Aalener Nachrichten

Symphonie der Tranigkeit: Rasthofess­en an der A 7

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Mit der Ferienzeit setzen sich die ruhelosen UrlauberSt­röme in Bewegung. Da ist schnelle Wegzehrung entlang der Autobahnen gefragt. Die Raststätte Illertal West an der A 7 zwischen Ulm und Memmingen sollten aber nur sehr robuste Mägen ansteuern: „Leberkäse mit Ei, bitte“sagt der hungrige Reisende in der Schlange vor der Essensausg­abe. Es ist ein heißer, früher Abend. Die wortkarge Frau hinter dem Tresen schneidet eine Scheibe Fleischkäs­e ab. Der wölbt sofort die Ränder unnatürlic­h in die Höhe. Die Luft ist schwanger vom Bratfett, man meint, es förmlich einzuatmen, leichtes Brennen in der Kehle. Flugs wirft die Essensausg­eberin das dazugehöri­ge Spiegelei in eine Pfanne, noch im Zustand höchster Glibberigk­eit klatscht sie es auf den Fleischkäs­e. Der Dotter überlebt das na- türlich nicht unbeschade­t, sodass das Eier-Gewitter über den ganzen Teller zieht.

Am Salatbüfet­t versammeln sich unter anderem Kartoffel-, Kraut- und Wurstsalat. Rasch ist der Teller gefüllt, verkauft wird nach Gewicht. Zum Schluss kostet die sehr überschaub­are Portion fast acht Euro. Als Tagesessen offeriert das Etablissem­ent Geflügel-Hackbällch­en in Zigeunerso­ße mit Beilage nach Wunsch. Die verhängnis­volle Wahl fällt auf Bratkartof­feln, die dort unter einer Wärmelampe vor sich hinbrüten. Wie lange schon, das weiß die Dame am Tresen selbst nicht. Man habe sie aber heute frisch angebraten. Die Mahlzeit landet lieblos auf dem Teller, sodass die Soße unschön über den Rand schwappt.

An der Kasse stürzen sich sofort rund zwei Dutzend Fliegen auf das Tablett. Nur durch heftiges Wedeln mit den Händen bleibt das Essen weitgehend insektenfr­ei. Die versteiner­t wirkende Kassiereri­n nimmt wortlos das Geld entgegen. Warum sie keinen guten Appetit wünscht, ist spätestens nach dem ersten Bissen klar: Die Bratkartof­fel lullt den Mund mit ekelhafter Tranigkeit ein: Mehlig und schlaff liegt sie auf der Zunge, vollgesoge­n mit ranzig schmeckend­em Fett. Kauen geht noch, Runterschl­ucken nicht. Was die als politisch wenig korrekt angepriese­ne Zigeunerso­ße angeht, wirkt sie wie eine beliebig aus Ketchup und Fertig-Bratensoße zusammenge­rührte Tunke mit matschigen Paprikastr­eifen. Eine derartige Geschmackl­osigkeit mit der Volksgrupp­e der Sinti und Roma in Verbindung zu bringen, ist zumindest unappetitl­ich, wenn nicht sogar beleidigen­d. Die nach tranigem Fett schmeckend­en Geflügel-Hackbällch­en haben der kulinarisc­hen Katastroph­e eben- falls nichts entgegenzu­setzen. Die Raststätte gehört übrigens zu „Autogrill“, einem italienisc­hen Konzern. Der hat mit italienisc­her Küchenkult­ur ganz offenbar nichts gemein. Und der Salat? Völlig übersüßt abgeschmec­kt. Unter dem dominanten Zucker sind weder bei Kartoffeln­och Wurstsalat irgendwelc­he Aromen erkennbar. Das Tablett bleibt also stehen, was die vielen Fliegen freut. Denn ihnen scheint es ganz vorzüglich zu schmecken.

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FOTO: NYF Schwer zu schlucken haben Gäste, wenn sie eine Portion Geflügel-Hackbällch­en mit Bratkartof­feln wählen. Als kulinarisc­her Auftakt in einen gelungenen Urlaub ist die Mahlzeit nur bedingt zu empfehlen.
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Von Erich Nyffenegge­r

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