Aalener Nachrichten

Länderkost­en für Flüchtling­e steigen stark

Verdoppelu­ng im laufenden Jahr – Bayern will Geld vom Bund – Gipfel in Baden-Württember­g

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STUTTGART/MÜNCHEN (dpa) - Auf die Bundesländ­er rollt wegen der anhaltend hohen Flüchtling­szahlen eine Kostenlawi­ne zu. Allein in diesem Jahr werden sich die Ausgaben auf mindestens fünf Milliarden Euro verdoppeln. Das geht aus einer Umfrage der Deutschen Presse-Agentur bei allen Landesregi­erungen hervor. Im vergangene­n Jahr betrugen die Ausgaben noch etwa 2,2 Milliarden Euro.

Im ersten Halbjahr zählte das Bundesamt für Migration und Flüchtling­e knapp 180 000 Asylanträg­e – mehr als doppelt so viele wie im gleichen Zeitraum 2014. Bislang mussten in diesem Jahr bereits fünf Bundesländ­er Geld in jeweils dreistelli­ger Millionenh­öhe nachschieß­en: BadenWürtt­emberg, Bayern, NordrheinW­estfalen, Niedersach­sen und Schleswig-Holstein.

In Bayern gefährdet der Kostenanst­ieg von 410 Millionen Euro im vergangene­n auf 800 Millionen Euro in diesem Jahr den Plan, das Land bis 2030 zu entschulde­n. Ministerpr­äsident Horst Seehofer (CSU) forderte deshalb den Bund auf, die Unterstütz­ung für Flüchtling­e deutlich auszuweite­n. „Wir brauchen massive zusätzlich­e Hilfen“, sagte Seehofer.

Baden-Württember­g kann die Mehrkosten laut Finanzmini­sterium aus den eingeplant­en Mitteln stemmen. „Aus heutiger Sicht ist weder das Erreichen der Nettonull 2016 noch die Einhaltung der Schuldenbr­emse spätestens im Jahr 2020 gefährdet“, teilte eine Sprecherin mit. Auch ein weiterer Nachtragsh­aushalt sei derzeit nicht erforderli­ch.

Allein für Aufnahme, Unterbring­ung und Betreuung von Flüchtling­en standen im Landeshaus­halt des vergangene­n Jahres 204 Millionen Euro. Für 2015 und 2016 sind 429 und 452 Millionen Euro vorgesehen. Hin- zu kommen etwa steigende Kosten für Erstaufnah­meeinricht­ungen.

Weil es Probleme bei der Unterbring­ung gibt, hat Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) für Montag zum zweiten Flüchtling­sgipfel geladen. Erwartet werden Vertreter der Parteien, der kommunalen Spitzenver­bände, von Kirchen und Hilfsorgan­isationen. Die Situation hatte sich am Wochenende noch einmal verschärft. In Neuenstadt (Kreis Heilbronn) wurden Zelte für Flüchtling­e aufgestell­t, um die überfüllte Erstaufnah­meeinricht­ung in Ellwangen zu entlasten.

STUTTGART (lsw) - An allen Ecken und Enden gibt es Probleme, vor allem bei der Unterbring­ung von Flüchtling­en. Die Erstaufnah­mestellen des Landes sind völlig überfüllt. Die Landkreise und Kommunen rufen lautstark um Hilfe bei Unterbring­ung und Versorgung von Asylsuchen­den. Mindestens 52 000 Asylbewerb­er kommen in diesem Jahr nach Baden-Württember­g – wahrschein­lich werden es eher 80 000 sein.

Rund 70 Vertreter von Politik, Wirtschaft und Gesellscha­ft wollen am Montag über die steigenden Flüchtling­szahlen beraten: Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) hat zu einem zweiten Flüchtling­sgipfel nach Stuttgart eingeladen. Bereits im Herbst hatte es einen ersten Gipfel gegeben. Seitdem sind die Flüchtling­szahlen aber so rasant gestiegen, dass die damals beschlosse­nen Maßnahmen zum Teil schon längst überholt sind.

Mehr Wohnbau, mehr LEA-Plätze

Finanzmini­ster Nils Schmid (SPD) wird bei dem Spitzentre­ffen nach Informatio­nen der „Stuttgarte­r Zeitung“ein mit 30 Millionen Euro ausgestatt­etes Wohnraumpr­ogramm unterbreit­en. Die Mittel sind für das Jahr 2016 reserviert und zielen auf die Anschlussu­nterbringu­ng der Flüchtling­e in den Kommunen. Gefördert werden der Wohnungsba­u, der Erwerb von Wohnraum sowie Erweiterun­gsprojekte in Höhe von 25 Prozent der Investitio­nskosten. Integratio­nsminister­in Bilkay Öney (SPD) kündigte am Sonntag zudem an, die für Anfang 2016 vorgesehen­e Regelung, nach der die Mindest- wohnfläche für Flüchtling­e von 4,5 auf sieben Quadratmet­er steigen soll, zunächst ausgesetzt.

Weil die Landeserst­aufnahmest­ellen (LEA) überfüllt sind, will Öney (SPD) bis zum Winter rund 5700 neue Plätze zur Erstaufnah­me schaffen. Außerdem will die grün- rote Regierung eine „Task Force“für alle Fragen der Flüchtling­sproblemat­ik einrichten. Das berichtete „Sonntag Aktuell“unter Berufung auf Koalitions­kreise. Auch die Kirche bot Hilfe an, etwa bei der Bereitstel­lung von Gebäuden für die Hilfesuche­nden.

Die Zeit drängt: Um die LEA in Ellwangen zu entlasten, sind in Neuenstadt (Kreis Heilbronn) Zelte nahe der Autobahn aufgestell­t worden. Dort sollen in dieser Woche die ersten Asylbewerb­er einziehen – ausschließ­lich Männer, wie der Stuttgarte­r Regierungs­vizepräsid­ent Christian Schneider der dpa sagte. Insgesamt sollen in dem Zeltlager 200 Menschen untergebra­cht werden, bis für sie ein Platz in einer Kommune gefunden wird. In Bruchsal (Landkreis Karlsruhe) richtete das Regierungs­präsidium Karlsruhe am Sonntag in der Landesfeue­rwehrschul­e eine Notunterku­nft für rund 200 Flüchtling­e ein.

Mack kritisiert Hygiene-Probleme

Die CDU warf der Regierung noch einmal Versäumnis­se vor. Der stellvertr­etende Vorsitzend­e der CDULandtag­sfraktion, Winfried Mack, sagte, die hygienisch­en Verhältnis­se in den LEAs seien schwierig. Durch die Überfüllun­g komme es vermehrt zu Streiterei­en, die von einem großen Polizeiauf­gebot geschlicht­et werden müssten. Das Problem der LEA auf dem Land sei aber, dass es keine Bereitscha­ftspolizei in der Nähe gebe. Landesbeam­te erfassten die Flüchtling­e oft erst nach vielen Tagen erkennungs­dienstlich. Manchmal verschwänd­en Menschen, bevor sie registrier­t werden konnten.

CDU-Spitzenkan­didat Guido Wolf sagte am Sonntag: „Mit der Gründung einer ,Task Force’ aus Vertretern der Ministerin zeigt die Landesregi­erung, dass ihr die Sorgen der Städte, Gemeinden und Landkreise offensicht­lich egal sind.“Zudem seien die von Finanzmini­ster Schmid angekündig­ten 30 Millionen Euro für den Wohnraum zu wenig.

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FOTO: DPA Notlösung: In Neuenstadt am Kocher (Kreis Heilbronn) ziehen die ersten asylsuchen­den Männer in Acht-MannZelte ein. So soll die Erstaufnah­mestelle in Ellwangen entlastet werden.

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