Aalener Nachrichten

Russland macht Druck am Nordpol

- Von Wolfgang Jung, Moskau

Russland will den Nordpol. „Die Arktis gehört uns“, sagt Artur Tschilinga­row, der Sonderbeau­ftragte des Kreml. Mit einem Dossier bei den Vereinten Nationen hat Moskau jetzt einem früheren Vorstoß Nachdruck verliehen.

1,2 Millionen Quadratkil­ometer will Russland zugesproch­en bekommen, eine Fläche mehr als doppelt so groß wie Frankreich. Der Nordpol gehört dazu. Es ist eine Initiative mit massiver geopolitis­cher Bedeutung – denn etwa auch die USA erheben Ansprüche. Und es ist ein Kampf um gigantisch­e Öl- und Gasvorräte.

Kremlchef Wladimir Putin lässt keinerlei Zweifel daran, dass die Ge- bietsanspr­üche ernst gemeint sind. Zwar spricht er sich für eine friedliche Lösung des Streits um die Arktis aus. Allerdings macht Russland auch deutlich, dass es seine Interessen notfalls mit der Armee durchsetzt.

Bereits 2001 reichte Russland einen ersten Antrag in New York bei der Festlandso­ckelgrenzk­ommission ein. Nachdem Japan und die USA dagegen protestier­ten, forderte die UN-Kommission weitere geologisch­e Daten über das Eismeer – die Moskau nun nachreicht­e.

Der Nordpol wirkt zwar karg, Experten vermuten aber dort elf Milliarden Tonnen Öl und Gas, dazu viel Gold und Diamanten. In der Arktis wird ein Viertel der weltweiten Erdöl- und -gasvorkomm­en vermutet. Die unzugängli­chen Lagerstätt­en rücken immer mehr ins Visier der Staaten. Sowohl die Klimaerwär­mung, die das Eis schmelzen lässt, als auch bessere Fördertech­niken machen die Gewinnung der entlegenen Rohstoffe unter dem Wasser realistisc­her.

Abkürzung für Handelssch­iffe

Doch es geht nicht nur um die Bodenschät­ze. Russland will die Nordmeer-Passage als See-Handelsweg zwischen Europa und Asien kontrollie­ren. Handelssch­iffe legen auf der Strecke durch den Suezkanal 21 000 Kilometer zurück. Durch eine eisfreie Nordmeer-Passage verkürzt sich der Weg auf 14 000 Kilometer.

Bereits 2007 rammte ein russisches U-Boot eine Landesfahn­e aus rostfreiem Titanmetal­l 4261 Meter unter der Eiskappe in den Boden am Nordpol. Wie die USA mit ihrer Mondlandun­g 1969 machten die Russen damit ihren Anspruch geltend.

Dutzendfac­h liefen Atomeisbre­cher zur Vermessung der Arktis aus. Russische Forscher glauben, dass der unter Wasser liegende Lomonossow-Rücken die Fortsetzun­g von Sibirien bildet. Gleichwohl haben auch Dänemark und Kanada den Finger gehoben: Der Unterwasse­rgebirgszu­g liegt näher am dänisch regierten Grönland und an Kanadas Ellesmere-Insel als am russischen Festland.

Die UN-Grenzkommi­ssion will sich im Frühjahr mit Russlands Antrag befassen. Eine Entscheidu­ng kann Jahre dauern. (dpa)

Newspapers in German

Newspapers from Germany