Aalener Nachrichten

Einzelgäng­er oder Naturbursc­he?

Persönlich­keit von mutmaßlich­em Steinewerf­er ist Thema vor Gericht

- Von Petra Rapp-Neumann

ELLWANGEN - Die Persönlich­keit des mutmaßlich­en Steinewerf­ers von Giengen hat gestern im Zentrum der Aufmerksam­keit des Schwurgeri­chts gestanden. Zeugenauss­agen machten Details des Gemütszust­ands des Angeklagte­n deutlich, der nach seiner Verhaftung gestanden hat, den Betonpflas­terstein auf die A7 geworfen zu haben, der eine vierköpfig­e Familie um ein Haar in den Tod gerissen hätte. Ist er ein zwar merkwürdig­er, aber harmloser Einzelgäng­er, ein Spinner, „neben der Kapp“? Oder, wie es ein Polizeibea­mter formuliert­e, ein robuster Naturbursc­he, der rabiat wird, wenn man ihm zu nahe kommt? Ein gefährlich­er Waffennarr, ein Grenzgänge­r, der hinter Schloss und Riegel gehört?

Nicht nur im Heidenheim­er Schwestern­wohnheim, in dem der Angeklagte eine Zeitlang lebte, fiel er unliebsam auf. Eine angehende Krankensch­wester fühlte sich von ihm gestalkt. Aus Angst zog die junge Frau weg. „Alles Paranoia. Des kann gar net sein, du bischt gar net mein Typ“, tönte es von der Anklageban­k. Noch duldet die Kammer die Zwischenru­fe des 37-Jährigen: „Es ist, ich gebe es zu, eine unkonventi­onelle Verhandlun­gsführung“, so der Vorsitzend­e Richter Gerhard Ilg.

Notfallwaf­fen im Mikro-Wohnmobil

Ein wohlmeinen­der Altenpfleg­er, an dessen Hauskreis der Angeklagte zweimal teilnahm, schilderte ihn als großes Kind, als Angeber, der eine zweite Chance verdiene. Seine Äußerung „Ich will euch alle erschießen“ sei nicht ernst zu nehmen. Allerdings bestätigte der Zeuge nicht, ihn in der Unfallnach­t gegen 1.30 Uhr im Wohnheim gesehen zu haben.

Im November 2015 ging bei einem Streit im Schwestern­wohnheim eine Glasscheib­e zu Bruch. Der Angeklagte suchte das Weite: „Ich fühlte mich wie Soldaten in Afghanista­n“, sagte er gestern. Ein martialisc­hes Sonderkomm­ando sei angerückt. Er habe sich auf dem Gartengrun­dstück, auf dem er auch verhaftet wurde, versteckt und sich mit Waffen „für den Notfall“ausgerüste­t. In seinem „Mikro-Wohnmobil“, wie er sagte, lebte er weitgehend autark. Sich Trinkwasse­r zu besorgen, war für den Ortskundig­en kein Problem.

Der Heidenheim­er ist ein fanatische­r Waffenfan. Nach seiner Verhaftung entdeckte ein Mitarbeite­r des Steinbruch­s Mergelstet­ten in einem Versteck nahe der Abbruchkan­te durch Zufall eine zur scharfen Waffe umgebaute Pistole, eine mit Patronenmu­nition bestückte Schrecksch­usswaffe und einen selbst gebauten Revolver mit Patronen mit selbst gegossenen Projektile­n, die ihm zugeordnet werden konnten. Wie der Schusswaff­enexperte des Landeskrim­inalamts erläuterte, funktionsf­ähig und auf kurze Distanz treffsiche­r. Er nannte weitere Waffendepo­ts. Dort fand die akribisch suchende Polizei nichts.

Es bleiben Fragen. Wollte er sich mit den Waffen bei der Rockergang Black Jackets „einkaufen“? Hätte die Tat verhindert werden können? Ein Ex-Nachbar berichtete, man habe ihn mehrfach bei der Polizei angezeigt: „Man hat uns gesagt, dass von ihm keine Gefahr ausgeht.“Seine Mutter, unter deren gesetzlich­er Betreuung er steht, sagt vor Gericht nicht aus. Die Verhandlun­g wird am 30. März mit dem psychiatri­schen Gutachten, das für das Urteil entscheide­nd sein dürfte, fortgesetz­t.

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FOTO: SIEDLER Der sogenannte Steinewerf­er-Prozess ist fortgesetz­t worden.

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