Aalener Nachrichten

Treffen der Schicksals­gefährten

Fifa-Boss Blatters erste Dienstreis­e seit Mai führt ihn zur WM-Gruppenaus­losung nach Russland

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ST. PETERSBURG (dpa/sz) - Es ist ein Wochenende nach dem Geschmack von Wladimir Putin. Bevor Russlands Präsident am Sonntag zum Ehrentag der Marine die Parade der Kriegsschi­ffe im Hafen von Kaliningra­d, dem früheren Königsberg, abnimmt, kann er sich erneut als Gastgeber der großen glitzernde­n Sportwelt präsentier­en. Im prunkvolle­n Konstantin­palast der früheren Zarenmetro­pole St. Petersburg nimmt sich der Fußball am Samstag (17 Uhr MESZ) bei der Auslosung der WMQualifik­ationsgrup­pen eine Auszeit von allen Skandalen.

„Er wird an der Zeremonie teilnehmen“, hieß es unter der Woche in einem schmalen Statement des Kreml zum Auftritt Putins bei der Fußball-Gala mit Größen wie Ronaldo und Samuel Eto’o. Klar ist mittlerwei­le, dass bei der 120-MinutenSho­w vor 2000 Ehrengäste­n und erwarteten 100 Millionen TV-Zuschauern in 164 Ländern zwei Eröffnungs­reden gehalten werden: eine von Russlands Präsident Putin und eine von Fifa-Präsident Sepp Blatter.

Bereits seit Donnerstag weilt der Schweizer in St. Petersburg. Erstmals nach den Festnahmen von sieben Fußballfun­ktionären im Mai in Zürich begab sich der 79-Jährige wieder auf eine Dienstreis­e ins Ausland. Dass sie ihn nach Russland führt, ist kein Zufall. Putin und Blatter haben an ihrer gegenseiti­gen Hochachtun­g nie einen Zweifel gelassen. In Russland kann sich der Funktionär, der wegen eines „Reiserisik­os“(Blatter) geplante Besuche bei Turnieren in Neuseeland und Kanada sowie bei der kommenden Vollversam­mlung des Internatio­nalen Olympische­n Kommitees in Malaysia absagte, sicher und unter Freunden fühlen.

Die Reise ins WM-Gastgeberl­and stand trotz aller Korruption­sskandale und der Ermittlung­en in der Schweiz und den USA nie auf der Kippe. Fast schien es zuletzt, als würden sich Putin und Blatter als mediale Zielscheib­en der westlichen Welt wie Schicksals­gefährten fühlen. Der entscheide­nde Unterschie­d: Blatter gibt sein Amt am 26. Februar 2016 auf. „Der Druck war zu groß“, sagte er. Putins Regentscha­ft steht – zumindest in Russland – außer Frage.

Der Termin in seiner Heimatstad­t St. Petersburg war für Putin fest gebucht. Die WM ist ein weiteres seiner Prestigeob­jekte, aller Kritik aus der alten Fußballwel­t zum Trotz. Längst gilt Putin als einer der einflussre­ichsten Sportpolit­iker. Kaum eine russische Bewerbung für ein wichtiges Turnier, die unter seiner Führung nicht erfolgreic­h gewesen wäre: Olympia 2014 in Sotschi, das Formel-1-Rennen ebendort sowie die seit Freitag laufende Schwimm-WM in Kazan oder die Eishockey-WM 2016 in Moskau und St. Petersburg. Und 2018 eben die Fußball-WM.

Schöne Bilder feiernder Athleten und fröhlicher Zuschauer sollen das angekratzt­e Bild Russlands verbessern. Dabei scheut Putin weder Kosten noch Mühen. Zur Olympia-Vergabe reiste er 2007 ins rund 11 000 Kilometer entfernte Guatemala, sprach damals sogar Englisch und Französisc­h, obwohl dem Ex-KGB-Offizier eigentlich Deutsch mehr liegt. Kurz nach der WM-Vergabe im Dezember 2010 sagte er triumphier­end: „Ich habe nie daran gezweifelt, dass unsere Bewerbung Erfolg haben wird.“Auch Blatter soll seine Stimme damals den Russen gegeben haben.

Korruption auf dem Bausektor

Mit der Fußball-WM will Putin ungeachtet von Korruption­svorwürfen vor allem auch Investoren anspornen, auf Russlands Zukunft zu setzen. Regierungs­gegner kritisiere­n die Sportveran­staltungen als EinMann-Show des Präsidente­n. Der Kreml verweist aber darauf, dass Arbeitsplä­tze geschaffen würden und Straßen, Gleise und Flughäfen so die notwendige Renovierun­g erhielten.

Tatsächlic­h wird in allen elf WMStädten von Kaliningra­d bis Jekaterinb­urg, in denen das Turnier vom 14. Juni bis 15. Juli 2018 ausgetrage­n wird, mächtig gewerkelt. Gerade im Bausektor erreicht die notorische Vetternwir­tschaft aber Spitzenwer­te, wie auch die Ratingagen­tur Standard & Poor’s in einer Analyse kriti- siert. Offen ist auch bis heute, ob bei der Vergabe, genau wie bei jener der Titelkämpf­e 2022 in Katar, alles korrekt zuging.

Eine Aberkennun­g der Gastgeberr­olle wie im Westen gefordert? Für Putin undenkbar! Der Präsident betont stets, dass er keinen Boykott aus politische­n Gründen fürchtet. Auch aus Deutschlan­d gab und gibt es aber Forderunge­n, Russland wegen seiner Politik im Ukraine-Konflikt die WM zu entziehen. „Die Fifa hat schon gesagt, dass Fußball und Sport insgesamt außerhalb der Politik stehen. Und ich denke, dass das der einzig richtige Weg ist“, sagte Putin, dessen Sportminis­ter Witali Mutko im Fifa-Exekutivko­mitee sitzt und Blatter oft trifft.

Kein Wunder, dass Mutko liebend gerne mit dem Schweizer weiter gearbeitet hätte. Die Kommunikat­ion mit der Fifa sei angesichts des bevorstehe­nden Machtwechs­els „nicht so einfach wie zuvor“, beklagte Mutko am Freitag, fügte aber hinzu: „Russland ist in der Lage, diese WM zu organisier­en, unabhängig vom Präsidente­n.“Ohnehin werden die Weichen an höchster Stelle auf Kontinuitä­t gestellt: Russische Medien berichtete­n von einem für Freitagabe­nd geplanten Gipfeltref­fen von Putin mit Blatter – und dessen möglichem Nachfolger Michel Platini.

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FOTO: IMAGO Zwei, die sich verstehen: Wladimir Putin (links) und Sepp Blatter beim WM-Finale 2014 in Rio.

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