Hamilton stapelt tief, Vettel dämpft die Erwartungen
Die Stars der Formel 1 schieben sich vor dem Saisonauftakt in Melbourne gegenseitig die Favoritenrolle zu
MELBOURNE (SID) - Eine Spitze gegen seinen Ex-Teamkollegen Nico Rosberg wollte sich Lewis Hamilton dann doch nicht verkneifen. „Für mich macht es keinen Unterschied, ob der amtierende Weltmeister da ist oder nicht. Jede Saison bedeutet einen Neustart“, sagte der exzentrische Star der Formel 1 in Melbourne.
Das Erstaunliche und HamiltonUntypische dabei: Trotz seiner drei WM-Titel und 53 Grand-Prix-Siege wollte der sonst so selbstbewusste Mercedes-Pilot von seiner eigenen Favoritenrolle im Kampf um den vakanten Formel-1-Thron rein gar nichts wissen. „Noch kein Team hat vor und nach einer Regel-Revolution die Formel 1 dominiert“, sagte Hamilton. 51 Mercedes-Siege aus 59 Rennen seit 2014, so wollte der Brite zu verstehen geben, könnten bei den breiteren, aggressiveren neuen Autos schneller zu einer schönen Erinnerung verblassen als den Silberpfeilen lieb sein kann.
Und so bemühte sich der 32-Jährige vor dem Auftaktrennen der neuen Saison (Sonntag, 7 Uhr MESZ/RTL und Sky) nach Kräften, sein Team nach drei WM-Titeln in Folge aus dem Fokus zu nehmen und Ferrari mit dem viermaligen Champion Sebastian Vettel in das Licht desjenigen Teams zu rücken, das es zu schlagen gilt.
„Ferrari war im Winter am schnellsten, sie sind hier die Favoriten. So fühlt es sich an. Auch die Daten sagen das. Ich hoffe, dass wir zumindest dicht dran sein können“, sagte Hamilton bei der Pressekonferenz und versuchte, den ebenfalls ungewohnt stillen Vettel ein wenig zu kitzeln: „Sebastian gibt sich normalerweise mehr der Euphorie hin. Er versucht natürlich, die Erwartungen klein zu halten.“
Tatsächlich hat Ferrari mit fünf Tagesbestzeiten und beeindruckenden Rennsimulationen bei den Testfahrten in Barcelona einen brillanten Eindruck hinterlassen. Doch nach einer Saison 2016 ohne einen einzigen Sieg will sich Vettel nicht in die Favoritenrolle drängen lassen. „Mercedes war in den vergangenen drei Jahren in einer extrem starken Form. Obwohl wir nun andere Regularien haben, glaube ich, dass Mercedes für alle der Favorit ist“, sagte der Heppenheimer.
„Viele Leute sprechen in hohen Tönen von uns, aber das waren nur Wintertests, da ist es sehr einfach, die falschen Eindrücke zu erhalten“, meinte Vettel und versuchte, die Erwartungen an die Scuderia herunterzuspielen. Es ist beinahe schon eine Tradition, dass die Formel 1 kurz vor dem Saisonstart gegen ihre Grundsätze handelt. In dieser Hochleistungsgesellschaft, in der die Top-Teams jährlich mehrere Hundert Millionen Euro in die Titeljagd investieren, will zumindest am Anfang niemand der Favorit sein.
Immerhin: Hamilton blieb bei allem Tiefstapeln am Ende dann doch er selbst. Er befinde sich körperlich in der Form seines Lebens, versicherte der von Rosberg 2016 knapp geschlagene Vize-Weltmeister und schob hinterher: „Ich bin hungriger denn je auf diesen vierten Titel.“Geht doch.