Seite der Macht
Comedian Michael Mittermeier rauscht in der Aalener Stadthalle durch Zeit und Raum
AALEN - Der Mann ist ein Phänomen: Nach einem lautstarken Auftakt mit Basswummern, Nebel und Suchscheinwerfern redet Michael Mittermeier drei Stunden fast am Stück, ohne Punkt und Komma. Das bunt gemischte Publikum in der nahezu ausverkauften Stadthalle quittiert’s mit allerlei Geräuschen, feinen und unfeinen. Doch dazu später.
So manche Zuschauerin giggelt ab dem Moment, als der Comedian lässig, frisch rasiert und geföhnt, in zwanglosen Jeans die Bühne betritt, und hört auch bis zum Schluss nicht mehr auf. Der mittlerweile 51-jährige Mittermeier ist so etwas wie der Rockstar unter den Comedians. Weltkiffertag, Global Marihuana March, dicke Kinder, sinnlose feuchte Träume, nicht funktionierendes Klopapier, die vier Heiligen Drei Königinnen, sächsische Dönerverkäufer, Pokémon-Sepp, Isis-Sepp, Albaner-Sepp: Die Brüller kommen im Halb-Minutentakt, „was soll der Scheiß?“
„Wild“heißt Mittermeiers aktuelles Programm, mit dem er seit gut einem Jahr unterwegs ist. Wobei, so ein ganz Wilder ist er nach 25 Jahren Bühnenpräsenz gar nicht mehr. Klar sind manche Witze politisch und nicht alle politisch korrekt. Aber das hat ja auch niemand erwartet. „Gauland im AfD-Spitzenteam? Jetzt kann sich keiner mehr rausreden“. Weitere Themen: Arschlecken im Vergleich der Sprachkulturen Deutschlands, Österreichs und Amerikas. Das Selbstverständnis der Deutschen: „Wir bauen umweltfreundliche Autos, beenden pünktlich unsere Großprojekte und alle flüchten vor uns? Nix mehr übrig davon.“Putin hat seine eigene Rockergang. Und wie heißt die von Merkel? „Hells Angies?“
Dabei haben es Mittermeier aber die wirklich wichtigen Dinge im Leben angetan. Drei Beispiele: Darth Vader, die dunkle Seite der Macht, der Wasserturm bei Onatsfeld und Menschen, die Selfies machen. Fake-Selfies, die hohe Selfie-Sterblichkeitsrate bei Fotos mit GrizzlieBären. „Natürliche Auslese“, sagt Mittermeier, „was soll der Scheiß?“
Und nun zur Reaktion im Publikum (neben der Dauerlärmkulisse kichernder Zuschauerinnen). Mitten hinein in eine Kunstpause ein Geräusch aus einer der vorderen Reihen. Michael Mittermeier greift bei seinen Inhalten tief ins richtige Leben. „Ich hoffe mal, das kam aus Ihrer Nase“, prustet Mittermeier, denn die Kunstpupser von Aalen, die seien ja weltberühmt. „Danke Aalen, Aaliens und Aalerinnen. Die Stadt mit dem berühmten Kunstpupser in DolbySurround“, schreibt er unmittelbar nach seinem Auftritt auf seiner Facebook-Seite – natürlich unter einem Selfie direkt aus der Stadthalle. „Ich wohne ja mitterweile in Facebook.“
Zum Schluss, und das beherrscht Michael Mittermeier meisterlich, versammelt er die gesamten Witzstränge des Abends zum großen Finale: Winnetou trägt George Bushs Armbanduhr, das dicke Kind taucht im Fitnessstudio wieder auf, der Onatsfelder Wasserturm gehört eigentlich auf den Berlin-Airport. Was soll der Scheiß? Schlussakkord.
Dem Regisseur Fritz Kortner wird das Zitat zugeschrieben „Ja, ich habe gelacht, aber weit unter meinem Niveau.“Ja, ich habe gelacht – und zwar aus vollem Hals.
„Die Fakten stimmen alle. Ich pimpe nur die Dialoge ein bisschen auf.“