Darauf ein Milchreis
Ach – dieser Ausdruck ist ein schönes deutsches Empfindungswort. Besonders schön: es ist so vielschichtig. Verwunderung, Trauer, Freude ... ach, was sage ich, beinahe alles kann mit diesen drei Buchstaben und der passenden Betonung ausgedrückt werden. Und so passt es zur derzeit zur Bundesliga wie kaum etwas anderes.
Ach weh oder auch das schöne Sprüchlein: „Unter jedem Dach wohnt ein Ach“ist das Credo der bis dato diesjährigen Aufstiegsüberraschung Hannover 96. Schon fast rituell schwingt sich alle paar Jahre ein Emporkömmling auf, der so gar nicht nur um sein Überleben in der Eliteliga kämpfen mag, sondern beharrlich im Tabellenmittelfeld und darüber hinaus für Forore sorgt. Der kurzzeitige Tabellenführer verweist derzeit ambitioniertere Mannschaften auf die Plätze und hamstert sich clever von Sieg zu Punktgewinn. Doch alles Gute ist nie beisammen und wie langweilig wären Traumstart und die erste Tabellenführung seit 48 Jahren ohne ein bisschen – oder in diesem Fall ein bisschen mehr – (Kr)ach. Seit langem schwelt der Konflikt zwischen Ultras und 96-Geldgeber
Martin Kind, der auf dem besten Weg zur Clubübernahme ist. Zu Beginn dieser Saison beschlossen die Ultras, die Kind lieber etwas weniger Macht überlassen wollen, daher einen Stimmungsboykott. Beim 2:0 Heimssieg gegen den Hamburger SV, dem ersten wirklich überzeugenden 96-Spiel der Saison, beschimpfte ein Teil der Anhänger Kind, während andere Fans dem „Ultras raus“entgegneten. „Dass die Ultras das Stadion verlassen, bevor die Jungs in der Kurve sind, ist ein klares Signal gegen die Mannschaft“, meinte Trainer André
Breitenreiter. Sportchef Horst Heldt wurde Angst und Bange: „Das wird der Mannschaft langfristig schaden, das wird uns allen schaden.“Doch bisher scheint die Kicker das wenig zu tangieren. Wie lange noch?
Ach, wie schön denkt sich dagegen womöglich Manuel Baum. Die Mannschaft des FC Augsburg galt vor der Saison als Abstiegskandidat Nummer 1 – jetzt hat sie ihren besten Bundesligastart hingelegt. Das 2:1 bei Eintracht Frankfurt war wieder ein Sieg ganz im Sinne der Fuggerstädter. Kompromisslos verteidigen, überfallartig kontern, „den Gegner dazu zwingen, die falschen Entscheidungen zu treffen“, wie Eintrachts Sportchef Fredi Bobic sagte. „Eklig, aber erfolgreich“, nannte Bobic diesen Stil. „Wenn ich Stefan Reuter wäre, würde ich heute sagen: ,Mensch, das haben wir gut gemacht.’“Auch vor dem nächsten Gegner RB Leipzig (Di, 20.30/Sky) haben sie in Augsburg keine Angst. „Jetzt können wir zu Hause mit breiter Brust und Feuer in den Augen in dieses Spiel gehen“, sagte Abwehrspieler Philipp.
Ach, wie schrecklich oder auch Ach, wie schrecklich schön könnte dagegen die Überschrift des 1:1 der TSG Hoffenheim gegen Hertha BSC sein. Durch die neue TV-Rechtevergabe in dieser Saison, bei der die Spieltage noch mehr Salamischeiben ähneln, warten auf den Fan am Sonntag nun einige Male pro Saison teilweise tagesfüllende Fußballnachmittage mit drei mehr oder weniger familienfreundlichen Anstoßzeiten. Um 13.30 Uhr ging es am Sonntag in Sinsheim los. Doch den direkt auf dem Platz Beteiligten gefiel die früheste Partie der Bundesligahistorie. Nicht nur, weil Sandro Wagner um 13.36 Uhr das früheste Tor der Bundesliga schoss. „Das war fast wie in der A-Jugend: Frühstück und raus auf den Platz!“, erklärte TSG-Torhüter
Oliver Baumann. Für Hoffenheims Trainer Julian Nagelsmann und seinen Kollegen Pal Dardai war der Spielbeginn ebenfalls kein Problem. „Wir beide kommen ja aus dem Nachwuchsfußball. Für uns ist das ganz normal“, erklärte der Berliner und schob nach: „Ich bin total happy. Aber nicht wegen dem Punkt, sondern wegen dem Milchreis, den es eben in der Kabine gab. Danke an Hoffenheim, ich habe schon lange keinen so guten Milchreis mehr gegessen – unglaublich gut.“Besser hätte nur noch gepasst: Ach, wie lecker.