Die fetten Jahre sind nicht vorbei
Zahl der Fettleibigen steigt weltweit – In Deutschland sind zwei Drittel der Männer zu dick
BERLIN (dpa) - Übergewicht und Fettleibigkeit können schwerwiegende Auswirkungen auf die Gesundheit haben. Zwei neue Studien zeigen, wie groß das Problem ist. Weltweit nimmt die Zahl der Fettleibigen zu – und besonders Deutschland hat ein Gewichtsproblem.
Es sind erschreckende Zahlen: Nach Angaben von Forschern des Institute for Health Metrics and Evaluation (IHME) in Seattle waren im Jahr 2015 rund 2,2 Milliarden Menschen zumindest übergewichtig. Das sind rund 30 Prozent der Weltbevölkerung. „Übermäßiges Körpergewicht ist eines der schwierigsten Gesundheitsprobleme der Gegenwart und betrifft fast jeden dritten Menschen“, sagt Erstautor Ashkan Afshin vom IHME. Übergewicht definiert man im Groben über den Körpermasse-Index (BMI) von 25 bis 30. Bei höherem BMI sprechen Mediziner von Fettleibigkeit (Adipositas). Dabei wird das Gewicht (in Kilogramm) durch das Quadrat der Größe (in Metern) geteilt.
Im Jahr 2015 waren der Studie zufolge rund 108 Millionen Kinder und 604 Millionen Erwachsene fettleibig. Bei der Rate fettleibiger Kinder und junger Erwachsener sind unter den 20 bevölkerungsreichsten Ländern die USA mit einem Anteil von 13 Prozent Rekordhalter. Bei Erwachsenen ist Fettleibigkeit in Ägypten mit einem Anteil von etwa 35 Prozent am weitesten verbreitet.
In Deutschland sind zwei Drittel der Männer und die Hälfte der Frauen übergewichtig. Das geht aus den jüngsten von 2008 bis 2011 erhobenen Zahlen des Robert-Koch-Instituts (RKI) hervor. Ein Viertel der Erwachsenen ist adipös – Tendenz steigend. Bei den Kindern und Jugendlichen waren zuletzt rund 16 Prozent übergewichtig und 6,3 Prozent adiwegen pös. Das ist ein Anstieg um 50 Prozent, wenn man Vergleichswerte aus den 1980er- und 1990er-Jahren zugrunde legt.
Zumindest bei den Kindern gebe es einen ersten Hoffnungsschimmer: Der Anteil Übergewichtiger bei den Einschulungsuntersuchungen sei seit einigen Jahren stabil, in einigen Bundesländern wie etwa Thüringen sogar rückläufig, sagt der Ernährungswissenschaftler Helmut Heseker von der Universität Paderborn, der zugleich Präsidiumsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) ist. Gerade für Kinder und Jugendliche sei Übergewicht der massiven Langzeitfolgen fatal. Bei den Erwachsenen sei vor allem die Entwicklung problematisch, dass zwar die Zahl der leicht Übergewichtigen (BMI 25-30) inzwischen stagniere, die Dicken aber immer dicker würden. „Wer mit 40 Jahren adipös ist, hat statistisch eine um fünf bis acht Jahre reduzierte Lebenserwartung.“Zudem litten solche Menschen meist viele Jahre an chronischen Krankheiten. Von einmal angelegtem Übergewicht wieder wegzukommen, sei oft extrem schwer, weil der Körper immer wieder auf sein früheres Höchstgewicht zusteuere, erklärt Heseker. Die Folgen von Übergewicht sind fatal: Mit der Zahl adipöser Schwangerer steige nicht nur die Zahl direkter Komplikationen etwa bei der Geburt, sondern auch das Risiko ihrer Kinder, selbst später an Übergewicht und damit verbundenen Krankheiten zu leiden. Der aktuellen Studie zufolge starben 2015 weltweit etwa vier Millionen Menschen an den Folgen ihres Übergewichts. Todesursachen waren in zwei Dritteln der Fälle HerzKreislauferkrankungen. Es folgten Diabetes (15 Prozent) sowie chronische Nierenerkrankungen und Krebs (unter zehn Prozent).
Zu viel Kalorien, zu wenig Energieverbrauch
Vor einem Jahr war eine Studie im Fachblatt „The Lancet“zu einer anderen Zahl von Fettleibigen gekommen. Demnach zählten 2014 gut 640 Millionen Menschen ab 18 Jahren dazu – 266 Millionen Männer und 375 Millionen Frauen. Solche weltweiten Berechnungen beruhten auf einer Kombination von Studien, deren Daten hochgerechnet würden, sagt Frank Jakobus Rühli vom Institut für Evolutionäre Medizin der Universität Zürich, Koautor der „Lancet“-Veröffentlichung. „Das ist immer etwas unsicher.“Dennoch spiegeln die zunehmenden Zahlen einen wichtigen Trend wider, so Rühli. „Das ist insbesondere bei Jugendlichen ein Problem“, sagt er. Es gebe heutzutage mehr Möglichkeiten, übermäßig Kalorien aufzunehmen, gleichzeitig sinke bei vielen Menschen der Energieverbrauch.
Der menschliche Körper sei von der Evolution darauf getrimmt worden, auf Hunger und Zeiten des Mangels zu reagieren, erklärt DGE-Präsident Heseker. Dieser Effekt sei mit ein Grund dafür, dass gerade in Ländern, in denen Hunger vor ein, zwei Generationen noch alltäglich war, die Zahl Übergewichtiger so massiv in die Höhe schnelle.