Ringen um mehr Frauen im Landtag
Grüne und Frauen-Union forcieren Wahlrechtsänderung – CDU-Fraktion bremst
STUTTGART - Die Debatte um eine Reform des Landtagswahlrechts ist in Stuttgart neu entflammt – auch wenn sich derzeit alle Augen wegen der Bundestagswahl auf Berlin richten. Die Grünen bestehen auf eine Änderung, um mehr Frauen ins Parlament zu bekommen. Die FrauenUnion stimmt mit ein. Doch die CDU-Fraktion möchte am liebsten gar nichts ändern. Nun soll der gemeinsame Koalitionsausschuss das Thema voranbringen.
In Baden-Württemberg sind mehr Frauen wahlberechtigt als Männer. Im Landtag seien sie allerdings in geringerer Zahl vertreten als im afghanischen Parlament – so spotten die einen. Andere finden das überhaupt nicht lustig. „Mit knapp 25 Prozent Frauenanteil sind wir bundesweit das Schlusslicht“, sagt etwa die Grünenabgeordnete Thekla Walker.
Informelle Gespräche
Auch die Europaabgeordnete Inge Gräßle macht Druck auf ihre CDU. „Ein weiteres Aussitzen dieses Themas ist ein schwerer Fehler“, sagt die Landesvorsitzende der Frauen-Union. Walker hat sich mit dem CDUAbgeordneten Bernhard Lasotta und weiteren Mitgliedern der beiden Regierungsfraktionen zu informellen Gesprächen über die Wahlrechtsänderung getroffen – ohne Ergebnis. „Seit Jahren wird beklagt, dass wir zu wenig Frauen im Parlament haben“, sagt Walker. Grün-Rot wollten bereits in der vergangenen Legislaturperiode eine Reform auf den Weg bringen. Der Landesfrauenrat fordert eine Änderung seit den 1980erJahren. „Das Instrument für mehr Frauen im Parlament ist die Liste“, sagt Walker. Teilnehmer der Gesprächsrunden hätten durchgerechnet, wie der Frauenanteil nach der Landtagswahl 2016 gewesen wäre mit solch einer Liste. Das Ergebnis: 30 Prozent. „Das ginge dann in Richtung Bundesschnitt“, sagt Walker.
Gräßle pocht auf den grünschwarzen Koalitionsvertrag, den sie mit ausgehandelt hat. Darin ist klar von einer Landesliste die Rede. Damit, so Gräßle, sei es möglich, die Gesellschaft in ihrer ganzen Breite abzudecken – nicht nur mehr Frauen, sondern etwa auch Abgeordnete aus den Städten. Von der CDU beispielsweise haben es ausschließlich Kandidaten vom Land 2016 in den Landtag geschafft.
In den Nebenabreden haben sich die Partner zudem darauf festgelegt, trotz einer Liste am Einstimmenwahlrecht festzuhalten. Es ist der Kompromiss aus dem Wunsch von Grünen und Frauen-Union, die am liebsten ein Zweistimmenwahlrecht hätten, und der CDU-Fraktion, die gar nichts ändern möchte. Eine solche Kombination – Einstimmenwahlrecht plus Liste – wäre bundesweit einmalig.
Der CDU-Abgeordnete Bernhard Lasotta sieht keinen Vorteil in einer Wahlrechtsänderung. „Die Grünen argumentieren mit dem Frauenanteil, aber sie haben es ja auch so geschafft, dass die Hälfte ihrer Abgeordneten Frauen sind.“Er lastet den Mangel an weiblichen Abgeordneten bei der CDU seiner Partei an. „Ich würde mir mehr Diskussionen in der Partei über gesellschaftspolitische Themen wünschen“– über Integrationspolitik, gesellschaftlichen Zusammenhalt und Pflege, nicht nur über Polizei und innere Sicherheit. „Dann sprechen wir auch mehr Frauen an, die Lust bekommen, bei uns mitzuarbeiten.“Das bisherige Einstimmenwahlrecht halte er für gerecht, denn es stärke die Stellung des direkt gewählten Abgeordneten vor Ort. „Ich bin der Meinung, dass man gar nichts ändern muss. Es ist gut, eine selbstbewusste Fraktion gegenüber der Partei zu haben.“Das führe zu gegenseitiger Kontrolle.
„Es geht aber nicht um die CDU Baden-Württemberg“, sagt die Grüne Walker, „sondern um das Landesparlament insgesamt.“Auch wenn es in ihrer Fraktion kritische Stimmen gebe – fast alle Abgeordneten erlangten ihren Sitz im Parlament per Direktmandat – stehe die Fraktion wie die Partei zur Reform. So sagt auch Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz: „Ich habe einen klaren Verhandlungsauftrag.“
Für die Grünen Walker und Schwarz steht fest, dass die Wahlrechtsreform schnell angegangen werden muss. Walker spricht von einer interfraktionellen Arbeitsgruppe, die sich dem Thema bald intensiv widmen soll. CDU-Fraktionschef Wolfgang Reinhart sieht hingegen keine Eile. „In den nächsten Monaten wird sich da nichts tun.“