Siegel werden im Sozialen wichtiger
Kinder, Eltern und Mitarbeiter sollen profitieren – Fachkräftemangel behindert häufig
AALEN - Immer häufiger stehen sie in Broschüren, Flyern oder auf der Internetseite: Siegel und Zertifikate. Auch soziale Einrichtungen in Aalen werden vermehrt ausgezeichnet und werben damit. Was hat es mit den Siegeln auf sich, was sollen sie garantieren und wer profitiert davon? Die „Aalener Nachrichten“haben nachgefragt.
Für die Betreiber ist es bislang überwiegend freiwillig, ihre sozialen Einrichtungen zertifizieren zu lassen. „Für Kindergärten und Schulen gibt es bislang kein vorgegebenes bundesoder landeseinheitliches Qualitätsmanagementsystem“, heißt es dazu aus dem Aalener Sozialamt. Lediglich das Kindertagesbetreuungsgesetz schreibe gesetzlich vor, dass städtische Einrichtungen regelmäßig Eltern befragen müssen, ein Dialog stattfinden soll, die Betreuer weitergebildet werden und Standards zur Kinderbetreuung entwickelt werden müssen. Auch Zusatzangebote und Kooperationen spielen hier eine wichtige Rolle. Die zahlreich angewandten Verfahren würden meist Schwerpunkte setzen, beispielsweise Bewegung oder Ernährung in Kindergärten und Schulen. „Dies soll eine Orientierungshilfe für die Eltern sein, je nachdem worauf besonderer Wert gelegt wird“, so die Stadt weiter.
Ähnlich sieht das die Leiterin und Kindergartenbeauftragte des katholischen Verwaltungszentrums Aalen, Claudia Fröhlich. Anhand der Siegel könnten Eltern auf Qualität und Standards setzen und Kindergärten untereinander vergleichen. Gleichzeitig verpflichtet es diese, sich kontinuierlich zu überprüfen und weiterzuentwickeln. Rund 40 Einrichtungen hat die Katholische Gesamtkirchengemeinde in Aalen und Umgebung. Diese sind aber nicht mit dem KTK-Siegel (Verband Katholischer Tageseinrichtungen für Kinder) ausgestattet. Schuld ist der Fachkräftemangel, bedauert Fröhlich, der das aktuell größte Problem darstelle.
Personaldecke ist dünn
Da die Zertifizierung sehr viel Zeit benötige, will man diese lieber direkt in die Kinderbetreuung investieren. „Denn schon jetzt ist die Personaldecke so dünn, dass wir in der Vergangenheit bei Krankheitsfällen schließen mussten“, erklärt Fröhlich. Die Zeit investieren konnte dagegen die katholische Sozialstation Sankt Martin (wir berichteten). Anfang Januar wurde sie vom Institut für Qualitätskennzeichnung in sozialen Dienstleistungsunternehmen zertifiziert.
Bestmögliche Qualität
Und auch die Stadt Aalen will ohne rechtliche Verpflichtung „in allen Einrichtungen stets für die bestmögliche Betreuungsqualität sorgen“. Trotzdem strebt das Sozialamt Zertifizierungsverfahren an und baut dabei auf die Ergebnisse der aktuell auf Bundesebene diskutierten Qualitätsthematik. Die Leiterin und Kindergartenbeauftragte des katholischen Verwaltungszentrums Aalen sieht auch die Landesregierung auf einem guten Weg, da sie laut Koalitionsvertrag weg von der Freiwilligkeit will. Dann müssten künftig nicht nur beim Beantragen bestimmte Prozesse nachgewiesen werden, um eine neue Kindertagesstätte betreiben zu dürfen, sondern auch noch danach.
Dennoch sind die Zertifikate für den evangelischen Kirchenpfleger Harald Schweikert „ein Luxus, den man nicht unbedingt braucht“. Dabei spricht er aus Erfahrung. 2012 hatte die evangelische Kirche in Aalen ihre Kindergärten für das Beta-Gütesiegel (Qualitätsmanagement) zertifizieren lassen. „Sämtliche Anforderungen stecken in einem 15 Zentimeter dicken Aktenordner.“Das bedeute zwar mehr Arbeit, doch die fünf evangelischen Kindergärten würden doppelt von dem Siegel profitieren. „Da Personalwechsel im sozialen Bereich relativ häufig sind, werden beispielsweise Anmeldungen, Verwaltungen und Elterngespräche vereinheitlicht.“So könnten sich die Mitarbeiter an diesem „gemeinsamen Nenner“orientieren, wenn sie zwischen den Einrichtungen wechseln. Auch die Eltern könnten sich so schneller auf die Kindergärten und die Abläufe einstellen. „Die Eltern nehmen die Siegel wahr und sprechen uns häufig darauf an“, betont Schweikert.
Und die Kosten für die Siegel? 2017 will die evangelische Kirche in Aalen ihre Kindergärten neu für das BetaSiegel bewerten lassen. Die Mehrkosten trägt die Gemeinde: „2000 Euro für alle Einrichtungen – aber das ist es uns wert.“