Möbelkauf im Morgengrauen
Was 80 000 Besucher und mehr als 1000 Händler auf den 24-Stunden-Flohmarkt in Konstanz und Kreuzlingen lockt
KONSTANZ - Es ist still auf der Hauptverkehrsader von Konstanz. Kein Auto fährt. Ein paar Vögel beginnen zaghaft zu zwitschern. Langsam bricht die Dämmerung an. Die Luft ist immer noch drückend warm. Alan Kirchgässner und Markus Keller trotzen der Stille – und wachen über ihre Schätze.
Die beiden haben einen der 1000 Stände auf dem 24-StundenFlohmarkt in Konstanz. Sie stehen an der Hauptroute, der „Unteren Laube“. Die Straße führt vom Rhein in Richtung Kreuzlingen. Hier warten Kirchgässner und Keller auf ihre Kunden – um vier Uhr morgens. Bunte Lampen beleuchten Bilderrahmen, Spielsachen, Bücher und Porzellan. Alles ist auf einem langen Tisch drapiert, die Raritäten werfen kleine Schatten auf ein weiße Decke.
Zum 40. Mal ist Alan Kirchgässner schon dabei. Angefangen hat er, als der Flohmarkt noch mit wenigen Ständen an der Stephanskirche in der Altstadt angesiedelt war. Von Jahr zu Jahr wurde der Nachtflohmarkt größer. Mittlerweile sind Stände auf der der Innenstadt gegenüberliegenden Rheinseite aufgebaut. Der Markt verbindet zwei Länder, und das für 24 Stunden.
Jedes Jahr aufs Neue sammelt Kirchgässner Trödel und Kunst zusammen, um auf dem grenzüberschreitenden Flohmarkt zu verkaufen. „Das ist wie eine Sucht“, sagt sein Standkollege Markus Keller. „Für einen Konstanzer ist dieser Markt einfach ein fester Bestandteil im Jahresablauf. Das gehört dazu wie das Weinfest oder die Fasnet.“
Nur nicht einschlafen
Um sieben Uhr früh haben sie am Samstagmorgen angefangen ihren Trödel vorzubereiten und den Stand aufzubauen. Um 19 Uhr ging der Verkauf offiziell los – und dann erst fiel auch der Startschuss für die 24 Stunden. Die beiden harren aus, sie gehen jedes Jahr erst am Sonntagabend wieder nach Hause. „Mir fällt es leichter, die 24 Stunden am Stück wach zu bleiben, als zwischendurch nach Hause zu gehen, um zu schlafen“, sagt Kirchgässner.
Viele der Händlerkollegen würden etwa gegen drei Uhr ihren Stand zudecken und für ein paar Stunden nach Hause fahren. „Aber dann verpassen sie oft den besten Verkaufszeitpunkt“, erklärt Kirchgässner. 40 Jahre Flohmarkterfahrung haben ihn viel gelehrt: Am meisten Trödel gehe zwischen 19 und ein Uhr am ersten Verkaufstag über die Standtheke. Danach flaue das Geschäft immer etwas ab. „Morgens geht es dann etwa um sechs Uhr weiter, wenn die ersten Schnäppchenjäger aufwachen“, sagt der Flohmarktverkäufer.
Camping neben dem Stand
Wer dann nicht an seinem Stand ist, habe eben Pech gehabt. Außerdem wollen die beiden ihre Ware nicht allein lassen. Falls doch ein Unwetter aufkommt oder betrunkene Passanten versuchen sollten, den Stand umzuwerfen, sind sie vor Ort – in 40 Jahren 24-Stunden-Flohmarkt ist alles schon vorgekommen.
Wer nicht wach bleiben kann, aber nicht nach Hause fahren will, der bringt ein Zelt mit, campt neben seinem Stand. Manche schlafen auch auf tragbaren Liegen und Campingstühlen. Die Müdigkeit übermannt die meisten Verkäufer zwischen drei und vier Uhr.
Dann sei der erste Kaufrausch der Besucher vorbei, erzählt Tobias Sailer. Er wohnt seit 21 Jahren in Konstanz und versucht jedes Jahr, auf den 24-Stunden-Flohmarkt zu gehen. „Die besten Schnäppchen macht man gegen ein Uhr morgens“, sagt der Sammler.
Ausgestattet mit einem Kopflicht und einem geräumigen Rucksack streift er über den Markt, auf der Suche nach Büchern und Spielsachen für seine Kinder. „Morgens um vier Uhr, wenn die Altstadtgassen leer sind, dann kann man große sperrige Gegenstände kaufen und transportieren“, rät er Flohmarktbesuchern auf Möbelsuche.
Während er weiter streift, wird es dunkler über dem Markt. Viele Händler zünden Kerzen an und hängen Lampionketten auf. Auf beiden Seiten des Rheinufers glitzern die Stände. Mit Licht und Musik buhlen sie um die Aufmerksamkeit der rund 80 000 Besucher.
Diese Atmosphäre reizt Alan Kirchgässner und Markus Keller jedes Jahr aufs Neue. „Einmal im Jahr sind wir wirklich die ganze Nacht auf der Gasse und spüren dieses Weltenbummlerflair in der Stadt“, sagt Keller. Die 24 Stunden sind mühsam, am Sonntagabend sind sie erschöpft und wollen einfach nur nach Hause. Aber für das kommende Jahr reservieren sie auf jeden Fall wieder einen Stand. Denn die Plätze sind beliebt bei Flohmarkthändlern: Um ihren Stammplatz an der Laube wieder zu ergattern, haben sie sich den Stichtag zur Anmeldung im Januar 2018 bereits notiert.