Anspannung an Börse löst sich schlagartig
Ergebnis der Präsidentschaftswahlen in Frankreich beflügelt die Stimmung der Anleger
FRANKFURT (dpa) - Der Erfolg des EU-freundlichen französischen Kandidaten Emmanuel Macron bei der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen beflügelt die Stimmung der Anleger. Der Dax schaffte es erstmals über 12 400 Punkte. Am Ende ging der Leitindex mit einem Aufschlag von 3,37 Prozent bei 12 454,98 Punkten aus dem Handel. Seinen Rekord hatte er in den Schlussminuten bei 12 456 Punkten erreicht. Und das, obwohl viel Unsicherheit bleibt: Brexit-Verhandlungen, ein unberechenbarer US-Präsident, drohende Handelsschranken als Bremsklotz für den Export. Jörn Bender und Friederike Marx analysieren das Hoch.
Was treibt die Kurse an den Börsen nach oben?
Wichtigster Schmierstoff ist seit Jahren das viele billige Geld der Notenbanken. Über Minizinsen und billionenschwere Kaufprogramme fluten die großen Zentralbanken die Märkte mit Liquidität. Die landet oft an den Aktienhandelsplätzen, weil andere Anlagen wie Festgeld oder Anleihen von Staaten mit sehr guter Kreditwürdigkeit wie Deutschland kaum noch etwas abwerfen. Zwar zieht die US-Notenbank Fed die Zügel schrittweise an. Zuletzt erhöhte sie den Leitzins auf eine Spanne 0,75 bis 1,0 Prozent und stellte weitere Zinsanhebungen in Aussicht. Doch im Euroraum bleibt Geld absehbar ultrabillig: Die Europäische Zentralbank (EZB) verlängerte ihre milliardenschweren Käufe von Staats- und Unternehmensanleihen bis Ende 2017 und macht vorerst keine Anstalten, das Nullzinsniveau zu verlassen. Die politische Unsicherheit sei zwar so hoch wie lange nicht, meint Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer: „Aber an den Finanzmärkten ist davon nichts zu spüren, dort herrscht Sorglosigkeit.“Die Zentralbanken sedierten das Risikobewusstsein der Anleger.
US-Präsident Donald Trump wird an den Finanzmärkten gefeiert – was ist der Grund?
Börsianer in den USA sind in Feierlaune. Auch wenn die Euphorie zuletzt etwas nachließ, legte das altehrwürdige US-Börsenbarometer Dow Jones Industrial im ersten Jahresviertel 2017 um viereinhalb Prozent zu. Am 25. Januar durchbrach der US-Leitindex erstmals die 20 000Punkte-Schallmauer. Beflügelt wird die Rekordjagd von der Hoffnung auf Steuergeschenke, laxere Vorschriften für Banken sowie Wirtschaftsimpulse der neuen US-Regierung.
Warum legt der MDax noch stärker zu als der Dax?
Der kleine Bruder des deutschen Leitindex Dax eilt seit geraumer Zeit von einem Rekord zum nächsten. Auch im langjährigen Vergleich steht er besser da als das wichtigste deutsche Börsenbarometer. „Der MDax ist der Star unter den Indizes der Dax-Familie“, kommentierte die DZ Bank. Das Erfolgsgeheimnis: Die dort notierten 50 mittelgroßen Konzerne besetzen häufig Nischen und sind dort Weltmarktführer. Erfahrungsgemäß leiden sie weniger unter weltpolitischen Turbulenzen als Dax-Unternehmen, die in allen Schlüsselmärkten aktiv sind und keiner Krise ausweichen können.
Locken steigende Aktienkurse in Zeiten des Zinstiefs Anleger an?
Das könnte man erwarten, doch das Gegenteil ist der Fall. In Deutschland sank die Zahl der Aktionäre im vergangenen Jahr sogar wieder knapp unter die Neun-Millionen-Marke. Nur jeder siebte Bundesbürger steckt nach Angaben des Deutschen Aktieninstituts (DAI) Geld in Aktien und/oder Fonds. Der Anteil der Aktionäre an der Bevölkerung über 14 Jahre stagniert bei 14 Prozent. In den USA sind es 52 Prozent – was aber auch daher rührt, dass dort der Staat die Altersvorsorge über Aktien und Fonds steuerlich fördert. „Der Deutsche investiert und spart falsch“, urteilt der Präsident des deutschen Fondsverbandes BVI, Tobias Pross. „Nicht mal das Schreckgespenst Negativzinsen bringt einen rational denkenden Menschen dazu, sich mit dem Thema Kapitalanlage intensiv auseinanderzusetzen.“
Wer profitiert vom Höhenflug an den Aktienmärkten?
Die Kursrally spült vor allem ProfiInvestoren wie Versicherungen, Vermögensverwaltern und Pensionskassen Geld in die Kasse – und die kommen mehrheitlich aus dem Ausland. Denn in Deutschlands erster Börsenliga haben ausländische Investoren das Sagen: Ihnen gehören nach Angaben der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) mehr als 70 Prozent der Anteile der 30 Dax-Unternehmen.
Wie geht es am Markt weiter?
Experten warnen vor allzu großer Euphorie. „Die Umsetzung der Wahlversprechen ist wohl schwieriger als von vielen Marktteilnehmern erwartet“, schreibt Helaba-Analyst Reinwand mit Blick auf die USA. Anfällig seien US-Aktien auch aufgrund eines hohen Anteils kreditfinanzierter Käufe. Die DZ-Bank verweist dagegen auf ein für Aktienmärkte grundsätzlich positives Umfeld. Jens Wilhelm, Vorstandsmitglied der Fondsgesellschaft Union Investment, sieht es so: „Das Börsenjahr droht unruhig zu werden, da vieles im Umbruch ist.“