„Wenn Emu etwas will, gibt er alles“
Bei der Tour glänzt der Ravensburger Emanuel Buchmann – Sein Ex-Trainer weiß, warum
RAVENSBURG - Der Ravensburger Radprofi Emanuel Buchmann sorgt bei der Tour de France für Aufsehen. Bei seinem Debüt gelang dem 22-Jährigen vom Rennstall Bora-Argon 18 ein sensationeller dritter Platz bei der Bergetappe über den Col du Tourmalet. Seine sportliche Heimat ist die Radsportabteilung des KJC Ravensburg. Die „Schwäbische Zeitung“besuchte den Verein am Freitag und verfolgte gemeinsam mit Tobias Hübner, „Emus“langjährigem Trainer, die 19. Etappe von Saint-Jean-de-Maurienne nach La Toussuire.
Kilometer 4:
Schon nach vier Kilometern attackiert Buchmann und schafft nach 7,5 Kilometern zusammen mit Peter Sagan den Anschluss an eine Ausreißergruppe ...
Emanuel Buchmanns Radkarriere startete 2007. Über einen Freund kam Buchmann damals zum KJC. Mit einem gebrauchten Rennrad tauchte er beim Training auf, „es war ein 26-Zoll-Setevens-Rennrad“, erinnert sich Tobias Hübner, „und er hatte Turnschuhe an“. Und: „Er war ganz ruhig, ich weiß nicht, ob er überhaupt einen ganzen Satz gesprochen hat. Emu war von dem Tag an jeden Dienstag da“, sagt Hübner weiter, „er war immer im Training.“
Schon vor dem Gipfel des ersten Berges, dem Col du Chaussy, wird Buchmann vom Hauptfeld wieder eingeholt, Alberto Contador und Pierre Rolland hatten aufs Tempo gedrückt ...
Bis Ende der Jugendzeit mit 17 trainierte Buchmann fix im KJC. Danach wechselte er in den Landeskader, die Trainingssteuerung übernahm Landestrainer Hartmut Täum-
Kilometer 18:
ler, aktuell immer noch Trainer von Bora-Kapitän Dominik Nerz. Dann folgte der Sprung in den Bundeskader, zur U23, Bundestrainer Bert Grabsch war dann zuständig. Buchmann hielt aber immer den Kontakt zum KJC. „Er ist nach wie vor Mitglied, trainiert hier im Winter und lässt sich auch im Sommer mal blicken.“Auch zum Kinder- und Fahrtechniktraining kommt er ab und an.
Am Einstieg zum Berg des Tages, dem Col de la Croix de Fer, führt eine Ausreißergruppe, Buchmann liegt mit dem Hauptfeld knapp drei Minuten zurück ...
Buchmann trainiert auch als Profi gerne in Oberschwaben. „Er ist oft hier“, sagt Hübner. Viele Profis würden im Frühjahr die Koffer packen und in den Süden fahren. „Emanuel sucht den Weg in die Heimat.“Vor allem Richtung Bregenzer Wald und Pfänder geht es – meist alleine. „Unter einem 30er-Schnitt kommt er nicht nach Hause.“
Pierre Rolland überquert den Col de la Croix de Fer als Erster, Vincenzo Nibali ist der nächste Verfolger, das Peloton fällt auseinander, von Emanuel Buchmann ist nichts mehr zu sehen ...
Während der Tour hält Hübner täglich Kontakt zu Buchmann, vor allem über Whatsapp, „meistens kommen die Mails echt spät, oft erst nach 23 Uhr“, sagt Hübner. „Die Jungs haben erstaunlich viel Programm: Teambesprechung, Essen, Massage, Pressetermine ...“
Nibali jagt Rolland am nächsten Berganstieg zum Col du Mollard, die Verfolger um Christopher Froome, Alejandro Valverde und Nairo Quintana haben weiter zweieinhalb Minuten Rückstand, Buchmann fährt im Hauptfeld ...
Kilometer 60:
Kilometer 83:
Kilometer 97:
„Emu hat die Erwartungen voll übertroffen“, sagt Hübner. Vor der Tour sei das Ziel gewesen, „dass er sich die erste Woche durchbeißen und schonen muss und dann in der zweiten Woche seinem Kapitän Dominik Nerz hilft. Mehr war nie das Ziel. Es ist echt der Hammer, dass er am Tourmalet Dritter wurde. Damit war nicht zu rechnen, er tritt als so junger Kerl bei der ersten Tour sehr abgeklärt auf.“
ter Kilome
102:
Auf dem Gipfel holt Nibali Rolland ein ...
Hübner hofft, dass Buchmann 2016 auf Klassement fahren darf, „dann wäre das weiße Trikot erstrebenswert. Er ist vom Typ her ein Rundfahrer, wir wollen aber nicht von einem zweiten Jan Ullrich sprechen.“
120:
Kilometer
Beim Schlussanstieg haben Nibali und Rolland 1:50 Minuten Vorsprung auf die Froome-Gruppe, wenig später setzt sich Nibali ab ...
Was fehlt Buchmann noch? „Alter, Erfahrung und die Gesamtsubstanz“, sagt Hübner, „jedes Jahr kommen Wettkampfkilometer, Rennerfahrung und Wettkampfhärte dazu.“Training allein reiche nicht.
Zehn Kilometer vor Schluss hat Nibali 2:20 Minuten Vorsprung, Rolland fällt zurück, Attacken bleiben aus ...
Kilometer 128:
Hübner glaubt, dass Buchmann bei Bora-Argon 18 gut aufgehoben ist. „Ich kenne Teamchef Ralph Denk von früher als besonnenen Mann“, sagt er, „es zeichnet ihn aus, dass er lange überlegt hat, ob er Emu zur Tour mitnimmt.“
Nairo Quintana attackiert fünf Kilometer vor Schluss doch noch, Froome kann nur mit Mühe folgen ...
„Emu ist derzeit Deutschlands bester Bergfahrer“, sagt Hübner, „je länger und steiler es ist, um so besser. Die richtig langen Alpenpässe und die schwierigen Sachen, das ist sein Terrain. Das ist sein Vorteil bei den großen Touren.“Im Zeitfahren sei er zwar kein Spezialist, aber dennoch gut. Und: „wenn Emu etwas will, kann er alles geben mit Konsequenz und Beharrlichkeit. Wenn er fünf Stunden trainieren muss, macht er das, auch alleine, er kann sich richtig schinden.“
Kilometer 132:
Kilometer 138/Ziel:
Nibali gewinnt, Buchmann hat 28:36 Minuten Rückstand ...
„Das war auf jeden Fall zufriedenstellend“, sagt Hübner. „Als klar war, dass er nicht in die Ausreißergruppe reinkommt, hat er auf Sparmodus umgestellt, um alle Körner für Samstag zu sparen.“Dann steht die Königsetappe an: Alpe d’Huez. „Er wird nochmal alles investieren, aber die anderen auch. Vielleicht ist ja eine Überraschung drin.“