Der singende Holländer
Einstiger Kinderstar Heintje wird heute 60 Jahre alt
AMSTERDAM (dpa/AFP) - 1967: In Deutschland stirbt der Student Benno Ohnesorg durch Polizeischüsse, in den USA demonstrieren Millionen gegen den Vietnamkrieg. Es ist ein Jahr der Unruhen und Konflikte. Kurz vor Weihnachten, am 21. Dezember, tritt im ZDF ein kleiner Junge auf: Heintje. „Mama“, trällerte der Zwölfjährige glockenhell und hoch, sehr hoch. Der Auftritt in der Show „Der goldene Schuss“dauerte nur 55 Sekunden. Danach lag ihm ein ganzes Land zu Füßen. Zwei Jahre später war der Niederländer Hein Simons, genannt Heintje, ein Weltstar und mehrfacher Millionär. Heute wird der einstige Kinderstar 60 Jahre alt.
Im niederländischen Kerkrade geboren, sang Heintje zunächst in der Kneipe seiner Eltern. Als Zehnjähriger siegte er bei einem Talentwettbewerb. Dort entdeckte ihn sein Manager Addy Kleijngeld, ließ ihn zwölf Lieder im Studio einsingen – und schenkte dem Jungen als Gegenleistung ein Pony. Das Tier taufte dieser aus Dankbarkeit Addy. Das Debütalbum hatte Heintje noch auf Niederländisch gesungen. Nach dessen Erfolg stieg der deutsche Produzent Wolfgang Roloff ein, Heintje wechselte zu deutschen Liedtexten.
40 Millionen verkaufte Platten
Danach folgte eine atemberaubende Kinderkarriere. Über 40 Millionen Schallplatten, Konzerte in aller Welt, „Mama“und „Heidschi Bumbeidschi“führten die Hitparaden an. Da konnte Mick Jagger noch so sexy mit dem Hintern wackeln – die Sehnsucht nach Harmonie schlug die Protestkultur.
Nüchtern blickt Simons auf diese Erfolge zurück: „Ich hatte einfach Glück.“Noch heute profitiert er von der Weitsicht seines Managers. Kleijngeld. Der legte pro verkaufter Langspielplatte einen Gulden für Heintje auf die Seite. Als der Stimmbruch mit 17 Jahren die Kinderkarriere beendete, war er „binnen“, wie die Niederländer sagten: Er hatte ausgesorgt. Aus Heintje, zu Deutsch dem kleinen Hein, wurde wieder Hein. Keines seiner Alben schaffte es danach wieder in die deutschen Charts. „Ich hatte immer mit ,Heintje’ zu kämpfen. Alle meine Veröffentlichungen wurden mit den großen Er- folgen von damals verglichen. Als Kind war ich konkurrenzlos. Mit 20 war ich dann in einer Sparte mit anderen Sängern, unter denen der Kuchen aufgeteilt werden musste“, sagte Simons jetzt „Spiegel Online“.
Seine Jahre im Rampenlicht möchte er dennoch nicht missen. Die Reisen, Konzerte, schreiende Fans, die „Lümmel“-Spielfilme an der Seite von Peter Alexander. Verlorene Kindheit? „Nein“, sagt er voller Überzeugung und fast schon verblüfft über die Frage. „Das war doch toll.“Aus seiner Stimme klingt noch immer dieselbe Unbefangenheit wie damals, als der kleine Junge im Schlips und Jackett Millionen Mamas und Omas entzückte.
Im vergangenen Winter lernten Millionen Niederländer ihren berühmten Landsmann neu kennen. Si- mons trat in der sehr populären Talkshow „De Wereld Draait Door“auf (Die Welt dreht sich weiter und durch) und präsentierte seine neue CD. Es war die erste auf Niederländisch seit mehr als 40 Jahren.
Der gesetzte freundliche Herr sang „Heidschi Bumbeidschi Bum Bum“und lächelte unwiderstehlich – das überwiegend junges Publikum lag ihm zu Füßen. Sein Album stand zehn Wochen lang in den Charts.
Am 4. September erscheint seine neue CD „Vertrau auf dein Herz“in Deutschland. Er will wieder auftreten. Eine Herzoperation zwang ihn zuletzt zu einer Pause. Er wird die neuen Schlager singen, aber auch „Mama“. Natürlich, warum auch nicht? „Das gehört zu mir, und ich bin stolz darauf.“