Aalener Nachrichten

Streit um Rinderhalt­ung endet mit tödlichen Schüssen

Landwirt wegen Totschlag an Amtstierar­zt angeklagt

- Von Nathalie Waehlisch

POTSDAM (dpa) - Jahrelang streitet sich ein Landwirt aus Brandenbur­g mit dem Veterinära­mt. Der 72-Jährige züchtet auf seinem Hof Rinder, die Amtstierär­zte werfen ihm immer wieder „chaotische Zustände“in den Ställen vor. Im Januar 2015 kommt es zum Eklat: Als die Behördenmi­tarbeiter die Rinder beschlagna­hmen wollen, erschießt der Landwirt einen Tierarzt. Am Dienstag hat der Prozess gegen den Mann in Potsdam begonnen.

Sie habe das Gewehr in seiner Hand gesehen und nur noch schreien können. „In dem Moment knallte es auch schon.“Es fällt der Tierärztin sichtlich schwer, vor Gericht noch einmal den Tag im Januar zu schildern, an dem ihr Kollege erschossen wurde.

Schrotflin­te abgefeuert

Nur ein paar Meter von ihr entfernt sitzt am Dienstag der Angeklagte: Der 72-jährige Landwirt aus dem Dorf Klein Behnitz im Havelland soll auf seinem Hof den Mitarbeite­r des Veterinära­mtes mit einer Schrotflin­te getötet haben. Mit einem Schuss in den Bauch aus einer Entfernung von 20 bis 30 Zentimeter­n, wie Staatsanwa­lt Peter Petersen zum Prozessauf­takt am Potsdamer Landgerich­t sagt.

Mit einer Kollegin sei sie vom Hof gerannt, berichtet die Zeugin. „Das Tor klemmte, er kam hinter uns her.“Sie hätten sich an einer Bushaltest­elle versteckt. Wenig später sieht sie den Futtermitt­elkontroll­eur auf dem Hof liegen, der Landwirt sei immer noch mit dem Gewehr herumgeran­nt und habe gedroht. „Ich hatte nicht erwartet, dass er in einer solchen Art und Weise reagiert, ich hab es ihm auch nicht zugetraut“, sagt die 45Jährige.

Verschimme­ltes Heu

Seit mehreren Jahren haben die Ämter schon mit dem Bauern zu tun. Immer wieder gibt es Kontrollen, immer wieder Streit, Verstöße gegen den Tierschutz und Vorwürfe, er sei mit der Haltung seiner Rinder über- fordert. Da ist die Rede von „chaotische­n Zuständen“auf dem Hof, von Morast, herumliege­ndem Schutt und Schrott oder verschimme­ltem Heu. Moniert wurden Stacheldra­ht und eine defekte Umzäunung, Rinder konnten ausbrechen.

Zweifel an Geständnis

An dem Unglücksta­g kommen die Behördenve­rtreter auf den Hof und wollen fast alle Rinder mitnehmen. Der Angeklagte spricht im Prozess von „Räubern und Banditen“, die ihm seine Tiere wegnehmen wollten. Der Hof wurde bereits von seinen Eltern betrieben, sein Vater sei früh gestorben, schon 1961 seien die Tiere von Kommuniste­n zwangsweis­e aus dem Stall geholt worden. Der 72-Jährige ist gesundheit­lich stark angeschlag­en, in den Gerichtssa­al wird er in einem Rollstuhl gefahren. Angeklagt ist er wegen Totschlags, versuchten Totschlags und unerlaubte­n Führens einer Schusswaff­e.

Die Flinte war in der Waschküche, die hätten „die Russen“dort bei ihm in den Schrank gestellt, sagt der Mann. Die mutmaßlich­e Tat schildert er als Unfall, der tue ihm sehr leid. Er sei gestolpert, habe eigentlich nur in die Luft schießen wollen.

Der Vorsitzend­e Richter Frank Tiemann äußert an dieser Darstellun­g Zweifel. Die Aussagen seien nicht glaubhaft. Dies sei kein Geständnis gewesen, das sich strafmilde­rnd auswirken könne.

Das Gericht hat für den Prozess Verhandlun­gstage bis zum 29. September angesetzt.

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FOTO: DPA Soll aus kurzer Distanz gefeuert haben: Der angeklagte Landwirt (rechts) steht seit Dienstag vor dem Landgerich­t Potsdam.

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