht Wochen nach der Geburt wieder voll einsteigen. Zu Terminen am Abend und am Wochenende kommt die Pendelei zwischen Berlin und dem Wahlkreis dazu.
Brantner saß bis 2013 im Europaparlament in Brüssel. Dort habe sie regelmäßig sonntags von Abgeordneten gehört, dass sie den Kirchgang als Entschuldigung für das Fehlen bei einer Veranstaltung angaben – auch von den eher kirchenfernen, erzählt Brantner. „Warum kann man nicht sagen, ich möchte den Sonntagmorgen mit meiner Familie verbringen?“
Politikfreier Sonntag gefordert
Für die grüne Politikerin hat das Vorhaben auch etwas mit Glaubwürdigkeit zu tun. Was Abgeordnete für junge Eltern fordern und durchsetzen, sollten auch Abgeordnete im Politikbetrieb beherzigen, meint sie.
Die Änderungsvorschläge, auf die sich die Abgeordneten aller Fraktionen geeinigt haben, sehen unter anderem vor, dass Babys und Kleinkinder im Plenarsaal bei namentlichen Abstimmungen grundsätzlich erlaubt sein sollen. Abgeordnete sollen ähnlich wie im Landtag von BadenWürttemberg im ersten Jahr nach der Geburt eines Kindes mehr Zeit für die Familie haben.
Zudem sollen sich die Fraktionen verpflichten, nächtliche namentliche Abstimmungen zu vermeiden. Als Selbstverpflichtung schlagen sie vor, dass der Sonntag politikfrei sein solle. Möglichst noch in dieser Legislaturperiode möchte die Initiative die Vorschläge umsetzen. Rund 50 weibliche Abgeordnete mit Kindern gehören der Gruppe an, die sich zu Jahresbeginn erstmals traf. Männliche Abgeordnete fehlen bislang. Sie sei zuversichtlich, dass die noch kommen, meint Schröder. Und die SPDBundestagsabgeordnete Dagmar Schmidt ergänzt, dass sich die Männer in ihrer Fraktion durchaus engagiert hätten. Die Initiative sei aber von den Frauen ausgegangen. Die Männer hätten dann im Zweifel den „Kollateral-nutzen“.
Kipping betont, es sei ursprünglich nicht vorgesehen gewesen, dass Mütter mit kleinen Kindern ein Mandat hätten. Sie wolle aber auch junge Eltern ermutigen, als Abgeordnete tätig zu sein. Es müsse „neue Formen der Rücksichtnahme geben“.
Dazu gehöre auch, dass Abgeordnete angeben könnten, warum sie nicht an namentlichen Abstimmungen teilnehmen könnten, so Schröder. Anlass für die Initiative seien nämlich Medienberichte über die faulsten Abgeordneten gewesen. Regelmäßig rangierten dort Mütter mit kleinen Kindern ganz oben. Dabei genüge schon die Mutterzeit, um einen der oberen Plätze einzunehmen. Fair sei das nicht.