Aalener Nachrichten

Stauhelfer im Einsatz

Für Günter Heidler beginnt jetzt die heiße Zeit

- Von Nico Pointner, dpa

Ferienbegi­nn: Ein Unfall auf der B 2 bei Mertingen, einer Gemeinde zwischen Donau und Lech. An einem Kleinbus ist ein Reifen geplatzt. Der Fahrer wurde mit dem Wagen und einem Anhänger voller Beton ins Gebüsch geschleude­rt. Eine Spur ist komplett dicht. Günter Heidler steht auf dem Standstrei­fen und beobachtet die zwei Kilometer lange Blechkolon­ne. Die Autos fädeln sich im Reißversch­lussprinzi­p an der Unfallstel­le vorbei. Der Anhänger ist geborgen, die Situation unter Kontrolle. Der 55Jährige schwingt sich wieder auf sein Motorrad.

Wenn auf den Straßen nichts mehr geht, stürzt sich Heidler freiwillig ins Gewühl. Er fährt seit 18 Jahren als mobiler Sanitäter und Stauhelfer mit dem Motorrad Streife für das Bayerische Rote Kreuz. „Das ist ein guter Ausgleich für mich“, erzählt er. Unter der Woche arbeitet Heidler als Verwaltung­sdirektor in einem Krankenhau­s. Am Wochenende patrouilli­ert er mit seiner schweren Maschine auf den Autobahnen und Schnellstr­aßen rund um Augsburg. Über Funk und Piepser wird er alarmiert, um zu helfen.

Mit dem wendigen Motorrad ist er im Ernstfall schnell am Einsatzort. „Zu 70 Prozent sind wir noch vor dem Rettungsdi­enst an der Unfallstel­le“, sagt der Stauhelfer, der auch Notfälle als Ersthelfer versorgt, Unfallbete­iligte betreut und Polizei sowie Rettungsdi­enste unterstütz­t.

Blechkolon­nen auf der A 8

Besonders in der Urlaubszei­t stellen er und seine Kollegen sich wieder auf kilometerl­ange Fahrzeugsc­hlangen ein. Bundesweit schicken Organisati­onen wie der ADAC und die Johanniter im Sommer Stauhelfer auf die Straßen. Im vergangene­n Jahr gab es laut ADAC auf deutschen Autobahnen 475 000 Staus mit einer Gesamtläng­e von 960 000 Kilometern. Gemessen an Staustunde­n lagen Nordrhein-Westfalen, Bayern und Baden-Württember­g an der Spitze.

Vor allem die A 8, Heidlers Revier, ist bekannt für Blechkolon­nen. Im Sommer ist die Autobahn eine wichtige Transitrou­te in den Süden. Derzeit wird sie auf sechs Spuren ausge- baut. Wenn dort nichts mehr geht, berät der BRK-Biker gefrustete Reisende, informiert auf Rastplätze­n, sichert das Stauende. Er hat schon einiges erlebt. Zum Beispiel ein holländisc­hes Ehepaar, das im Stau auf dem Seitenstre­ifen grillte. „Wenn es heiß ist, drehen die Leute manchmal durch“, sagt er.

Denn Stau bedeutet meist auch Stress. „Kommt drauf an, wie viele Kinder hinten drin sitzen“, weiß Heidler aus Erfahrung. Früher hatten die Motorradst­reifen Spielsache­n, Windeln und Teddybären an Bord ihrer Maschinen, für die kleinen Stau-Opfer. Heute ist dafür kein Platz mehr zwischen dem Notfall-Equipment: Beatmungsg­eräte, Medikament­e und Infusionen haben Vorrang.

Heidler steht mit seinen Kollegen auf einem Rastplatz an der A 8. Dann hält er inne. Das Funkgerät gibt knarrende Töne von sich – die Leitstelle meldet einen Unfall an der Ausfahrt Augsburg-West. Heidler und sein Kollege steigen auf, mit Sirene, Blaulicht und hohem Tempo schlängeln sie sich über die volle Autobahn. Im Notfall haben die Motorradhe­lfer Sonderrech­te, dürfen die zugelassen­e Geschwindi­gkeit übertreten und im Stau in Gegenricht­ung fahren. Sie müssen ihre Maschinen beherrsche­n und umsichtig fahren.

Fünf Minuten später steigt Heidler an der Unfallstel­le ab. Zwei Wagen sind an einer Kreuzung ineinander gekracht. Auf der Wiese neben der Straße sitzt eine Familie, die Mutter weint, ein Mädchen trägt ei- ne Halskrause. Mit ruhiger Stimme bietet Heidler Hilfe an und beantworte­t Fragen. An der Autobahnau­sfahrt bildet sich wieder eine Schlange aus Blech. „Wichtig ist, die Übersicht zu bewahren“, sagt Heidler. Nach zehn Minuten übernimmt die Polizei. Heidler steigt wieder auf. Auch privat fährt er gern Motorrad. Dann meidet er aber die Autobahnen.

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FOTO: DPA Zusammen mit seinen Kollegen ist Stauhelfer Heidler zum Ferienbegi­nn verstärkt im Einsatz.

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