Gerichtshof stoppt Abkommen mit Kanada zu Fluggastdaten
Rechte von Bürgern auf Schutz ihrer persönlichen Informationen gestärkt – Folgen für die geplante europäische Passagierdatenbank
BRÜSSEL - Die Nachricht hat weitreichende Folgen: Wie der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Mittwoch entschieden hat, ist das Abkommen mit Kanada über die Weitergabe von Fluggastdaten in seiner jetzigen Form nicht mit europäischem Recht vereinbar. Das Europäische Parlament hatte der Vereinbarung 2014 unter Bauchschmerzen zugestimmt und gleichzeitig den EuGH um eine Stellungnahme gebeten. Das nun veröffentlichte Gutachten stellt auch ähnliche Abkommen mit den USA und Australien sowie die geplante europäische Passagierdatenbank infrage.
Wie bereits in seinem Urteil gegen die Speicherung von Kommunikationsdaten ohne Anfangsverdacht (Vorratsdatenspeicherung) machte der EuGH klar, dass derart gravierende Einschnitte in die Privatsphäre nur zulässig sind, wenn es bei einem Reisenden konkrete Anzeichen für ein erhöhtes Terrorrisiko gibt. Andernfalls dürfen die Daten nicht, wie im Kanada-Abkommen vorgesehen, fünf Jahre gespeichert werden. Sie müssen vielmehr nach dem Ende der Reise sofort gelöscht werden.
Vorbehalte meldete der EuGH auch dagegen an, dass Daten erhoben werden, die Rückschlüsse auf die religiöse Einstellung, politische Haltung oder den Gesundheitszustand zulassen. Denn neben dem Namen, den Reisedaten und der Kreditkartennummer werden auch Diätwünsche gespeichert, die Hinweise auf religiöse Speisevorschriften, Allergien oder Erkrankungen geben können.
Über die PNR-Daten (Passenger Name Record) tobt zwischen Datenschützern und Grünen auf der einen Seite sowie sicherheitsorientierten Politikern auf der anderen Seite ein Streit. Der im EU-Parlament für das Thema zuständige grüne Abgeordnete Jan Philipp Albrecht sieht ein Ungleichgewicht zwischen der massenhaften Verletzung der Intimsphäre und dem kaum nachweisbaren Ertrag der Sammelwut. Er argumentiert, dass Geheimdienste in der Datenfülle ersticken und echte Risikofaktoren wie die Stecknadel im Heuhaufen suchen müssen. Sinnvoller sei es, die Zusammenarbeit der Dienste und den Austausch personenbezogener Erkenntnisse zu verbessern.
„Ein Weiter so bei den bisherigen Regeln zur Fluggastdatenanalyse kann es nach diesem Gutachten nicht geben. Zudem muss auch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs zur Rechtswidrigkeit anlassloser Vorratsdatenspeicherungen endlich in den Mitgliedstaaten umgesetzt werden“, schlussfolgert Albrecht. Auch seine liberale Kollegin Sophie In‘t Veld sieht ihre Bedenken bestätigt: „Das Gericht hat nicht grundsätzlich ausgeschlossen, dass personenbezogene Daten verwendet werden dürfen, aber sensible Daten wie die Religionszugehörigkeit dürfen nicht ohne Anfangsverdacht gesammelt werden.“Außerdem müssten die Daten gelöscht werden, sobald die betreffende Person das kanadische Hoheitsgebiet verlassen hat, sagt sie.
Auf die Gesetzgeber kommt nun viel Arbeit zu. Die europäische Passagierdatenrichtlinie muss ebenso überarbeitet werden wie PNR-Abkommen mit den USA und Australien. Noch schwieriger wird die Lage für die Fluggesellschaften. Aufgrund entsprechender Heimatschutzgesetze erhalten sie in diesen Ländern nur eine Landeerlaubnis, wenn sie zuvor die Passagierdaten übermittelt haben. Nun aber könnten sie von ihren Kunden dafür haftbar gemacht werden, dass deren Daten so behandelt werden, wie es der EuGH will.