Das Wasser spritzt, das Bier fließt
Eine Floßfahrt auf der Isar wird meist zur zünftigen Gaudi
Schon vor 800 Jahren fuhren die Isarflößer aus dem bayerischen Oberland in die Städte. Heute schippern sie auf ihren Baumstamm-Booten immer noch von Wolfratshausen nach München. An Bord sind aber nicht mehr Holz, Kalk und Steine, sondern Musik, Bier und gute Laune.
Kurz vor Pullach nehmen zwei Enten Reißaus. Vor uns. Und vor Udo Jürgens. Die Band auf unserem Floß serviert „Griechischen Wein“, und der scheint dem davaonflatternden Enten-Duo nicht arg zu schmecken. Anders den Passagieren an Bord: Sie begrüßen die Schmonzette mit Jubelrufen und erheben fröhlich ihre Steinkrüge.
Flößer in der fünften Generation
Auch Michael Angermeier blickt zufrieden drein. Sind seine Passagiere glücklich, ist er’s ebenso. „Mir geht’s drum, dass die Leute auf dem Floß eine Gaudi haben“, sagt er. Seit fast fünf Jahrzehnten fährt Angermeier auf Flößen die Isar runter – von Wolfratshausen bis zur Floßlände nach München. So hat es schon sein Vater gemacht, und so macht es auch sein Sohn Stefan, der am hinteren Ende des Boots steht, das sieben Meter lange Ruder fest in der Hand. In fünfter Generation bietet die Familie Angermeier Ausflugsfahrten auf der Isar an. Außer ihnen haben nur zwei weitere Flößer die Erlaubnis dafür: die Cousins Franz und Josef Seitner.
Bei allen dreien ist die Tour ähnlich: Per Bus geht’s des Morgens von München nach Wolfratshausen, wo wir das Floß besteigen – 18 Fichtenstämme, verbunden mit Eisenschnallen. 18 Meter lang, sieben Meter breit, 22 Tonnen schwer. „Die Stämme halten eine Saison, dann brauchen wir neue“, erklärt Michael Angermeier. „Das ist unsere Arbeit im Winter.“Bis zu 60 Personen passen aufs Floß; außerdem eine Kapelle für die Livemusik, ein Grill, Brotzeit und Bier in mächtigen Holzfässern. Denn durstig soll niemand die Isar herunterschippern. Und so bekommt jeder Passagier zu Beginn einen steinernen Krug in die Hand ge- drückt, den er hinterher als Souvenir mit nach Hause nehmen kann.
Ist alles und jeder an Bord, geht es los: von Wolfratshausen durch die Pupplinger Au, über die längste Floßrutsche Europas: Auf 360 Metern rauschen wir mit 40 Stundenkilometern nach unten, was auf dem Floß für Nervenkitzel und nasse Klamotten sorgt. Danach geht’s vorbei am fünf Meter hohen Georgenstein, einst ein gefürchtetes Hindernis auf dem Weg nach Norden. Schließlich waren die Flößer schon im 12. Jahrhundert auf der Isar unterwegs, um Waren und Baumaterialien aus dem bayerischen Oberland nach München zu bringen. Damals ein ungleich gefährlicheres Unterfangen als heute – auch, weil die Spaßfahrten nur einen kleinen Teil der 28 Kilometer langen Strecke auf dem Fluss zurücklegen. Stattdessen gleiten wir größtenteils gemütlich auf dem parallelen Isarkanal dahin.
Nach einer Einkehr im Biergarten erreicht unser Floß die Stadtgrenze von München – zu den Klängen der Spider Murphy Gang. Für den „Skandal im Sperrbezirk“hat mancher Spaziergänger am Ufer nur ein Kopfschütteln übrig. Immer wieder klagen Anwohner über die lärmenden Partyflöße. Von Anfang Mai bis Mitte September läuft die Floß-Saison. Unter der Woche verkehren höchstens eine Handvoll Boote auf der Isar; am Wochenende dagegen herrscht mit bis zu 14 Flößen mitunter Gedränge auf dem Fluss.
Verschiedene Anbieter
Nach fast sieben Stunden Fahrt erreichen wir schließlich unser Ziel: die Floßlände, mitten im Herzen von München. Die Holzfässer sind inzwischen deutlich leerer und die Gesichter der Passagiere deutlich röter – doch deren Laune ist immer noch prächtig. Fast überschwänglich bedanken sie sich bei Michael Angermeier, während dessen Kollegen bereits das Floß auseinandernehmen. Keine Stunde später liegen die Fich- tenstämme auf einem Holztransporter, der sie zurück nach Wolfratshausen bringt. Dort wird das Floß am kommenden Morgen dann wieder zusammengebaut – für die nächste Tour.