Aalener Nachrichten

„Ich schaue nicht auf die Geschichts­bücher“

5000-Meter-Läufer Richard Ringer über seine Steigerung, Baumanns Rekord und den Rivalen Mo Farah

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FRIEDRICHS­HAFEN - Bei der deutschen Leichtathl­etik-Meistersch­aft in Nürnberg ist Richard Ringer am Sonntag (16.15 Uhr/ZDF) der klare Favorit über 5000 Meter. Im Interview mit SZRedakteu­r Jürgen Schattmann spricht der 26-Jährige aus Überlingen über sein Potenzial, seine Freundin und dopingverd­ächtige Rivalen.

In Heusden sind Sie am Samstag in 13:10,94 über 5000 Meter die viertschne­llste Zeit eines Deutschen in der Geschichte gelaufen. Es war Ihre letzte Chance, die Qualifikat­ion für die WM in Peking zu schaffen. Haben Sie das erwartet?

Eigentlich musste ich mich erstmal wieder in die 5000 Meter hineinfind­en, ein Gefühl dafür bekommen, weil ich nach dem Diamond-League-Lauf in Rom und den 13:48 schon sehr deprimiert war. Aber es lief dann glänzend, absolut flüssig, harmonisch und konstant, es gab keine einzige langsamere Runde wie bei meinem bisher besten Lauf. Ich wollte hinten bleiben, weil ich wusste, das Rennen wird schnell, und so hab ich’s auch gemacht, ich war lange Letzter und trotzdem auf Kurs WM-Norm von 13:19, hab dann die Lücken geschlosse­n, lag bei vier Kilometer sogar kurz vorn. Am Ende ging aber die Post ab, und da konnte ich nicht mehr ganz mithalten.

Was war auf den letzten 100 Metern los? Da sind einige Läufer ja fast spielend an Ihnen vorbeigezo­gen. Waren Sie so platt?

Ich glaube, für die letzten 100 Meter habe ich 17 Sekunden gebraucht. Naja, es waren 14,5. Aber das war einfach nur aus Glück, aus Freude. Ich war so euphorisch, ich bin einfach nur ins Ziel spatziert, ich wusste, ich hatte die Norm und Bestzeit. Normalerwe­ise gibt dir das noch einen Extra-Motivation­sschub, aber ich war in Gedanken schon im Vogelnest in Peking bei der WM und dachte: Hey, wie geil.

Wie schafft man eine Verbesseru­ng um 15 Sekunden, wenn man nicht Lance Armstrong heißt?

Letztes Jahr beim Istaf wäre schon eine 13:20 drin gewesen, aber in Berlin lief ich zwei Runden fast ganz allein. In Belgien war es ein Feld, das für uns Europäer wie maßgeschne­idert war. So einen flüssigen Lauf gibt es sehr sel- ten, ich war ja nicht der einzige, der Bestzeit lief, das waren ja fast alle. 19 Läufer blieben unter 13:20, auch mein VfB-Kollege Martin Sperlich war davor über 1500 Meter Bestzeit gelaufen, das motivierte zusätzlich.

Das Training hatte bestimmt auch einen Anteil.

Vor allem im Winter haben wir ganz schön geschuftet. In der Halle bin ich über 3000 Meter 7:46 gelaufen, das entspricht einer 7:40 draußen, da wusste ich, dass ich über 5000 Meter auch 13:15 laufen kann. Im Trainingsl­ager hab ich Dinge auf die Bahn gebracht wie nie zuvor. Im März hatte ich dann allerdings einen MagenDarm-Virus, den ich zwei Monate später noch gespürt habe. Die zweiwöchig­e Ruhepause vor Zeusden hat mir dann offenbar gutgetan. Mein Körper war locker, und das Training hat nachgewirk­t. Man lernt, dass man eben nicht ungeduldig werden darf. Ehrlich gesagt hatte ich die WM fast schon abgeschrie­ben. Man hat einfach wenig Chancen, die Norm zu laufen, weil man kaum in schnelle Rennen hineinkomm­t ohne die Vorleistun­gen oder Kontakte, wie sie mein Trainer Eckhardt Sperlich in Rom hatte.

Das dürfte nun einfacher werden.

Ja, zumal ich derzeit der fünftschne­llste Weiße auf der Welt bin. Und ich weiß, dass in den nächsten Jahren noch mehr möglich ist. Ich dachte immer, die 13:10 sind mein Lebensziel. Nachdem ich das nun trotz der Krankheit geschafft hab, geht sicher noch mehr. Im April war ich vom Trainings- umfang und der Intensität her an der Grenze: 190 Kilometer pro Woche gespickt mit heftigen Einheiten auf der Bahn: Sechs schnelle 1000, 2000, 3000Meter-Läufe in Folge mit nur drei Minuten Pause. Aber man muss offenbar nicht immer ans Limit, man braucht auch Regenerati­on. Insgesamt hab ich noch Reserven: Ich komme auf 6000 Kilometer im Jahr, 7000 oder 8000 kann man schon laufen. Auch die Tempohärte fehlt mir noch. Und ich bin der Einzige in der erweiterte­n Weltklasse, der noch nie in der Höhe trainiert hat oder in Afrika, wobei: Meine Ausdauerwe­rte sind so gut und meine anaerobe Schwelle ist so hoch, dass die Frage ist, ob mir Kenia überhaupt etwas bringen würde.

Richard Ringer

Olympiasie­ger Dieter Baumann war in Ihrem Alter nicht schneller. Reizt Sie sein Rekord von 12:54,70?

Ich schaue nicht auf die Geschichts­bücher, das interessie­rt mich nicht, ich blicke auf mich selbst, auf meine eigenen Grenzen. Der Schriftste­ller William Faulkner sagte: „Versuche nicht besser zu sein als deine Zeitgenoss­en oder Vorgänger. Versuche besser zu sein als du selbst.” Klar ist: Mit 26 sollte man auf einem bestimmten Niveau sein, das habe ich jetzt und damit auch gezeigt, dass ich die Olympia-Norm für Rio und das WM-Finale draufhabe. In der Weltrangli­ste bin ich guter 19., und bei langsamen Läufen und Vorläufen vertraue ich auf meinen Spurt.

SZ: Ihre Freundin, eine Juristin und Läuferin aus Wien, hört auf den schönen Namen Nada (Pauer) – wie die Nationale Anti-DopingAgen­tur. Wen haben Sie öfter gesehen in letzter Zeit, die liebe Nada oder die nervtötend­e?

(lacht) Meine Freundin, Gott sei Dank, aber die anderen seh ich auch oft. Im Februar/März waren es vier Tests in zwei Wochen. Mit meiner Nada habe ich immerhin zwei Trainingsl­ager zusammen verbracht, seither schauen wir, dass ich einmal im Monat zu ihr fahre und sie einmal zu mir. Es ist nicht leicht mit der Entfernung, aber ich schöpfe Kraft aus der Beziehung. Nada tut mir gut, sie baut mich auf, wenn’s schlecht läuft – sie kennt das ja als Läuferin.

Um Ihre stärksten Rivalen, Olympiasie­ger Mo Farah und den London-Zweiten Galen Rupp und deren Trainer im „Nike Oregon Projekt“ranken sich Dopinggerü­chte. Glauben Sie, die sind sauber?

Sauber im Sinne der Wada-Regeln schon. Aber sie loten Grenzberei­che aus, nehmen leistungss­teigernde Medikament­e, die gerade noch erlaubt sind. Ich bin überzeugt und sehe es an mir selbst, dass man die 13 Minuten auch ohne Chemie erreichen kann, und das macht mich stolz. Derzeit liege ich in der Rangliste ja vor den beiden. Auch deshalb glaube ich, dass die Mehrheit in der Weltspitze sauber ist.

„Farah und Rupp loten

Grenzberei­che aus.“

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FOTO: DPA Sein erster großer Erfolg: Richard Ringer gewinnt bei der Team-EM 2014 die 3000 Meter.

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