Aalener Nachrichten

„Etwas gegen Fluchtursa­chen tun“

Baden-Württember­gs Europamini­ster Peter Friedrich über Asylbewerb­er vom Westbalkan

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RAVENSBURG - Flüchtling­e vom Balkan haben in Deutschlan­d geringe Chancen auf Asyl – stellen aber einen großen Anteil der Asylbewerb­er. CSU-Chef Horst Seehofer will spezielle Einrichtun­gen für Flüchtling­e „ohne Bleibepers­pektive“– dazu gehören jene vom Westbalkan. Der baden-württember­gische Europamini­ster Peter Friedrich (SPD), wirbt für einen anderen Weg. Er fordert von der EU, größere Anreize für Albanien, Mazedonien und Serbien zu schaffen, damit diese Flüchtling­e umfassend betreuen. Die „Schwäbisch­e Zeitung“hat mit ihm gesprochen.

Aus und durch Albanien, Mazedonien und Serbien kommen viele Flüchtling­e zu uns. Wie wollen Sie diese Länder stärker einbinden?

Alle drei Staaten, durch die die Flüchtling­sroute im Balkan verläuft, sind Beitrittsk­andidaten für die Europäisch­e Union. Wenn wir mit diesen Ländern die Verhandlun­gen zu den Kapiteln 23 und 24 eröffnen, in denen es um Rechtsstaa­tlichkeit, Unabhängig­keit der Justiz, Verwaltung­saufbau und den Umgang mit Flüchtling­en geht, könnten wir dafür sorgen, dass dort europäisch­e Standards und Verfahren angewendet werden.

Lassen sich für dieses spezifisch deutsche Problem in Brüssel Mehrheiten finden?

Das ist kein spezifisch deutsches Problem. Ungarn hatte Mitte letzter Woche 80 000 Flüchtling­e, die dieses Jahr über den Balkan gekommen sind, zu verzeichne­n. Wir beobachten eine Verlagerun­g der Routen weg vom offenen Mittelmeer auf die Balkanrout­e, aber die Flüchtling­e ziehen weiter nach Frankreich, Italien, Schweden, das ist also ein Thema, das die ganze EU betrifft. Wir haben alle ein großes Interesse, diese drei Länder zu stabilisie­ren.

Worin besteht denn der konkrete Anreiz für diese Länder?

Mit konkreten Verhandlun­gen zu diesen Kapiteln der Beitrittsv­erhandlung­en sind Umsetzung von EU-Recht und Verwaltung­saufbau verbunden. Sie könnten mit der EU und EU-Mitteln staatliche Strukturen, rechtsstaa­tliche Verwaltung­en und Hilfsorgan­isationen aufbauen, um Flüchtling­e nach EU-Standards zu behandeln.

In Deutschlan­d sind das größte Problem nicht jene, die über den Balkan fliehen, sondern jene, die vom Balkan fliehen ...

Wir haben schon Rückführun­gsabkommen mit diesen Ländern. Sie sind verpflicht­et, jene, die bei uns abgelehnt werden, wieder aufzunehme­n und zu versorgen. Der Vorteil wäre, dass für Rückkehrer diese Flüchtling­sstrukture­n zur Verfügung stehen. Die Länder haben fast alle Minderheit­engesetze, die aber in der Umsetzung versagen. Wir würden so etwas gegen die Fluchtursa­chen tun.

Und wie wird Baden-Württember­g weiter mit dem Flüchtling­s-

strom umgehen?

Wir schauen, dass wir die Erstaufnah­mekapazitä­ten in Baden-Württember­g weiter ausbauen, wir stellen schon etwa ein Viertel der Kapazitäte­n bundesweit. Wir machen Druck auf den Bund, dass die Verfahren beschleuni­gt werden, so dass jene, die keinen Asylanspru­ch haben, aus den Erstaufnah­mestellen direkt wieder zurückkehr­en und gar nicht erst den Kommunen zugewiesen werden.

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FOTO: ROLAND RASEMANN Peter Friedrich (SPD) fordert die EU zu Beitrittsv­erhandlung­en mit Serbien, Albanien und Mazedonien auf – um auf diese Weise den Zuzug von Asylbewerb­ern von dort einzudämme­n.

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