FDP und Grüne giften einander wegen Stickoxid an
Unwahre Behauptung der AfD zu Grenzwerten im Büro führen zu Wortgefecht zwischen Landespolitikern
STUTTGART - Knapp drei Wochen vor der Bundestagswahl verschärft sich der Ton in der politischen Auseinandersetzung. Vor allem die Parteien, die um Platz drei ringen und weitgehend in Umfragen gleichauf liegen, lassen ihren Kontrahenten nichts durchgehen. Nun spitzt sich in Baden-Württemberg ein Streit zwischen Grünen und FDP zu, der seinen Ursprung auf Bundesebene hat. Das Thema: Grenzwerte für Stickoxide. Die Landesvorsitzenden der Grünen werfen der FDP Populismus à la AfD vor. FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke bescheinigt den Grünen indes, Fake News zu verbreiten.
Zwist bei TV-Debatte
Zu sehen war der Zwist auch in der als „Fünfkampf“bezeichneten TVDebatte der Spitzenkandidaten zur Bundestagswahl von Linken, Grünen, CSU, AfD und FDP am Montagabend. Alice Weidel (AfD) stellte erneut die von der EU festgelegten Grenzwerte für Stickoxide im Freien in Frage. „40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft ist der Grenzwert für draußen und 950 Mikrogramm in Büro-Innenräumen“, so Weidel.
Auch als die Moderatorin darauf verwies, dass der 950-MikrogrammGrenzwert nur an besonderen Arbeitsplätzen in der Industrie, nicht aber in Büros gelte, lenkte Weidel nicht ein. Grünen-Spitzenkandidat Cem Özdemir nahm den Ball auf und griff FDP-Chef Christian Lindner an: „Herr Lindner möchte die Grenzwerte aufweichen. Da tun sich spannende neue Allianzen auf, auch bei Fake News was die Innenraum-Luft angeht.“Lindner reagierte nicht.
Der Streit hat eine Vorgeschichte, auch im Land. AfD-Bundeschef und Fraktionsvorsitzender im SüdwestLandtag Jörg Meuthen hatte auf Facebook gepostet: „Grüne GrenzwertIdeologen zerstören unsere Mobilität.“Wie Weidel argumentierte er mit der falschen Behauptung, dass im Büro 23-mal mehr Stickstoffdioxid erlaubt sei als an den Straßen.
Christian Lindner übernahm diese Zahlen, als er in einem Interview mit der „Rheinischen Post“dafür plädierte, die Grenzwerte im Außenbereich zu überdenken.
Dass der Grenzwert im Büro für Stickoxide bei 950 Mikrogramm liege, ist mehrfach widerlegt. Der österreichische Verein „Mimikama“etwa, der sich dem Aufdecken von Fake News verschrieben hat, titelt hierzu: „FDP-Chef Lindner übernimmt Fake News von der AfD.“Auch der Faktenfinder der Tagesschau hat das Thema aufgegriffen und für Klarheit gesorgt.
Als die grünen Landesvorsitzenden Sandra Detzer und Oliver Hildenbrand FDP-Chef Lindner daher vorwarfen, „eine von der AfD lancierte Unwahrheit als Argument“zu verwenden, konterte FDP-Landtagsfraktionschef Rülke. „Mit ihrer unverfrorenen Lüge, Christian Lindner greife Fake News der AfD auf, beweisen die grünen Landesvorsitzenden, dass sie in der heißen Phase des Wahlkampfs vor nichts mehr zurückschrecken. Sie machen damit selbst Donald Trump Konkurrenz.“
Grünen weisen Vorwurf zurück
Die Landeschefs der Grünen weisen diesen Vorwurf in der „Schwäbischen Zeitung“zurück. „Für normale Büroarbeitsplätze darf die Schadstoffbelastung nicht um das 23-fache höher sein als auf der Straße“, sagt Oliver Hildenbrand. „Und das weiß die FDP auch ganz genau.“Detzer kritisiert: „Wie die AfD spielt die FDP nach Belieben mit Fakten, Zahlen und Zusammenhängen und nutzt sie zur Stimmungsmache.“Und sie ruft Rülke dazu auf, zur „gepflegten Debatte unter Demokraten“zurückzukehren.