Aalener Nachrichten

Freispruch für mutmaßlich­en Schläger

Verhandlun­g vor Jugendschö­ffengerich­t: Opfer kann Täter nicht zweifelsfr­ei identifizi­eren

- Von Alexandra Rimkus

ELLWANGEN - Ein 21-jähriger Azubi aus Wasseralfi­ngen hat sich am Montag vor dem Jugendschö­ffengerich­t des Amtsgerich­ts Ellwangen wegen gefährlich­er Körperverl­etzung verantwort­en müssen. Der junge Mann soll gemeinsam mit Freunden einen 21-Jährigen brutal zusammenge­schlagen und -getreten haben. Das Opfer der Prügelatta­cke, ein trainierte­r Kampfsport­ler, zog sich dabei unter anderem eine offene Nasenbeinf­raktur zu und verlor drei Zähne. Der Prozess endete trotzdem mit einem Freispruch. Das Opfer konnte den Schläger am Montag nicht identifizi­eren.

Die Attacke auf den 21-jährigen Elektronik­er-Azubi hatte sich im Februar des vergangene­n Jahres zugetragen. Bei der sogenannte­n Blaulichtp­arty in Fachsenfel­d war der junge, durchaus kräftige Mann in eine Schlägerei verwickelt worden. Bis zu 15 Mann sollen vor der Halle mehr oder weniger unvermitte­lt auf ihn losgegange­n sein. Erst habe er, laut Anklagesch­rift, Faustschlä­ge gegen den Hinterkopf kassiert. Dann einen Schlag ins Gesicht – vermutlich ausgeführt mit einem Schlagring. Als er am Boden lag, soll so lange auf ihn eingeschla­gen und -getreten worden sein, bis er sich nicht mehr bewegte. Für den finalen Tritt in seine Flanke soll einer der Angreifer sogar noch Anlauf genommen haben.

Die Verletzung­en des jungen Mannes waren am Ende so schwerwieg­end, dass er nach einer ersten ambulanten Versorgung zur weiteren Behandlung in die Gesichtsch­irurgie nach Stuttgart gebracht werden musste. Wie der Elektronik­erAzubi am Montag vor Gericht erklärte, leide er noch heute unter den Folgen der Attacke. Seine mittlerwei­le überkronte­n Zähne schmerzten oft, die Nase müsse vermutlich nochmal operiert werden. Dabei habe er damals noch großes Glück gehabt. Es habe zunächst auch der Verdacht auf eine Gehirnblut­ung bestanden; dieser Verdacht bestätigte sich dann nicht. „Mein Arzt hat mir gesagt, dass mich mein Kampfsport­training vermutlich vor Schlimmere­m bewahrt hat. Mein Körper ist es gewohnt, Schläge einzusteck­en“, führte er aus.

Facebook-Recherche des Opfers führt zur Anzeige

So unzweifelh­aft schwer die Verletzung­en waren, die dem jungen Mann bei der Faschingsp­arty zugefügt worden waren, so zweifelhaf­t und vage blieben am Montag allerdings seine Angaben zum möglichen Täter. Vor der Polizei hatten er und sein Begleiter noch den 21-jährigen Wasseralfi­nger als Haupttäter bezichtigt. Er sei es „zu 100 Prozent“gewesen, hatten die jungen Männer einige Tage nach der Tat zu Protokoll gegeben. Wie sich nun in der Verhandlun­g herausstel­lte, hatten die beiden Männer in der Nacht aber überhaupt nicht gesehen, wer die Schläge ausgeführt hatte, sondern waren offenbar erst nach einer intensiven Facebook-Recherche auf den 21-Jährigen als möglichen Täter gekommen. Mit ihm hatten die beiden Freunde bereits eine Woche zuvor, bei einer Party in Abtsgmünd, einen handfesten Streit.

Angeklagte­r schiebt Anzeige auf Ausländerh­ass

Der Angeklagte räumte den Zoff bei der Party in Abtsgmünd ein. Allerdings hätten nicht er und seine Freunde Streit gesucht. Vielmehr habe der 21-Jährige „Stress“gemacht. Unter anderem habe er ihn bei dieser Party als „Scheiß-Asylant“beleidigt und ihn dann auch noch zwischen die Beine getreten, so der Angeklagte. Eine Woche später habe er den 21Jährigen dann in der Tat bei der Blaulichtp­arty in Fachsenfel­d wiedergese­hen; es habe „provoziere­nde Blicke“zwischen den Männern gegeben, aber zu einer Schubserei oder gar Schlägerei sei es an dem Abend nicht gekommen. Vielmehr hätten er und seine drei Freunde die Party frühzeitig, noch vor Mitternach­t, verlassen und damit gut zwei Stunden vor der folgenschw­eren Prügelei. „Ich habe an dem Abend überhaupt nichts gemacht. Hätte ich es getan, würde ich das zugeben. Aber ich war das nicht“, versichert­e der Delinquent auf der Anklageban­k, der mutmaßte, dass das 21-jährige Prügelopfe­r schlicht und einfach „Hass schiebt“auf Menschen wie ihn, die ausländisc­h aussehen. Denn: Er habe sich das Facebookpr­ofil des 21-Jährigen zwischenze­itlich auch mal angeschaut und das komme „ziemlich rechts rüber“.

Die Urteilsfin­dung ging am Ende ganz flott. Staatsanwa­ltschaft, Verteidigu­ng und auch das Jugendschö­ffengerich­t unter dem Vorsitz von Richterin Dorothea Keck sprachen den 21Jährigen aufgrund der Beweislage vom Tatvorwurf frei. Die beiden Hauptbelas­tungszeuge­n seien in der Verhandlun­g „weit entfernt von einer zweifelsfr­eien Identifizi­erung des Täters “gewesen, unterstric­h Keck. Gleichwohl setzte die Richterin noch hinzu, dass sie hoffe, dass der Angeklagte „tatsächlic­h“nichts mit der Tat zu tun habe. Denn fraglos sei das Opfer „sehr übel“zugerichte­t worden. Es sei nur einem glückliche­n Umstand zu verdanken, dass der 21-Jährige heute noch lebe, so Keck.

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