An Grundschulen droht Unterrichtsausfall
Kultusministerin rechnet im neuen Schuljahr mit Engpässen, sobald Krankheitswelle startet
STUTTGART - Bereits vor dem Beginn des Schuljahres 2017/2018 am Montag hat Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) Unterrichtsausfälle für Baden-Württemberg prognostiziert. Die Versorgung der Schulen mit Lehrern sei zum Schulstart zwar „ordentlich“, wie sie am Mittwoch in Stuttgart sagte. Aber: „Wir sind, was die Unterrichtsversorgung angeht, auf Kante genäht – nach wie vor.“
Sobald ab November die Krankheitswelle beginne, müssten sich Schüler und Eltern auf Ausfälle einstellen. Denn ein Großteil der 1666 Stellen, die eigentlich als Reserve vorgehalten werden, seien bereits zum Schuljahresstart fest eingeplant, um den Unterricht vor allem an den Grundschulen zu sichern.
Verbände fordern mehr Stellen
Bildungsverbände und -gewerkschaften hatten in den vergangenen beiden Tagen bereits ihren Blick auf das kommende Schuljahr geworfen – und er fiel düster aus. „Durch die grünschwarze Sparpolitik gibt es an den 4500 Schulen im Land ab nächster Woche 700 Stellen weniger als im Schuljahr 2016/2017“, hatte Doro Moritz, Landeschefin der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), kritisiert. Herbert Huber, Vorsitzender des Berufsschullehrerverbands, hatte ein Minus von 437 Stellen bei den beruflichen Schulen beklagt und gesagt: „Dies hat fatale Auswirkungen auf den schon bestehenden Fachkräftemangel und auf die Integration der vielen Zugewanderten.“
Eisenmann bezeichnete die Einwürfe als „Panikmache“und erklärte: „Es geht nicht darum, Stellen zu haben oder nicht zu haben. Wir haben ein Bewerberinnen- und Bewerbermangel.“Insgesamt konnten 635 Stellen nicht besetzt werden. Sonderpädagogen seien rar. Den größten Mangel gebe es aber bei den Grundschulen – vor allem auf dem Land (siehe Kasten). Bereits im Juli hatte sie ein Bündel an Maßnahmen vorgestellt, mit denen sie weitere Lehrer gewinnen wollte. 200 Stellen hätten so besetzt werden können, sagte sie am Mittwoch – etwa dadurch, dass 1300 Lehrer ihre Teilzeitdeputate aufgestockt haben, oder trotz Pensionierung weiterarbeiten. 28 Gymnasiallehrer nahmen das Angebot an, vorübergehend an Grundschulen zu arbeiten.
Die Kultusministerin kommt Grundschullehrern aber auch dadurch entgegen, dass sie ihnen eine Stelle am gewünschten Ort bietet. Dadurch werden sogenannte Versetzungsketten in Gang gesetzt, denn ein Lehrer an dieser Schule wird an eine andere Schule in erreichbarer Nähe versetzt und so setzt sich die Kette fort. „Wir sitzen schlicht am kürzeren Hebel“, sagte Eisenmann und kritisierte die „hochgradige Unflexibilität“der 209 Junglehrer. Die wollten lieber gar nicht in den Schuldienst eintreten als dorthin zu gehen, wo sie nicht arbeiten möchten.
Klassenteiler auf dem Land steigt
Manche Grundschule in ländlichen Gebieten, die vom Bewerbermangel besonders betroffen sind, muss sich zudem auf größere Klassen einstellen. Das betreffe unter anderem Konstanz und Tuttlingen, so Eisenmann. Das Kultusministerium hat seine nachrangigen Behörden darauf hingewiesen, dass der Klassenteiler nach oben gesetzt werden kann. Für Grundschulen bedeutet das etwa, dass eine Klasse nicht mehr bei mehr als 28 Schülern geteilt wird, sondern erst ab mehr als 30 Schülern.
Die Staatlichen Schulämter, die für alle Schularten außer für die Gymnasien zuständig sind, machen in Teilen von dieser Möglichkeit Gebrauch. So hat unter anderem das Staatliche Schulamt Biberach an alle Schulen in seinem Bezirk einen entsprechenden Brief versendet, der auch der „Schwäbischen Zeitung“ vorliegt. Klassen, die am ersten Schultag nur ein oder zwei Schüler über dem Teiler sind, dürften erst nach ausdrücklicher Genehmigung geteilt werden. Unmut darüber, dass solche Briefe erst kurz vor Schuljahresbeginn verschickt wurden, seien bei ihr nicht angekommen, erklärte Eisenmann. Vielleicht deshalb, weil im Brief steht, dass im Brief gebeten wird, von Nachfragen abzusehen? „Das ist nicht der Duktus, der vom Kultusministerium kommt“, betonte Eisenmann.
Dass gerade die Grundschulen mit einem großen Lehrermangel zu kämpfen haben, liegt laut Eisenmann auch daran, dass 800 der 2400 Grundschulen weniger als 100 Schüler verzeichneten. Zwar gebe es kein Schließungskonzept für kleine Grundschulen, aber klar sei, dass sie ein Auslöser für das Ressourcenproblem seien. „Ich warte auf die erste Gewerkschaft, den ersten Verband oder kommunalen Spitzenverband, der die Kultusministerin bittet, die kleinen Grundschulen anzugehen.“Daran glaube sie allerdings nicht.
Bei aller Kritik – etwa am aus ihrer Sicht zu zögerlichen Ausbau im Bereich Inklusion – gab es auch ein Lob der GEW. Nämlich daran, dass Eisenmann die Studienplatzkapazitäten für Grund- und Sonderpädagogik ausgebaut hat. Gemeinsam mit Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) habe sie sich darauf verständigt, die Zahl der Plätze weiter zu erhöhen, so Eisenmann.