„Wir müssen die Sprache der Kinder verstehen lernen“
Stiftung Präventive Jugendhilfe feiert ihr 25-jähriges Bestehen – Marie Herzogin von Württemberg ist seit 2005 Vorsitzende und Schirmherrin
FRIEDRICHSHAFEN - Mit 200 geladenen Gästen, darunter Sozialminister Manfred Lucha, feiert die Stiftung Präventive Jugendhilfe am Sonntag, 16. Juli, im Schloss Friedrichshafen ihr 25-jähriges Bestehen. Vorsitzende und Schirmherrin der landesweit aktiven Stiftung ist Marie Herzogin von Württemberg. 2005 hat sie diese Aufgabe von ihrem Schwiegervater, Carl Herzog von Württemberg, übernommen. Zusammen mit der evangelischen Sophienpflege in Tübingen und der katholischen Marienpflege in Ellwangen rief der Chef des Hauses Württemberg 1992 die Stiftung ins Leben und knüpfte damit an eine Tradition des Hauses an. Beide Einrichtungen sind nach den Töchtern von König Wilhelm I. von Württemberg benannt.
Ihre Mittel, die zu einem großen Teil aus Spenden und zu einem kleinen Teil aus den Erlösen des Stiftungskapitals von derzeit 600 000 Euro bestehen, setzt die Stiftung vor allem projektbezogen ein. „Weil wir klein sind, können wir spontan agieren und Projekte fördern, die sonst keine so große Beachtung finden“, sagt Marie Herzogin von Württemberg. Sie arbeitet, wie alle Mitglieder im Stiftungsrat, ehrenamtlich. Als Mutter von drei Kindern, die privilegiert aufgewachsen sind und daher in vielerlei Hinsicht gefördert werden konnten, liege ihr die Unterstützung benachteiligter Kinder und Jugendlicher am Herzen. „Hier habe ich die Möglichkeit, mich aktiv einzubringen und etwas zu bewegen“, sagt Marie Herzogin von Württemberg.
Unvergessliche Erlebnisse
„Die Stiftung Präventive Jugendhilfe hat den Auftrag, auf sozialwissenschaftlicher Basis Erkenntnisse über die Lebenslagen junger Menschen, insbesondere gefährdeter Kinder und Jugendlicher, zu sammeln, zu erweitern, zu verbreiten und darauf aufbauend gemeinwesenorientierte, lebensfeldbezogene Jugendhilfeangebote zu fördern.“So steht es in der Satzung vom 6. Oktober 1992. Siegfried Hoch, der damals die Sophienpflege in Tübingen leitete, war Mitinitiator der Stiftung und ist bis heute im Vorstand. Wenn er von den Anfängen erzählt, bekommt er heute noch leuchtende Augen. Wie Carl Herzog von Württemberg eigentlich nur eine Stunde in seinem Kinderheim bleiben wollte und einen ganzen Nachmittag dort verbrachte. In der Folge habe er immer wieder eine Gruppe von Kindern ins Schloss Altshausen eingeladen. Das sei für die Kinder, die noch nie ein Schloss von innen gesehen hätten, geschweige denn einem Adeligen begegnet sind, jedes Mal ein unvergessliches Erlebnis gewesen.
Die Idee, eine Stiftung ins Leben zu rufen, sei nach der Wende entstanden, als die Kinder- und Jugendhilfe immer stärker auf Prävention setzte. „Je früher wir an die Kinder herankommen, desto eher können wir etwas bewegen“, sagt Hoch. „Wir müssen Orte der sozialen Bildung schaffen, an denen sich Eltern und Kinder treffen können.“Zusammen mit dem Leiter der katholischen Marienpflege in Ellwangen, Erwin Knam, holten sie Carl Herzog von Württemberg ins Boot. Er habe sich zwar auch finanziell engagiert, aber was noch wichtiger gewesen sei, er habe die Schirmherrschaft übernommen und ihnen Türen geöffnet. Beide Kirchen engagierten sich und auch Unternehmer wie Prof. Walter Jäger mit seinem Tübinger Institut oder der Reutlinger Architekt Wolfgang Riehle waren von Anfang an mit von der Partie.
Prominenz auf dem Podium
Mit den Jahren etablierten sich zwei Formate, die die Stiftung landesweit bekannt gemacht haben. Der „Dialog im Schloss“und der „Präventionspreis – Der Jugend eine Zukunft geben“, 2005 umbenannt in „Herzogin Marie Preis“, haben sich zu Eckpfeilern der Stiftung entwickelt. Alle zwei Jahre lädt die Stiftung Menschen zum „Dialog im Schloss“nach Friedrichshafen ein, um über aktuelle Themen der Kinder- und Jugendbildung zu sprechen. Auf dem Podium saßen schon Olympiasieger, Bischöfe, Ministerpräsidenten und Fachleute aus Wissenschaft und Wirtschaft. 2015 als Tausende Flüchtlinge über die Grenzen nach Deutschland kamen, darunter viele unbegleitete Minderjährige, war das Thema „Willkommenskultur in der Zerreißprobe“. Die Gäste werden um Spenden gebeten, mit denen dann im darauffolgenden Jahr der mit 10 000 Euro dotierte „Herzogin Marie Preis“ausgelobt wird. „Mit dem Preis wollen wir neue Ansätze der vorbeugenden Jugendhilfe fördern und sie ins Rampenlicht rücken“, sagt Herzogin Marie. Vergangenes Jahr ging der Preis an die Martin Bonhoeffer Häuser in Tübingen, wo junge Flüchtlinge in Wohngruppen von Haupt- und Ehrenamtlichen begleitet und betreut werden. Besonders am Herzen liegen Marie Herzogin von Württemberg musische Projekte wie das Musiktheaterprojekt „Hey, da geht noch was“, das die Stiftung in Tübingen und Ellwangen förderte. Musik und Tanz seien Ausdrucksformen, die jeder verstehe und die ein Wir-Gefühl erzeugen, das Kinder und Jugendliche brauchen, zumal jene, die ohne Eltern aufwachsen.
Gerade in einer Zeit, in der Familienbande brüchig sind, Kinder nicht selten zwischen die Fronten geraten, vernachlässigt und missbraucht werden, gelte es, aufmerksam für ihre Bedürfnisse zu sein und genau hinzuhören. „Wir müssen die Sprache der Kinder verstehen lernen“, sagt Herzogin Marie. Dazu seien auch gut ausgebildete und engagierte Pädagogen und Psychologen nötig.