Schulz wirft sich in die Bresche
Kämpferischer Auftritt des SPD-Kanzlerkandidaten in Schweinfurt – CSU-Chef Seehofer fordert große Steuerreform
SCHWEINFURT - „Martin! Martin!“Rufe und stehende Ovationen: Massive Rückendeckung gibt es für Martin Schulz beim Auftritt des sozialdemokratischen Kanzlerkandidaten am Sonntag auf dem Landesparteitag der Bayern-SPD in Schweinfurt. „Ich werde mich für unser Land in die Bresche schmeißen!“, ruft Schulz kämpferisch. „Wir haben eine Durststrecke hinter uns, harte Tage“, sagt er vor allem mit Blick auf die verheerende Niederlage seiner Partei bei der Landtagswahl in NordrheinWestfalen am vergangenen Sonntag. „Aber ich bleibe dabei: Ich trete an, um Bundeskanzler zu werden.“
Wieder braust Jubel auf von den Delegierten, wieder „Martin! Martin!“-Rufe. Durchhalteparolen oder neuer Kampfesmut? Schulz ruft zur Geschlossenheit auf, will das Kapitel nach den „Leberhaken“der vergangenen Wochen umschlagen und schaltet auf Angriff, vor allem gegen die Vorschläge aus CSU und Teilen der CDU für kräftige Steuersenkungen. „Nichts als hohle Versprechen“, attackiert Schulz, wirft der Union eine „unseriöse Finanzpolitik“vor und vollmundige Ankündigungen, „an die am Ende niemand mehr glaubt“.
CSU-Chef Seehofer hatte nach einer Vorstandsklausur im oberpfälzischen Schwarzenfeld am Wochenende seinen Ruf nach massiven Entlastungen nach der Bundestagswahl im September bekräftigt. Er machte deutlich, dass ihm die von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble (beide CDU) in Aussicht gestellten 15 Milliarden Euro nicht ausreichten.
Notwendig sei eine „große, wuchtige Steuerreform“, sagte Seehofer. Auf eine Zahl wollte er sich nicht festlegen, sagte aber, dank der sprudelnden Steuereinnahmen stünden „gigantische Beträge“zusätzlich zur Verfügung.
Bahnt sich da ein neuer Konflikt zwischen Merkel und Seehofer an? Will der Bayer die Kanzlerin wieder in die Enge treiben? Das Thema Steuern lag am Sonntag auch auf dem Tisch, als sich beide zunächst zu zweit und anschließend mit weiteren Unions-Spitzen zur Wahlkampfvorbereitung in Berlin trafen. Aber von einer Rückkehr der Streitigkeiten des vergangenen Jahres will niemand etwas wissen: „Zwischen Merkel und Seehofer passt kein Blatt“, verlautete aus der CSU-Spitze.
Von einer „ehrlichen Gemeinsamkeit“sprach Seehofer selbst, will auch den Zankapfel Flüchtlingsobergrenze nicht auspacken. Zwar solle eine Begrenzung auf maximal 200 000 Zuwanderer pro Jahr in den „Bayernplan“, mit dem die CSU in den Wahlkampf zieht. Doch sei seine Partei in den Gesprächen über das gemeinsame Wahlprogramm der Schwesterparteien „sehr ruhig, unaufgeregt, konsensorientiert“.
Rückenwind für Kanzlerin
Kuschelkurs statt neuer Streit – das ist also die Devise. Merkel hat durch die drei gewonnenen Landtagswahlen und ihre wiedererstarkten Umfragewerte kräftigen Rückenwind erhalten. Da schickt es sich für Seehofer nicht an, erneut zu sticheln und die Kanzlerin infrage zu stellen. Stattdessen wird der Schulterschluss demonstriert. Am heutigen Montag treffen sich beide schon wieder bei einer Konferenz der Fraktionsvorsitzenden der CDU und CSU in München. Und am Dienstagabend folgt ein gemeinsamer Bierzelt-Auftritt in der bayrischen Landeshauptstadt. Das werde eine „bombastische Veranstaltung“, freut sich Seehofer.
Geschlossene Reihen in der Union, Merkel und Seehofer Seit‘ an Seit‘: Für SPD-Herausforderer Martin Schulz sind das keine guten Voraussetzungen, um seinen Umfragerückstand wieder wettzumachen. Auf zwölf Punkte hat die Union ihren Vorsprung in jüngsten Umfragen wieder ausgebaut. Von Kapitulation will Schulz aber nichts wissen, erklärt die Bundestagswahl am Sonntag in seiner Kampfrede vor der Bayern-SPD zur „Richtungswahl“.
„CDU und FDP wollen milliardenschwere Steuergeschenke verteilen, von denen diejenigen, die es nicht nötig haben, am meisten profitieren“, ruft er in Schweinfurt und beschwört seine Alternative: „Wir schaffen durch Investitionen Gerechtigkeit. Das ist das Programm der SPD für diesen Wahlkampf.“Entlastungen für Eltern durch gebührenfreie Kitas, eine Million neue Ganztagsschulplätze, Abrüstungsverhandlungen statt höhere Verteidigungsausgaben und ein Programm für eine „permanente Weiterqualifizierung“von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern – all dies gehört zum Schulz-Angebot.
Der Rückhalt der Bayern-SPD ist ihm sicher: „Wir werden nicht von Deiner Seite weichen“, versprach ihm die neuen Landesvorsitzende, Natascha Kohnen, in Schweinfurt. „Einer für alle, alle für einen!“Balsam für den angeschlagenen Kandidaten. Heute beginnt der SPD-Parteivorstand in Berlin mit seinen Beratungen über Schulz‘ „Regierungsprogramm“.