Tierschützer befürchten Insektensterben
Zahl der Käfer, Schmetterlinge und Bienen im Ries geht zurück
NÖRDLINGEN - Grillen zirpen. Schmetterlinge flattern von Blüte zu Blüte. Ein Grashüpfer springt über eine Wiese. Keine zehn Meter weiter ist eine frisch gemähte Grünfläche. Kein Zirpen. Keine Schmetterlinge. Keine Grashüpfer. Katherina Grimm von der Unteren Naturschutzbehörde Donau-Ries steht auf einer Grünfläche in der Nähe von Harburg und erklärt: „Früher, vor der Flurbereinigung, war hier viel mehr Vielfalt.“Weniger Pflanzen bedeuteten auch weniger Arten.
Auf einem Quadratmeter der gemähten Wiese würden nur noch fünf bis acht Pflanzenarten wachsen, auf der naturbelassenen gleich daneben seien es dagegen 25 bis 30. Neben Gräsern blühen Karthäuser-Nelken, Sonnenröschen oder Thymian darauf. Direkt betroffen von dieser Entwicklung sind die Insekten im Landkreis. Grimm verdeutlicht an einem Beispiel, was das Fehlen weniger Pflanzen bedeutet: „Nehmen wir den Ameisenbläuling, ein Schmetterling, der zwei Voraussetzungen braucht.“Zur Fortpflanzung wird das Rosengewächs Wiesenknopf benötigt, denn darin legt der Schmetterling Eier ab. Die geschlüpften Raupen fallen später herunter und werden von Ameisen in ihr Nest gebracht. Durch einen Duftstoff, ähnlich der Ameisenlarven, Karlheinz Götz, Bauernverband suggeriert die Raupe ihre Zugehörigkeit zum Ameisenvolk. Wie beim Kuckuck lässt das Insekt sich füttern oder ernährt sich von den Larven im Nest. Die Raupe überwintert verpuppt, um im darauffolgenden Sommer als Schmetterling davonzufliegen. „Im Donau-Ries gibt es Flächen an der Wörnitz, die für den Ameisenbläuling geeignet sind“, sagt die Expertin. Viele Tierarten würden nur von bestimmten Pflanzen profitieren. Feldhasen brauchen Kräuter für ihre Muttermilch. Fehlt die Pflanze, können die Jungtiere nicht ausreichend versorgt werden, sagt Grimm.
Johannes Ruf vom Rieser Naturschutzverein wundert sich: „Die Lebensräume sind wie im Wemdinger Ried intakt, trotzdem geht die Zahl der Insekten in diesem Gebiet zurück.“Besonders die Wildbienen seien weniger geworden. Eine Erklärung dafür hat er nicht, nur eine Vermutung. Die Lebensräume lägen nah an intensivgenutzten Äckern. Insektenschutzmittel könnten auch durch den Wind verteilt werden. Auch würden die Tiere zur Nahrungssuche ihren „intakten Lebensraum“verlassen und womöglich auf gespritzten Feldern suchen.
Reimut Kayser vom Landesbund für Vogelschutz sagt: „Es gibt einfach zu wenig Pflanzen für die Insekten.“Der Zustand sei deutschlandweit kritisch und würde sich weiter verschlechtern. Auch Vogelarten seien von diesen Entwicklungen betroffen. „Singvögel oder beispielsweise Rebhühner brauchen Insekten, um ihre Jungen aufzuziehen.“Katherina Grimm nennt mehrere Faktoren für das Insektensterben. Neben der Flurbereinigung seien das vor allem: der Klimawandel, die Überdüngung, der Einsatz von Pestiziden und die Versiegelung der Flächen.
Karlheinz Götz, Kreisobmann vom Bauernverband Donau-Ries, nennt Zahlen: „Täglich werden rund 18 Hektar Land in Bayern bebaut, darunter sind Äcker, Wiesen und Wälder.“Er sieht das Problem vor allem in der Anzahl der landwirtschaftlichen Betriebe: „Von der EU kommen immer mehr Auflagen bei der Tierhaltung.“Das führe dazu, dass immer mehr Betriebe schließen würden. Demnach gibt es weniger Bauern, die mehr Felder bewirtschaften. „Statt alte Pflanzen für das Viehfutter wie Luzerne anzubauen, wird dann eben Mais oder Weizen angebaut.“Aus seiner Sicht ist aber die Situation der Insekten im Donau-Ries nicht so schlecht.
Überhaupt gibt es allerdings laut Götz keine verlässlichen Studien. „Angeblich seien die Insekten um 80 Prozent zurückgegangen, gemessen wurde aber nur an zwei Standorten in Nordrhein-Westfalen“, erklärt der Kreisobmann. Deswegen müsse die Studie nicht unbedingt für den Landkreis zutreffen. Seiner Meinung nach muss die Politik selber ausführliche Langzeitstudien erheben, auch hier im Landkreis.
Lieber Mähwerke mit Doppelmessern einsetzen
Was kann also gegen das Insektensterben getan werden? Eine einfache Möglichkeit ist laut Katherina Grimm schon auf die Kreiselmäher mit Walze zu verzichten, die auf Wiesen eingesetzt werden. Insekten würden durch diese Methode getötet. „Mähwerke mit Doppelmessern sind schonender für die Felder“, erklärt sie. Auch weniger zu düngen, sei ratsam.
Reimut Kayser sieht daneben auch die Verbraucher in der Pflicht: „Viele sparen bei den Lebensmitteln, kleine Bauern können dadurch mit den großen Betrieben nicht konkurrieren und müssen schließen.“
„Statt alte Pflanzen für das Viehfutter wie Luzerne anzubauen, wird dann eben Mais oder Weizen angebaut.“