Nach Familiendrama keine Spur vom Dreifachmörder
Polizei durchsucht Waldgebiet bei Villingendorf
VILLINGENDORF - Auch drei Tage nach dem Dreifach-Mord in Villingendorf ist der mutmaßliche Täter auf der Flucht. Am Sonntagabend teilte die Polizei mit, es gebe weiterhin keine heiße Spur. International werde gefahndet. Zwar seien nach der Veröffentlichung der Personenbeschreibung und des Fotos von Drazen D. (40) viele Hinweise eingegangen, denen man jetzt nachgehe. Konkret sei aber kein Hinweis.
Der Flüchtige, ein gebürtiger Kroate, soll am Donnerstagabend seinen sechs Jahre alten Sohn, den neuen Lebensgefährten seiner ExFrau (34) und dessen Cousine (29) während einer privaten Einschulungsfeier erschossen haben. Morgens noch hatten Mutter und Sohn am ökumenischen Gottesdienst zum ersten Schultag teilgenommen. Der Leitgedanke der Feier: „Gebt euch vertrauensvoll in Gottes Hand.“Zwölf Stunden später ist Dario tot. Der Todesschütze habe kaltblütig und unvermittelt das Feuer auf seine Opfer eröffnet, sagt die Polizei. Die Mutter (31) des getöteten Jungen konnte zu einer Nachbarin flüchten. Ein drei Jahre altes Mädchen versteckte sich und blieb unverletzt. Ein weiterer Besucher war während der Tat Getränke holen.
Während etwa 100 Beamte seit Samstag ein vier Quadratkilometer großes Waldgebiet nordwestlich von Villingendorf durchkämmen und dabei von mehreren Hundestaffeln sowie einem Hubschrauber und einer Drohne unterstützt werden, setzen die Spurensicherer des Polizeipräsidiums Tuttlingen am Tatort ihre Arbeit fort. Sie finden Patronenhülsen, die zu einem Sturmgewehr passen könnten, das aus Beständen der ehemaligen jugoslawischen Armee stammt. Gleichzeitig melden lokale Medien, dass es sich bei D. um einen Ex-Soldaten handeln soll.
Parallel dazu werden immer mehr Details über Drazen D. bekannt. In seinem Facebook-Profil sind Bilder zu sehen, die auf ein ganz normales Familienleben hindeuten: Geburtstagsfeiern, Weihnachten, Neujahrspartys, Fotos beim Grillen, Schnappschüsse mit Freunden aus der kroatischen Community in Tuttlingen. Besonders stolz ist Drazen D. auf seinen Sohn Dario, mit dem er am 1. Juni 2016, dem fünften Geburtstag des Jungen, eine große Torte anschneidet. Und es gibt Bilder, die D. mit seiner damaligen Frau ebenfalls in Tuttlingen zeigen: ein elegantes, gut gelauntes Paar.
Bei der Polizei kein Unbekannter
Auf der anderen Seite wird bekannt, dass D. vor einigen Jahren Privatinsolvenz wegen Zahlungsunfähigkeit angemeldet hat. Und er war an mehreren Wohnsitzen in der Kreisstadt Tuttlingen sowie im Landkreis Tuttlingen gemeldet. Gegenüber einer Ex-Partnerin in Bayern sei er ebenfalls gewalttätig geworden, heißt es in Medienberichten. Der 40-Jährige war schon mehrfach polizeilich aufgefallen. Er sei wegen Körperverletzungsdelikten und Bedrohungsdelikten vorbelastet, heißt es.
Zuletzt war D. nach Informationen der „Schwäbischen Zeitung“in einer Dreherei in Mahlstetten im Landkreis Tuttlingen beschäftigt. Dort soll er vor zwei Wochen gekündigt haben: Er habe „familiäre Angelegenheiten zu erledigen“, so seine Begründung.
Damit könnte D. umschrieben haben, dass er sich auf die Suche nach seiner Familie machen wollte. Denn seine Frau hatte sich von ihm getrennt, fand seit März dieses Jahres zusammen mit ihrem neuen Partner und dem sechsjährigen Dario in dem 3300-Einwohner-Dorf Villingendorf, eine knappe halbe Stunde von Tuttlingen entfernt, Unterschlupf. Die 31Jährige hatte offensichtlich große Sorge, dass ihr Ex-Mann sie und ihr Kind dort aufspüren könnte: Im Kindergarten, den Sohn Dario bis zum Sommer besuchte, und auch in der Schule, bestand die Mutter darauf, dass nur sie Dario abholen durfte.
Doch warum tötete D. seinen Sohn, den neuen Lebensgefährten seiner Frau und dessen Cousine? Seit Freitag schwirren Gerüchte durch Villingendorf. „Eifersucht“, schreibt die „Bild“-Zeitung, die auch wissen will, dass die 31-jährige Ex-Frau schwanger sei. Während der Pressekonferenz am Freitag hatte die Polizei dazu keine Angaben gemacht. Die Frau befindet sich derzeit unter Polizeischutz, bestätigt ein Polizeisprecher am Sonntag, auch sei sie in psychotherapeutischer Behandlung. Ein einziger konkreter Hinweis auf den dringend tatverdächtigen Drazen D. wird am Sonntag bekannt: Jogger hatten den Mann am Donnerstag, wenige Stunden vor der Bluttat, in einem grünen Seat Ibiza schlafend in der Nähe des Tatortes gesehen.