Und plötzlich bist du ein Star
Ein überragender Charly Hübner in „Magical Mystery“nach Sven Regeners Vorlage
Techno ist die Musikrichtung, die man wohl am wenigsten mit Sven Regener verbindet. Mit seiner Band Element of Crime machte er erst englischsprachigen Wave-Pop, bevor er erfolgreich auf melancholische Chansons mit unverbrauchten deutschen Texten umschwenkte. Dennoch gelingen ihm in seinem Roman „Magical Mystery“tiefgehende und sehr witzige Einblicke in den Irrsinn der deutschen Techno-Szene Mitte der 1990er-Jahre. Darüber hinaus erzählt er von einer Rückkehr ins Leben auf eine sehr ungewöhnliche Weise.
Denn im Mittelpunkt steht Karl Schmidt, einer der beliebtesten Figuren aus dem 2003 verfilmten Roman „Herr Lehmann“. An dessen Ende erlitt der Künstler Karl Schmidt statt des erhofften Durchbruchs einen Zusammenbruch und musste in eine Klinik eingeliefert werden. Fünf Jahre später lebt der an Psychosen und Depressionen leidende Karl (Charly Hübner) nun in Hamburg-Altona in einer betreuten WG. Da holt ihn plötzlich die Vergangenheit ein, als er auf Raimund (Marc Hosemann), einen Kumpel aus alten Tagen, trifft. Der ist als Besitzer des Techno-Labels Bumm Bumm Records zu sehr viel Geld gekommen. Allerdings vermisst Mit-Eigentümer Ferdi (Detlev Buck, der in „Herr Lehmann“noch den Karl spielte) die Anerkennung für die elektronischen Klänge seiner Künstler. Also liefert er kurzerhand den ideologischen Überbau: Mit einer von den Beatles inspirierten „Magical Mystery Tour“soll es per Bus quer durch die Republik gehen und Musik aufgelegt werden. Und Karl, der sämtlichen Drogen außer Kaffee und Zigaretten abgeschworen hat, wird als der ideale Fahrer und Babysitter für die Truppe auserkoren.
Dem Tourplan entsprechend ist der Film episodisch angelegt. An klassischer Handlung wird nicht allzuviel geboten. „Stromberg“-Regisseur Arne Feldhusen baut dafür ganz auf sein erstklassig besetztes Figurenensemble. Vor allem Charly Hübner („Polizeiruf 110“) ist als stoischer Karl eine Naturgewalt. Es ist ein Erlebnis zu sehen, wie er sich trotz gelegentlicher Rückschläge ins selbstbestimmtere Leben zurückarbeitet.
Durchtanzte Clubnächte
Reizvoll ist zudem der Blick auf eine, aus heutiger Perspektive, unschuldig wirkende Zeit, in der im Musikgeschäft alles möglich schien. Die Bumm-Bumm-Macher und DJs sind von ihrem eigenen Erfolg überrascht, auch Außenseiter und nicht übermäßig helle Gestalten können plötzlich zu Stars werden, wenn sie nur den richtigen Beat abliefern. Die ausgedehnten Szenen von durchtanzten Clubnächten können darüber hinaus einen faszinierenden Sog entfalten – selbst für jene, die sonst eher den von Sven Regener außerhalb seines Romans bedienten Musikgenres zugetan sind.
Regie: Arne Feldhusen. Mit Charly Hübner, Detlev Buck, Marc Hosemann. Deutschland 2017. 111 Minuten. FSK ab 12.