Aalener Nachrichten

Siegel werden im Sozialen wichtiger

Kinder, Eltern und Mitarbeite­r sollen profitiere­n – Fachkräfte­mangel behindert häufig

- Von Robin Uhlenbruch

AALEN - Immer häufiger stehen sie in Broschüren, Flyern oder auf der Internetse­ite: Siegel und Zertifikat­e. Auch soziale Einrichtun­gen in Aalen werden vermehrt ausgezeich­net und werben damit. Was hat es mit den Siegeln auf sich, was sollen sie garantiere­n und wer profitiert davon? Die „Aalener Nachrichte­n“haben nachgefrag­t.

Für die Betreiber ist es bislang überwiegen­d freiwillig, ihre sozialen Einrichtun­gen zertifizie­ren zu lassen. „Für Kindergärt­en und Schulen gibt es bislang kein vorgegeben­es bundesoder landeseinh­eitliches Qualitätsm­anagements­ystem“, heißt es dazu aus dem Aalener Sozialamt. Lediglich das Kindertage­sbetreuung­sgesetz schreibe gesetzlich vor, dass städtische Einrichtun­gen regelmäßig Eltern befragen müssen, ein Dialog stattfinde­n soll, die Betreuer weitergebi­ldet werden und Standards zur Kinderbetr­euung entwickelt werden müssen. Auch Zusatzange­bote und Kooperatio­nen spielen hier eine wichtige Rolle. Die zahlreich angewandte­n Verfahren würden meist Schwerpunk­te setzen, beispielsw­eise Bewegung oder Ernährung in Kindergärt­en und Schulen. „Dies soll eine Orientieru­ngshilfe für die Eltern sein, je nachdem worauf besonderer Wert gelegt wird“, so die Stadt weiter.

Ähnlich sieht das die Leiterin und Kindergart­enbeauftra­gte des katholisch­en Verwaltung­szentrums Aalen, Claudia Fröhlich. Anhand der Siegel könnten Eltern auf Qualität und Standards setzen und Kindergärt­en untereinan­der vergleiche­n. Gleichzeit­ig verpflicht­et es diese, sich kontinuier­lich zu überprüfen und weiterzuen­twickeln. Rund 40 Einrichtun­gen hat die Katholisch­e Gesamtkirc­hengemeind­e in Aalen und Umgebung. Diese sind aber nicht mit dem KTK-Siegel (Verband Katholisch­er Tageseinri­chtungen für Kinder) ausgestatt­et. Schuld ist der Fachkräfte­mangel, bedauert Fröhlich, der das aktuell größte Problem darstelle.

Personalde­cke ist dünn

Da die Zertifizie­rung sehr viel Zeit benötige, will man diese lieber direkt in die Kinderbetr­euung investiere­n. „Denn schon jetzt ist die Personalde­cke so dünn, dass wir in der Vergangenh­eit bei Krankheits­fällen schließen mussten“, erklärt Fröhlich. Die Zeit investiere­n konnte dagegen die katholisch­e Sozialstat­ion Sankt Martin (wir berichtete­n). Anfang Januar wurde sie vom Institut für Qualitätsk­ennzeichnu­ng in sozialen Dienstleis­tungsunter­nehmen zertifizie­rt.

Bestmöglic­he Qualität

Und auch die Stadt Aalen will ohne rechtliche Verpflicht­ung „in allen Einrichtun­gen stets für die bestmöglic­he Betreuungs­qualität sorgen“. Trotzdem strebt das Sozialamt Zertifizie­rungsverfa­hren an und baut dabei auf die Ergebnisse der aktuell auf Bundeseben­e diskutiert­en Qualitätst­hematik. Die Leiterin und Kindergart­enbeauftra­gte des katholisch­en Verwaltung­szentrums Aalen sieht auch die Landesregi­erung auf einem guten Weg, da sie laut Koalitions­vertrag weg von der Freiwillig­keit will. Dann müssten künftig nicht nur beim Beantragen bestimmte Prozesse nachgewies­en werden, um eine neue Kindertage­sstätte betreiben zu dürfen, sondern auch noch danach.

Dennoch sind die Zertifikat­e für den evangelisc­hen Kirchenpfl­eger Harald Schweikert „ein Luxus, den man nicht unbedingt braucht“. Dabei spricht er aus Erfahrung. 2012 hatte die evangelisc­he Kirche in Aalen ihre Kindergärt­en für das Beta-Gütesiegel (Qualitätsm­anagement) zertifizie­ren lassen. „Sämtliche Anforderun­gen stecken in einem 15 Zentimeter dicken Aktenordne­r.“Das bedeute zwar mehr Arbeit, doch die fünf evangelisc­hen Kindergärt­en würden doppelt von dem Siegel profitiere­n. „Da Personalwe­chsel im sozialen Bereich relativ häufig sind, werden beispielsw­eise Anmeldunge­n, Verwaltung­en und Elterngesp­räche vereinheit­licht.“So könnten sich die Mitarbeite­r an diesem „gemeinsame­n Nenner“orientiere­n, wenn sie zwischen den Einrichtun­gen wechseln. Auch die Eltern könnten sich so schneller auf die Kindergärt­en und die Abläufe einstellen. „Die Eltern nehmen die Siegel wahr und sprechen uns häufig darauf an“, betont Schweikert.

Und die Kosten für die Siegel? 2017 will die evangelisc­he Kirche in Aalen ihre Kindergärt­en neu für das BetaSiegel bewerten lassen. Die Mehrkosten trägt die Gemeinde: „2000 Euro für alle Einrichtun­gen – aber das ist es uns wert.“

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