Nordkorea träumt von der Weltmacht
Erstmals hat Nordkoreas Diktator der Welt erklärt, was seine andauernden Provokationen mit Raketen- und Atomtests eigentlich bezwecken sollen. „Die Kriegslüsternheit der USA“will Machthaber Kim Jong-un angeblich dämpfen. „Wir müssen den Großmacht-Chauvinisten zeigen, wie unser Staat den Ausbau der Atomstreitkräfte trotz endloser Sanktionen und Blockaden erreicht“, ließ er sich von der staatlichen Propagandaagentur KCNA zitieren. Ziel sei ein „Gleichgewicht der Kräfte“zwischen Pjöngjang und Washington, um der US-Führung die militärische Option zu nehmen.
Markige Worte von Kim, die eher auf Größenwahnsinn als auf realistische Einschätzung der Weltlage schließen lassen. Und dennoch könnte das Kalkül des Diktators aufgehen. Vordergründig ist die Botschaft aus dem Kim-Palast, Feind und Freund zu beweisen, dass Pjöngjang auf die internationale Meinung pfeift. Weder vorsichtige Diplomatie noch harte Sanktionen bringen Nordkorea vom Raketen- und Atomtestprogramm ab. Kim verspricht sich davon eine Lebensversicherung für sein Regime und zudem Erpressungspotenzial.
Vorstellbar ist auch ein Szenarium, bei dem ein begrenzter nordkoreanischer Erstschlag zum Beispiel gegen den Militärstützpunkt Guam die USA zwingen könnten, auf eine ebenso atomare Gegenreaktion zu verzichten. Unter internationalem Druck bliebe Washington kaum eine Wahl, um die Gefahr eines Weltkrieges einzudämmen. Das klingt verrückt, aber niemand weiß, ob Kim irrsinnig genug ist, um das für eine rationale Kalkulation zu halten. Ob, wann und wodurch Nordkoreas Führer zu der narzistischen Einschätzung gelangt, ein US-Angriff gegen sein Regime stände unmittelbar bevor, ist die Millionen-Dollar-Frage.
Wenn sich US-Präsident Donald Trump weiterhin auf das primitive rhetorische Niveau der Kim-Clique herunterziehen lässt, wäre das ein schwerer Fehler. Beruhigung könnte dagegen bringen, wenn Washington auf die Drohung mit einem Präventivkrieg künftig verzichtet. Damit liefe Kims Aufrüstungshysterie ins Leere. Das Weiße Haus befindet sich stattdessen aber immer noch in einem Teufelskreis. Rechtfertigt eine Attacke auf die kleine Pazifikinsel Guam einen massiven Konter gegen Pjöngjang? Vorausgesetzt Nordkorea besitzt wirklich eine Wasserstoffbombe und interkontinentale Raketen, müssten die USA danach einen Angriff auf amerikanische Großstädte befürchten. Die Folge könnte ein vernichtender Schlagabtausch sein.
Seit es sie gibt – nach Hiroshima und Nagasaki –, ist es der Sinn von Atomwaffen, dem Feind damit zu drohen und nicht, sie auch wirklich einzusetzen. Würden die USA auch nur ernsthaft mit dem Gedanken spielen, von dieser Doktrin abzuweichen, hätten sofort alle Nuklearwaffen besitzenden Staaten den Finger am Abzug, nicht nur die Großmächte, sondern auch alle MöchtegernAtomkrieger in der Welt. Noch gibt es die Chance, mit kühlem Kopf dem Irrsinn des Diktators globalen Widerstand entgegenzusetzen. Die Aufrüstung wird dieses eigentlich bitterarme Land an den Abgrund führen. Eines Tages geht den Provokateuren in Pjöngjang die Luft aus.