Mainzer Erzieherinnen wehren sich
Skandal um Missbrauch unter Kindern: Vorwürfe gegen das Bistum
MAINZ (dpa) - Es sind schwere Vorwürfe, denen sich Erzieherinnen einer Mainzer Kindertagesstätte gegenüber sehen. In der Einrichtung sollen Kinder sich gegenseitig gequält und misshandelt haben. Das Bistum spricht von sexueller Gewalt unter Kindern und hat allen Erziehern gekündigt. Die äußern sich jetzt erstmals öffentlich seit Bekanntwerden des Skandals im Juni – und richten Vorwürfe an die Kirche.
Sie hat mehr verloren als nur ihren Arbeitsplatz. Auch ihren Ruf und ihre berufliche Perspektive, so sieht es die ehemalige Erzieherin. Selbst den Kita-Platz für die eigene Tochter. Denn auch dieses Mädchen wurde in der katholischen Kindertagesstätte im Mainzer Stadtteil Weisenau betreut, in der es zu sexuellen Gewalttaten unter Kindern gekommen sein soll und die deswegen seit mehr als einem Monat geschlossen ist. Eltern und Kinder werden auf Kosten des Bistums psychologisch betreut, die Staatsanwaltschaft ermittelt.
Mitarbeiter klagen gegen Rauswurf
Das Bistum setzte alle sieben Mitarbeiter vor die Tür und warf ihnen vor, brutalen Auswüchsen nicht Einhalt geboten zu haben. Deswegen sitzen beide Seiten – die Erzieherin und ein Anwalt der zuständigen katholischen Kirchengemeinde – an diesem glutheißen Sommertag vor dem Arbeitsgericht Mainz. Die Erzieher wehren sich gegen den Rauswurf.
Eigentlich waren am Dienstag Termine mit zwei Ex-Mitarbeiterinnen angesetzt, um nach einer einigermaßen einvernehmlichen Tren- nung zu suchen. Doch statt einer Einigung bricht der Konflikt zwischen Bistum und Angestellten offen aus: Zum ersten Mal dessen wehren sich die Erzieherinnen an diesem Tag öffentlich gegen die Vorwürfe.
„Meine Mandantin hat weder ihre Aufsichts- noch ihre Fürsorgepflicht verletzt. Sie war genauso entsetzt und geschockt von dem, was da angeblich passiert ist, wie alle anderen“, sagt die Anwältin Kerstin Klein. Von sexueller Gewalt habe diese nichts mitbekommen und ob es diese gegeben habe, sei ja auch gar nicht erwiesen. Dass es ein geschlossenes System gegeben habe, in dem die insgesamt sieben Erzieher nichts nach außen weitergaben, stimme ebenfalls nicht.
Die Personallage in der Kita sei äußerst angespannt gewesen. Die Erzieherin habe unter anderem beim Bistum angemerkt, dass es zu wenige Mitarbeiter für zu viele Kinder gebe. „Darauf wurde sehr rüde reagiert“, sagt Klein. „Sind sie der Auffassung, dass ein guter Job gemacht wurde?“, fragt der Anwalt der Kirchengemeinde, Klaus Rudolf, direkt die Erzieherin. In dem Rahmen, der geboten worden sei, ja, antwortet sie. Aber: „Der Rahmen, der war grottenschlecht.“
Keine Einzelfälle
Rudolf findet diese Aussage, wie er sagt, einigermaßen überraschend. Aus der Kita mit 55 Kindern gebe es mittlerweile 51 Rückmeldungen von Eltern – man rede nicht von Einzelfällen. Die Misshandlung unter den Kindern habe System gehabt. Sie mussten sich entblößen, wurden von anderen geschlagen. Unterm Strich hätten die Erzieher ein „Desinteresse an den Kindern“gezeigt. „Sich hinzustellen und zu sagen: Ich bin völlig unschuldig – das hätte ich jetzt nicht erwartet.“
Beide Erzieherinnen, die an diesem Tag in das Arbeitsgericht gekommen sind, nennen als Ziel, wieder rehabilitiert zu werden – einen Vergleich lehnen sie ab. Sie sehen sich vom Bistum öffentlich an den Pranger gestellt. Im September geht es vor dem Arbeitsgericht in diesen beiden Fällen weiter, sollten sich Kirche und Erzieherinnen bis dahin nicht einigen.