Zur Regenzeit tobt in der Kalahari das Leben
Botswana will keinen Massentourismus, lieber wenig Besucher, die möglichst viel Geld ausgeben
Im Deception Valley glaubt das ungeschulte Auge zunächst, mitteleuropäische Landschaften zu erblicken. Saftiges Gras bedeckt die Ebenen. Dornbüsche und Bäume tragen dichtes Blattwerk, Wildrosen wiegen sich im Wind, Schmetterlinge umflattern das Allrad-Fahrzeug. Zugegeben, die Form der Schirmakazie erinnert sogleich an die afrikanische Savanne. Doch die Natur der zentralen Kalahari in Botswana zeigt sich während der Regenzeit üppig – vollkommen anders als die menschenfeindliche Dürre der Trockenperiode. Die sonst so trockene Savanne wird zu einem grünen Garten Eden. Ein argloser Spaziergang durch das Deception Valley wäre gleichwohl lebensgefährlich. Samuel Andy Kasale hat drei junge Löwen unter einem Baum ausgemacht. Der Wagen fährt bis auf wenige Meter heran. „Ihre Bäuche sind voll, sie haben schon gefressen“, beruhigt der Guide.
Die meisten Touristen besuchen Botswana in den trockenen Monaten von Mai bis Oktober. Denn das ist die beste Reisezeit für das berühmte Okavango-Delta, die Hauptattraktion des Landes. Eine Reise in der Regenzeit, die von Dezember bis März dauert, eignet sich dagegen am besten für die Kalahari. Schiefergraue Wolken türmen sich dann über sattgrüner Savanne, Regenwände verdüstern den Horizont. Immer dramatischer werden die Formationen am Himmel, bis sich die Spannung in stürmischen Gewittern entlädt.
Jagdrevier par excellence
Die zentrale Kalahari ist eine der einsamsten Regionen Afrikas. Das Naturreservat in der Kalahari ist praktisch menschenleer. Dafür gibt es umso mehr Tierbegegnungen. Immer wieder Steinböcke, Springböcke, Streifengnus – und unzählige Oryx-Herden. Dazwischen Sattelstörche, Marabus, Riesentrappen, Reiher und hin und wieder ein Strauß. Schakale schleichen durchs Gras. Zwei Geparden, die gerade ein Oryx-Jungtier erlegt haben, lassen sich nur ungern bei ihrer Mahlzeit stören. Der König der Savanne ist aber der Kalahari-Löwe, erkennbar an der schwarzen Mähne. Das Deception Valley mit seinen weiten Graspfannen, die immer wieder von Bauminseln unterbrochen werden, ist sein Jagdgebiet.
Das demokratische und wirtschaftlich potente Botswana wünscht sich möglichst wenige Touristen, die möglichst viel Geld ausgeben. Entsprechend hoch sind die Preise im Land. Durch die Absage an den Massentourismus soll der Lebensraum der Wildtiere erhalten bleiben. Die Geschichte der Erschließung der zentralen Kalahari für den Diamantenabbau und Tourismus aber hat ein düsteres Kapitel. Das Reservat wurde 1961, als Botswana noch das britische Protektorat Betschuanaland war, zum Schutz der Ureinwohner gegründet. Die San, auch Basarwa oder Buschleute genannt, lebten dort als Jäger und Sammler. Doch die Regierung forderte sie Ende der 1990er-Jahre zum Verlassen des Reservats auf. Schlussendlich wurden die San zwangsumgesiedelt. Für viele begann ein Leben geprägt von Apathie und Alkohol. Der Oberste Gerichtshof erlaubte zwar 2006 die Rückkehr der Buschleute ins Reservat. Doch der Bau eines Brunnens wurde zunächst verboten – und das Jagen ist illegal.
Manche San arbeiten mit den Safari-Camps zusammen und bieten dort „Bushmen Walks“für Touristen an. Auf Spaziergängen zeigen sie zum Beispiel, wie man Fallen für Springhasen baut und Feuer nur mit Stöcken entfacht. Manchmal fangen sie einen Skorpion, der kurz danach wieder freigelassen wird. Denn die San entnehmen der Natur nur das, wie sie zum Leben brauchen. Sie verschwenden nichts.
Die Buschrundgänge haben etwas unangenehm Folkloristisches an sich. Die Frauen und Männer werfen sich Felle über, obwohl sie sonst gewöhnliche Kleidung tragen. Die realen Lebensumstände der Buschleute werden auf den Führungen nicht thematisiert. Kritiker empfinden es gar als Hohn, dass Reisenden eine angeblich heile Welt im Busch vorgegaukelt wird, während die traditionelle Lebensweise der San zerstört wurde.
Makgadikgadi ist ein Park, dessen Besuch sich ebenfalls während der Regenzeit lohnt. Er liegt nordöstlich des Kalahari-Reservats und umfasst eine Region, die von ausgedehnten Salzpfannen geprägt ist. In der Regenzeit laufen die Pfannen voll. Die Landschaft ist dann grün und von Blüten überzogen. Wildtiere zeigen sich ebenfalls in großer Zahl, zum Beispiel Elefanten. Am Boteti-Fluss tummeln sich manchmal Flusspferde und Krokodile im Wasser oder trinkende Antilopen am Ufer. Spektakulär wird es im November, wenn 20 000 Zebras und Gnus auf der Suche nach Wasser kommen.
Lunch unterm Affenbrotbaum
Mphapi Dekaelo steuert den AllradJeep in Richtung Norden, in die Naxi Pans. Er fing als Barmann an, wurde Kellner, schließlich Assistant-Manager. Dann stieg er aus dem Tourismus aus und widmete sich der Zucht von Helmperlhühnern. „Aber diese Geschäftsidee ist gescheitert“, berichtet Dekaelo. Nun ist er lizenzierter Safari-Guide und scheint damit auch nicht unglücklich zu sein. Das Tagesziel in den Naxi-Pfannen ist eine Baumgruppe, die als Baines’ Baobabs bekannt geworden ist: sieben mächtige Affenbrotbäume am Rand einer großen Salzpfanne. Benannt sind sie nach dem britischen Forschungsreisenden John Thomas Baines (1820-1875), der die Bäume einst malte.
Unter einem der Riesen baut Dekaelo einen kleinen Campingtisch für das Mittagessen auf, und das keineswegs unbedacht. „Ich muss zuerst die Spuren lesen, in die Äste schauen, den Vögeln lauschen“, erklärt der Guide. Nähern sich womöglich Raubkatzen? Hängt eine tödliche Schwarze Mamba im Baum? Heute ist alles unverdächtig – der Busch-Lunch kann beginnen. (dpa)