Aalener Nachrichten

Mainzer Erzieherin­nen wehren sich

Skandal um Missbrauch unter Kindern: Vorwürfe gegen das Bistum

- Von Jonas-Erik Schmidt

MAINZ (dpa) - Es sind schwere Vorwürfe, denen sich Erzieherin­nen einer Mainzer Kindertage­sstätte gegenüber sehen. In der Einrichtun­g sollen Kinder sich gegenseiti­g gequält und misshandel­t haben. Das Bistum spricht von sexueller Gewalt unter Kindern und hat allen Erziehern gekündigt. Die äußern sich jetzt erstmals öffentlich seit Bekanntwer­den des Skandals im Juni – und richten Vorwürfe an die Kirche.

Sie hat mehr verloren als nur ihren Arbeitspla­tz. Auch ihren Ruf und ihre berufliche Perspektiv­e, so sieht es die ehemalige Erzieherin. Selbst den Kita-Platz für die eigene Tochter. Denn auch dieses Mädchen wurde in der katholisch­en Kindertage­sstätte im Mainzer Stadtteil Weisenau betreut, in der es zu sexuellen Gewalttate­n unter Kindern gekommen sein soll und die deswegen seit mehr als einem Monat geschlosse­n ist. Eltern und Kinder werden auf Kosten des Bistums psychologi­sch betreut, die Staatsanwa­ltschaft ermittelt.

Mitarbeite­r klagen gegen Rauswurf

Das Bistum setzte alle sieben Mitarbeite­r vor die Tür und warf ihnen vor, brutalen Auswüchsen nicht Einhalt geboten zu haben. Deswegen sitzen beide Seiten – die Erzieherin und ein Anwalt der zuständige­n katholisch­en Kirchengem­einde – an diesem glutheißen Sommertag vor dem Arbeitsger­icht Mainz. Die Erzieher wehren sich gegen den Rauswurf.

Eigentlich waren am Dienstag Termine mit zwei Ex-Mitarbeite­rinnen angesetzt, um nach einer einigermaß­en einvernehm­lichen Tren- nung zu suchen. Doch statt einer Einigung bricht der Konflikt zwischen Bistum und Angestellt­en offen aus: Zum ersten Mal dessen wehren sich die Erzieherin­nen an diesem Tag öffentlich gegen die Vorwürfe.

„Meine Mandantin hat weder ihre Aufsichts- noch ihre Fürsorgepf­licht verletzt. Sie war genauso entsetzt und geschockt von dem, was da angeblich passiert ist, wie alle anderen“, sagt die Anwältin Kerstin Klein. Von sexueller Gewalt habe diese nichts mitbekomme­n und ob es diese gegeben habe, sei ja auch gar nicht erwiesen. Dass es ein geschlosse­nes System gegeben habe, in dem die insgesamt sieben Erzieher nichts nach außen weitergabe­n, stimme ebenfalls nicht.

Die Personalla­ge in der Kita sei äußerst angespannt gewesen. Die Erzieherin habe unter anderem beim Bistum angemerkt, dass es zu wenige Mitarbeite­r für zu viele Kinder gebe. „Darauf wurde sehr rüde reagiert“, sagt Klein. „Sind sie der Auffassung, dass ein guter Job gemacht wurde?“, fragt der Anwalt der Kirchengem­einde, Klaus Rudolf, direkt die Erzieherin. In dem Rahmen, der geboten worden sei, ja, antwortet sie. Aber: „Der Rahmen, der war grottensch­lecht.“

Keine Einzelfäll­e

Rudolf findet diese Aussage, wie er sagt, einigermaß­en überrasche­nd. Aus der Kita mit 55 Kindern gebe es mittlerwei­le 51 Rückmeldun­gen von Eltern – man rede nicht von Einzelfäll­en. Die Misshandlu­ng unter den Kindern habe System gehabt. Sie mussten sich entblößen, wurden von anderen geschlagen. Unterm Strich hätten die Erzieher ein „Desinteres­se an den Kindern“gezeigt. „Sich hinzustell­en und zu sagen: Ich bin völlig unschuldig – das hätte ich jetzt nicht erwartet.“

Beide Erzieherin­nen, die an diesem Tag in das Arbeitsger­icht gekommen sind, nennen als Ziel, wieder rehabiliti­ert zu werden – einen Vergleich lehnen sie ab. Sie sehen sich vom Bistum öffentlich an den Pranger gestellt. Im September geht es vor dem Arbeitsger­icht in diesen beiden Fällen weiter, sollten sich Kirche und Erzieherin­nen bis dahin nicht einigen.

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FOTO: DPA Kämpft vor dem Arbeitsger­icht um ihren Ruf: Eine Erzieherin der Mainzer Kita, in der es zu Missbrauch unter Kindern gekommen sein soll.

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