Trump erneuert Warnung
Nordkorea solle „sehr, sehr nervös“sein
SEOUL/WASHINGTON (dpa) - Mit Sorge verfolgt die Welt das verbale Aufrüsten zwischen den USA und Nordkorea. US-Präsident Donald Trump hält seine „Feuer-und-Wut“Äußerung an die Adresse Nordkoreas für möglicherweise nicht scharf genug. Nordkorea sollte „sehr, sehr nervös“sein, wenn es auch nur an einen Angriff auf die USA denke. Das Land solle sich zusammenreißen, andernfalls gäbe es Schwierigkeiten, wie sie nur wenige Länder erlebt hätten. Er fügte an, die USA müssten Verhandlungen jederzeit erwägen.
Die Lage bleibt vor dem Hintergrund der atomaren Bewaffnung der Länder hochbrisant – auch für Südkorea. Das Land warnte den kommunistischen Norden mit ungewohnt klaren Worten. Südkoreas Streitkräfte erklärten, sollte das Nachbarland seine „Provokationen“nicht unterlassen, werde es „die harte und resolute Vergeltung der Alliierten“zu spüren bekommen.
SEOUL - Auch wenn die Zehn-Millionen-Metropole Seoul gerade einmal 55 Kilometer von der nordkoreanischen Grenze entfernt liegt, ist von Krisenstimmung im Stadtbild nichts zu spüren: Rund um den Rathausplatz strömen die Angestellten gegen Mittag in die Restaurants, ältere Frauen verteilen Werbeflugblätter, Touristen flanieren am restaurierten Cheonggyecheon-Bach entlang.
Die Drohungen aus dem Norden der koreanischen Halbinsel lassen die Menschen hier ziemlich kalt. „Die meisten Koreaner sind gerade viel mehr besorgt wegen der Sommerhitze“, sagt die 23 Jahre alte Studentin Lee Ji-yoon, die im Moment ein Praktikum im Stadtzentrum von Seoul absolviert: „Nordkorea versucht ja seit Ewigkeiten, die Welt zu bedrohen. Die meisten von uns denken, dass das schon wieder vorbeigehen wird.“
Ein Gefühl von Fatalismus
Für Lars-André Richter, den Leiter der Friedrich-Naumann-Stiftung in Seoul, ist die öffentliche Meinung jedoch nur bedingt ein Indikator für den Ernst der Lage: „In der Gelassenheit der Leute steckt immer auch ein wenig Fatalismus.“In seinen bisher fünf Jahren in Seoul habe er zwar schon einige Nordkorea-Krisen erlebt. So angespannt wie jetzt sei die Lage aber noch nie gewesen: „Das liegt wohlgemerkt nicht nur an (USPräsident Donald) Trump, sondern vor allem an den Fortschritten der nordkoreanischen Atom- und Raketenpolitik.“
Bislang hat die deutsche Botschaft keine Reisewarnung für Südkorea herausgegeben oder interne Sicherheitsmeetings einberufen. Unter vorgehaltener Hand lässt sich jedoch in diplomatischen Kreisen eine gewisse Angespanntheit feststellen.
Für den südkoreanischen Präsidenten Moon Jae-in ist die Krise eine Gratwanderung zwischen seinen pazifistischen Überzeugungen und dem sich zuspitzenden Konflikt. Bisher hatte der linksliberale Staatschef auf einen Entspannungsdialog gesetzt. Nachdem Nordkoreas Außenminister das Gesprächsangebot jedoch als „unaufrichtig“abgelehnt hat, setzt Seoul wieder auf militärische Stärke. Sollte der Norden seine „Provokationen“nicht umgehend unterlassen, werde Südkorea gemeinsam mit seinen Alliierten „harte und resolute Vergeltung“üben, sagte Generalstabschef Roh Jae-cheon.
Präsident Moon sprach sich für eine Neuformierung seines Militärs aus. „Ich glaube, uns hilft jetzt nur noch eine komplette Verteidigungsreform als eine Art Wiedergeburt anstelle von einigen Verbesserungen oder Modifizierungen“, sagte er an seinem Amtssitz im Blauen Haus von Seoul. „Anders können wir uns gegen Nordkoreas Atom- und Raketenprogramm nicht mehr zur Wehr setzen.“
Im Wahlkampf Mitte Mai hatte Moon noch eine „neue Vision für Frieden auf der koreanischen Halbinsel“verkündet. Dafür war er auch bereit, den nordkoreanischen Diktator Kim Jong-un persönlich zu treffen. Es brauche eine vertrauensbildende Politik und den Austausch zwischen den Menschen. Konkret schlug er Militärgespräche und weitere Familientreffen zwischen Nord und Süd vor. Der angebotene Termin 27. Juli, Jahrestag des Waffenstillstands von 1953, ist jedoch längst verstrichen.
Trotzdem verfolgt Südkorea weiter eine Doppelstrategie aus Sanktionen und Dialog. Den neuen Staatschef treibt die Sorge um, dass sich die Lage bis zu einem Krieg zuspitzen könnte. „Die Realität sieht so aus, dass es eine hohe Wahrscheinlichkeit für einen militärischen Konflikt entlang der Demarkationslinie gibt“, wird Moon zitiert.
Opposition für Atomsprengköpfe
Der konservativen Opposition gehen die Verteidigungspläne der Regierung nicht weit genug. Die LibertyKorea-Partei rief dazu auf, dass das US-Militär atomare Sprengköpfe auf südkoreanischem Boden stationieren solle: „Frieden werden wir nicht erreichen, wenn wir darum betteln, sondern nur durch eine Machtbalance“, sagte Parteivorsitzender Hong Joon-pyo.
Die nordkoreanische Volksarmee erneuerte unterdessen am Donnerstag ihre Androhung eines Raketenangriffes auf die US-Pazifikinsel Guam. Lars-André Richter von der Friedrich-Naumann-Stiftung glaubt dennoch, dass Nordkorea mit seinen Provokationen vor allem Aufmerksamkeit erreichen möchte, die das Land auch für innenpolitische Zwecke ummünzt. „Kim Jong-un und seine Entourage wollen der Welt zeigen, dass es sie gibt“, sagt Richter: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich das Land ins offene Messer stürzen will.“