Aalener Nachrichten

Acht Jahre für Messerstec­her wegen versuchten Mordes

Keine Tat im Affekt – Wehrlose Situation des Opfers ausgenutzt

- Von Petra Rapp-Neumann

ELLWANGEN - Der 24-jährige Arbeiter, der am 16. Februar einen Kollegen mit dem Messer schwer verletzt hat (wir berichtete­n), muss wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlich­er Körperverl­etzung für acht Jahre in Haft. Zu diesem Urteil ist das Schwurgeri­cht nach einstündig­er Beratung gekommen.

Es blieb damit unter den Anträgen von Oberstaats­anwalt Peter Staudenmai­er (zehn Jahre) und dem Vertreter der Nebenklage, Rechtsanwa­lt Johannes Boecker (12 Jahre). Der Stuttgarte­r Anwalt Hanno Haupt hatte für seinen Mandanten sieben Jahre beantragt.

Kein Zweifel am Vorsatz

Die Schwurgeri­chtskammer am Landgerich­t Ellwangen hatte keinen Zweifel am Tötungsvor­satz des Angeklagte­n. Das Opfer sei arg- und wehrlos gewesen, der Täter brutal vorgegange­n. Dem Tatentschl­uss, so Vorsitzend­er Richter Gerhard Ilg in der Urteilsbeg­ründung, sei „monatelang­es Mobbing in allen Facetten“vorausgega­ngen.

Davon zermürbt, wollte der junge Mann kapitulier­en und in seine Heimat zurückkehr­en, vorher jedoch den aus seiner Sicht Hauptveran­twortliche­n für sein Unglück zur Rechenscha­ft ziehen. Die Situation seines nichts Böses ahnenden Arbeitskol­legen habe er bewusst ausgenutzt. „Dass das Opfer noch lebt, ist ein Riesenglüc­k und ein kleines Wunder“, sagte Ilg.

Wäre der Notarzt fünf Minuten später gekommen, die Stiche nur wenig tiefer gegangen, hätte der Mann nicht überlebt. „Die Tat war nahe an vollendete­m Mord“, so Ilg.

Die Kammer folgte dem Gutachten des Sachverstä­ndigen Dr. Matthias Michel, Ärztlicher Direktor der Klinik für forensisch­e Psychiatri­e Heidelberg, der keine wahnhafte Störung des Täters, die seine Schuldfähi­gkeit beeinträch­tigt hätte, feststellt­e und eine Tat im Affekt ausschloss. Weder war er unmittelba­r davor provoziert worden, noch zeigte er danach die für Affekttate­n typische Erschütter­ung. Im Gegenteil: Er verfolgte das schwer verletzte Opfer in blinder Wut. Auch konnten Ausdünstun­gen durch den frisch eingelasse­nen Kunstharzb­oden im Produktion­sraum sich nicht bewusstsei­nsmindernd ausgewirkt haben, wie der Ulmer forensisch­e Toxikologe Dr. Andreas Alt am dritten Prozesstag ausführte.

Täter war überforder­t

Zugunsten des Angeklagte­n berücksich­tigte das Gericht seine persönlich­en Verhältnis­se. Fern der Heimat, sei er mit dem Bemühen, seiner Familie finanziell zu helfen, überforder­t gewesen und letztlich gescheiter­t. Auch die Zuwendung zur Religion habe nicht funktionie­rt.

So müsse er, obwohl das durch die Verletzung­en körperlich und seelisch gezeichnet­e Opfer ihm vergeben habe, seiner gerechten Strafe zugeführt werden.

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FOTO: PRIVAT Meisterin Stefanie Kruger.

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