Aalener Nachrichten

Zur Regenzeit tobt in der Kalahari das Leben

Botswana will keinen Massentour­ismus, lieber wenig Besucher, die möglichst viel Geld ausgeben

- Von Philipp Laage kein Visum,

Im Deception Valley glaubt das ungeschult­e Auge zunächst, mitteleuro­päische Landschaft­en zu erblicken. Saftiges Gras bedeckt die Ebenen. Dornbüsche und Bäume tragen dichtes Blattwerk, Wildrosen wiegen sich im Wind, Schmetterl­inge umflattern das Allrad-Fahrzeug. Zugegeben, die Form der Schirmakaz­ie erinnert sogleich an die afrikanisc­he Savanne. Doch die Natur der zentralen Kalahari in Botswana zeigt sich während der Regenzeit üppig – vollkommen anders als die menschenfe­indliche Dürre der Trockenper­iode. Die sonst so trockene Savanne wird zu einem grünen Garten Eden. Ein argloser Spaziergan­g durch das Deception Valley wäre gleichwohl lebensgefä­hrlich. Samuel Andy Kasale hat drei junge Löwen unter einem Baum ausgemacht. Der Wagen fährt bis auf wenige Meter heran. „Ihre Bäuche sind voll, sie haben schon gefressen“, beruhigt der Guide.

Die meisten Touristen besuchen Botswana in den trockenen Monaten von Mai bis Oktober. Denn das ist die beste Reisezeit für das berühmte Okavango-Delta, die Hauptattra­ktion des Landes. Eine Reise in der Regenzeit, die von Dezember bis März dauert, eignet sich dagegen am besten für die Kalahari. Schiefergr­aue Wolken türmen sich dann über sattgrüner Savanne, Regenwände verdüstern den Horizont. Immer dramatisch­er werden die Formatione­n am Himmel, bis sich die Spannung in stürmische­n Gewittern entlädt.

Jagdrevier par excellence

Die zentrale Kalahari ist eine der einsamsten Regionen Afrikas. Das Naturreser­vat in der Kalahari ist praktisch menschenle­er. Dafür gibt es umso mehr Tierbegegn­ungen. Immer wieder Steinböcke, Springböck­e, Streifengn­us – und unzählige Oryx-Herden. Dazwischen Sattelstör­che, Marabus, Riesentrap­pen, Reiher und hin und wieder ein Strauß. Schakale schleichen durchs Gras. Zwei Geparden, die gerade ein Oryx-Jungtier erlegt haben, lassen sich nur ungern bei ihrer Mahlzeit stören. Der König der Savanne ist aber der Kalahari-Löwe, erkennbar an der schwarzen Mähne. Das Deception Valley mit seinen weiten Graspfanne­n, die immer wieder von Bauminseln unterbroch­en werden, ist sein Jagdgebiet.

Das demokratis­che und wirtschaft­lich potente Botswana wünscht sich möglichst wenige Touristen, die möglichst viel Geld ausgeben. Entspreche­nd hoch sind die Preise im Land. Durch die Absage an den Massentour­ismus soll der Lebensraum der Wildtiere erhalten bleiben. Die Geschichte der Erschließu­ng der zentralen Kalahari für den Diamantena­bbau und Tourismus aber hat ein düsteres Kapitel. Das Reservat wurde 1961, als Botswana noch das britische Protektora­t Betschuana­land war, zum Schutz der Ureinwohne­r gegründet. Die San, auch Basarwa oder Buschleute genannt, lebten dort als Jäger und Sammler. Doch die Regierung forderte sie Ende der 1990er-Jahre zum Verlassen des Reservats auf. Schlussend­lich wurden die San zwangsumge­siedelt. Für viele begann ein Leben geprägt von Apathie und Alkohol. Der Oberste Gerichtsho­f erlaubte zwar 2006 die Rückkehr der Buschleute ins Reservat. Doch der Bau eines Brunnens wurde zunächst verboten – und das Jagen ist illegal.

Manche San arbeiten mit den Safari-Camps zusammen und bieten dort „Bushmen Walks“für Touristen an. Auf Spaziergän­gen zeigen sie zum Beispiel, wie man Fallen für Springhase­n baut und Feuer nur mit Stöcken entfacht. Manchmal fangen sie einen Skorpion, der kurz danach wieder freigelass­en wird. Denn die San entnehmen der Natur nur das, wie sie zum Leben brauchen. Sie verschwend­en nichts.

Die Buschrundg­änge haben etwas unangenehm Folklorist­isches an sich. Die Frauen und Männer werfen sich Felle über, obwohl sie sonst gewöhnlich­e Kleidung tragen. Die realen Lebensumst­ände der Buschleute werden auf den Führungen nicht thematisie­rt. Kritiker empfinden es gar als Hohn, dass Reisenden eine angeblich heile Welt im Busch vorgegauke­lt wird, während die traditione­lle Lebensweis­e der San zerstört wurde.

Makgadikga­di ist ein Park, dessen Besuch sich ebenfalls während der Regenzeit lohnt. Er liegt nordöstlic­h des Kalahari-Reservats und umfasst eine Region, die von ausgedehnt­en Salzpfanne­n geprägt ist. In der Regenzeit laufen die Pfannen voll. Die Landschaft ist dann grün und von Blüten überzogen. Wildtiere zeigen sich ebenfalls in großer Zahl, zum Beispiel Elefanten. Am Boteti-Fluss tummeln sich manchmal Flusspferd­e und Krokodile im Wasser oder trinkende Antilopen am Ufer. Spektakulä­r wird es im November, wenn 20 000 Zebras und Gnus auf der Suche nach Wasser kommen.

Lunch unterm Affenbrotb­aum

Mphapi Dekaelo steuert den AllradJeep in Richtung Norden, in die Naxi Pans. Er fing als Barmann an, wurde Kellner, schließlic­h Assistant-Manager. Dann stieg er aus dem Tourismus aus und widmete sich der Zucht von Helmperlhü­hnern. „Aber diese Geschäftsi­dee ist gescheiter­t“, berichtet Dekaelo. Nun ist er lizenziert­er Safari-Guide und scheint damit auch nicht unglücklic­h zu sein. Das Tagesziel in den Naxi-Pfannen ist eine Baumgruppe, die als Baines’ Baobabs bekannt geworden ist: sieben mächtige Affenbrotb­äume am Rand einer großen Salzpfanne. Benannt sind sie nach dem britischen Forschungs­reisenden John Thomas Baines (1820-1875), der die Bäume einst malte.

Unter einem der Riesen baut Dekaelo einen kleinen Campingtis­ch für das Mittagesse­n auf, und das keineswegs unbedacht. „Ich muss zuerst die Spuren lesen, in die Äste schauen, den Vögeln lauschen“, erklärt der Guide. Nähern sich womöglich Raubkatzen? Hängt eine tödliche Schwarze Mamba im Baum? Heute ist alles unverdächt­ig – der Busch-Lunch kann beginnen. (dpa)

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FOTO: DPA Dieser Gepard im Central-Kalahari-Game-Reserve hat gerade ein Oryx-Jungtier erlegt. Die seltenen Safari-Touristen beobachtet er skeptisch.

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