Aalener Nachrichten

Die Angst des Torwarts – mathematis­ch betrachtet

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Eine Elfmeter ist nicht nur für Schützen und Tormänner eine verzwickte Angelegenh­eit, sondern auch für Mathematik­er.

versucht, Licht in die Sache zu bringen und den Mythos Elfmeter, an dem nicht nur die Engländer, sondern wohl auch die VfR-Kicker erkrankt sind, zu entmystifi­zieren.

Der Elfmeter wurde 1891 in Irland erfunden und war als Ausgleich für ein grobes Foul im Strafraum gedacht. Die Statistik besagt, dass gut 75 Prozent aller Elfmeter verwandelt werden. In der Amateurlig­a liegt dieser Wert deutlich niedriger, bei Weltmeiste­rschaften dagegen führen über 80 Prozent der Elfmeter zum Torerfolg. Diese Zahlen können mathematis­ch fundiert werden. Eine erste Abschätzun­g ist einfach: Das Fußballtor ist exakt 7,32 Meter lang und 2,44 Meter hoch, der Schütze muss also in eine rechteckig­e Fläche von knapp 18 Quadratmet­ern treffen. Der Torhüter versucht, dies mit seinem Körpereins­atz zu verhindern. Durch schnelles Bewegen seiner Beine und Arme kann er etwa eine Fläche von insgesamt 4,5 Quadratmet­er abdecken, das bedeutet, dass der Schütze in die freien 13,5 Quadratmet­er treffen muss. Diese freien Quadratmet­er sind genau 75 Prozent der gesamten Torfläche und entspreche­n somit exakt der statistisc­hen Torwahrsch­einlichkei­t. Natürlich muss ein Schütze zunächst die Torfläche treffen, wenn er Erfolg haben will und da scheinen sich die Spieler der Amateurlig­a schwerer zu tun als ihre weltmeiste­rlichen Kollegen. Anderersei­ts ist natürlich die Qualität der Torhüter in Nationalma­nnschaften besser, was aber offensicht­lich eine höhere Treffer- quote bei Länderspie­len nicht verhindern kann. Überlegen wir daher, welche „Möglichkei­ten“auch ein guter Torwart hat: Die Ballgeschw­indigkeit bei Elfmetern beträgt etwa 100 Kilometer pro Stunde, das sind rund 28 Meter pro Sekunde. Für die elf Meter zur Tormitte braucht der Ball also 0,4 Sekunden. Der Weg in die oberen Ecken ist mit 11,85 Meter nur unwesentli­ch länger, der Ball ist dorthin 0,42 Sekunden unterwegs. Bei guten Sprintern wurde eine Reaktionsz­eit von 0,15 Sekunden festgestel­lt, bei Normalbürg­ern liegt sie eher bei 0,2 bis 0,3 Sekunden. Selbst wenn wir einem Weltklasse­torwart eine schnelle Reaktionsz­eit von 0,15 Sekunden zutrauen, hat der Ball in dieser Zeit mit 4,2 Metern bereits gut ein Drittel seines Wegs zurückgele­gt. Die restlichen 0,27 Sekunden bis zum Einschlag des Balles in die Torecke hat der Torwart zur Verfügung, um ebenfalls dorthin zu gelangen. Der Torwart darf sich vor dem Schuss nur auf der Torlinie bewegen und steht meist zusammenge­kauert und absprungbe­reit in der Mitte. Vom Mittelpunk­t der Torlinie bis in die oberen Ecken sind es 4,4 Meter und selbst wenn man die Körpergröß­e des Torwarts abzieht, müsste er in 0,27 Sekunden etwa 2,5 Meter zurücklege­n, um einen gut platzierte­n Ball zu erwischen. Dafür wäre eine Geschwindi­gkeit von über neun Meter pro Sekunde notwendig, realistisc­h ist gerade mal die Hälfte. Auch ein reaktionss­chneller Torwart hat also keine Chance, einen gut in die Ecken geschossen­en Ball zu erwischen. Wenn dies trotzdem ab und an gelingt, dann deshalb, weil manche Torhüter die Ecke relativ bald im Ansatz erkennen oder die bevorzugte­n Ecken mancher Schützen kennen. War da nicht ein geheimnisv­oller Zettel von Jens Lehmann bei der WM in Deutschlan­d?

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