Der nette Arsène bei seiner Bestia Negra
Arsenal gilt als Lieblingsgegner der Münchner – Wengers lange Amtszeit könnte enden
MÜNCHEN - Zu behaupten, Arsène Wenger stünde unmittelbar vor einem der wichtigsten Spiele seines Lebens, wäre stark übertrieben. Doch ziemlich richtungsweisend für den weiteren Verlauf des Trainerdaseins dieses großen Fußballlehrers wird das Gastspiel des FC Arsenal im Achtelfinale der Champions League beim FC Bayern München (20.45/ ZDF und Sky) doch sein. Der FC Bayern hat sich für Wengers FC Arsenal in den letzten Jahren zu dem entwickelt, was die Münchner einst für Real Madrid waren. Die Bestia Negra, die schwarze Bestie, der absolute Angstgegner. Dreimal standen Bayern und Arsenal sich seit 2005 im Achtelfinale gegenüber, dreimal standen nach zwei Duellen die Münchner im Viertelfinale.
Eventuell ist aber auch das Achtelfinale der Champions League die wahre Bestia Negra für Wenger, diesen Professor des Fußballs mit den distinguierten Manieren. Sechsmal in Serie erreichte er mit Arsenal zuletzt das Achtelfinale, sechsmal war in der Runde der besten sechzehn Mannschaften Europas Schluss. Und auch wenn Wenger sich vor dem neuerlichen Zusammentreffen optimistisch gibt – „Danke, dass Sie mich an die Geschichte erinnern, aber konzentrieren wir uns auf die Zukunft. Ich fühle, dass wir eine Chance haben weiterzukommen“, sagte er gestern –, wenn ihn sein Gefühl trügt, könnte sein langes Wirken im Norden Londons am Ende dieser Saison tatsächlich ein Ende finden.
Tuchel als Nachfolger?
Seit 1996 ist Wenger bei den Gunners, in Fußballerjahren eine Zeitspanne alttestamentarischen Ausmaßes. Nun ist es nicht so, dass Wenger die Entlassung droht, die Clubführung hat ihm längst das Angebot einer Vertragsverlängerung bis 2020 vorgelegt. Seine Ära bei Arsenal kann nur der Boss, Mr. Arsenal höchstselbst, beenden. Die Anzeichen mehren sich, dass es so kommen wird. Nicht nur, weil die Clubführung erstmals auch die Fühler nach möglichen Nachfolgern ausgeworfen hat; Dortmunds Thomas Tuchel und vor allem auch Leipzigs Ralph Hasenhüttl werden immer wieder genannt. Nach fast 13 Jahren ohne Meistertitel muss Wenger, dieser gewiefte Taktiker, geniale Spielerentwickler und Liebhaber des Offensivfußballs, einen gewissen Liebesentzug der Fans ertragen. Es scheint keine so große Rolle mehr zu spielen, dass Wenger und den Seinen 2003/2004 jene legendäre, perfekte Saison ohne eine Niederlage gelang oder dass „Fever Pitch“, Nick Hornbys herausragende Liebeserklärung an den Fußball und Arsenal, wohl nie so ein Bestseller geworden wäre, wäre das Buch während Wengers Amtszeit und nicht schon 1992 auf den Markt gebracht worden; Helden und Antihelden und ewiges Auf und Ab verkaufen sich besser als eine echte Heldensaga. Seit Wenger im Amt ist, hat Arsenal nie drei Spiele in Serie verloren, war man am Saisonende nie schlechter als Vierter.
Auch aktuell steht die Mannschaft um Shkodran Mustafi und den etwas kriselnden Mesut Özil auf Platz zwei. Doch „Arsène knows best“, Arsène weiß es am besten, liest man kaum mehr auf den Transparenten in der Emirates Arena. Stattdessen musste er immer wieder „enough is enough – time to go“, genug ist genug, es ist Zeit zu gehen, lesen. Und auch bei Wenger scheint sich eine gewisse Amtsmüdigkeit abzuzeichnen. „Er wirkte müde und meinte, seine Zeit würde dem Ende entgegengehen“, sagte Arsenals Ex-Torjäger Ian Wright der BBC.
Wird München, wird der Besuch bei seiner Bestia Negra, also zur ersten Station von Wengers großer Abschiedstournee? Passen würde es irgendwie. Beinahe wäre der Elsässer, dessen Muttersprache Deutsch ist und der erst in der Schule Französisch lernte, einst schließlich in München gelandet. 1994, als Erich Ribbeck mehr mit den Trainingsgästen als mit den Spielern redete und die Vormachtstellung der Bayern im deutschen Fußball zum letzten Mal am Wackeln schien, hatten sich Uli Hoeneß, damals Manager, und Franz Beckenbauer, damals Vizepräsident, die fixe Idee in den Kopf gesetzt, dass der Mannschaft und dem Verein eine klare Spielidee gut tun würde. Man flog nach Monaco, wo ein gewisser Arsène Wenger ein revolutionäres System spielen ließ: superoffensiv, spektakulär, viele kurze Pässe und Viererkette in der Abwehr. Man speiste zusammen, man verstand sich gut, doch Wenger sagte zur allgemeinen Überraschung im letzten Moment ab, ging für zwei Jahre nach Japan und dann nach London. Bayern holte Giovanni Trapattoni, holte Otto Rehhagel, holte Ottmar Hitzfeld ... und machte das Titelsammeln zur Spielidee. Doch die Sehnsucht nach Wenger blieb. 2009, Jürgen Klinsmann war gerade entlassen worden, sagte er Bayern zum letzten Mal ab. Eine richtige Spielidee verpassen durfte den Münchnern dann Louis van Gaal. Voraussichtliche München: Neuer – Lahm, Martínez, Hummels, Alaba – Alonso, Vidal – Robben, Thiago, Costa – Lewandowski. – FC Arsenal: Ospina – Bellerin, Mustafi, Koscielny, Gibbs – Coquelin, Elneny – Walcott, OxladeChamberlain, Özil – Sanchez.