Reizklima bei Grün-Schwarz
Die Regierung kann sich nicht auf Umgang mit Fahrverbots-Urteil einigen
STUTTGART - Sie sollen als Brückenbauer in Berlin helfen, ein Jamaika-Bündnis zu schmieden, doch nun haben Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und Innenminister Thomas Strobl (CDU) zu Hause in Stuttgart einen ernsthaften Koalitionskrach. Am Freitag mussten die Spitzen der Regierungsparteien ihre Gespräche über das Fahrverbots-Urteil des Stuttgarter Verwaltungsgerichts ergebnislos vertagen.
Im Verfahren, um das Grüne und CDU derzeit ringen, hatte die Deutsche Umwelthilfe (DUH) das Land verklagt. Die Stuttgarter Richter gaben der DUH Recht. Sie halten die von Stadt und Land geplanten Maßnahmen für saubere Luft in Stuttgart für unzureichend.
Der Streitpunkt: Die grüne Landespartei und die Fraktion hatten sich deutlich dafür ausgesprochen, das Urteil des Gerichts nicht anzufechten. Nur so sei die Gesundheitsgefährdung durch dreckige Luft rasch zu beseitigen. Damit hätten ab 2018 Fahrverbote gedroht – die aufgrund anderer laufender Prozesse ohnehin im Raum stehen.
Vier Stunden Debatte
Die CDU ist dagegen für eine Berufung. Damit würde das Oberverwaltungsgericht sowohl die Fakten des Falls als auch die juristische Bewertung prüfen. Das könnte ein bis zwei Jahre dauern. Danach könnte die Sache noch zum Bundesverwaltungsgericht wandern.
Die Befürworter der Berufung hoffen: Das Land könnte die geplanten Maßnahmen umsetzen und beweisen, dass diese wirken. Durch feste Zusagen der Autoindustrie könne außerdem verlässlich belegt werden, dass Diesel-Autos künftig weniger Schadstoffe ausstoßen. Dann, so der Gedanke, wären Fahrverbote nicht mehr notwendig. Außerdem würden Bürger in den betroffenen Stadtteilen in den Genuss sauberer Luft kommen, weil der Luftreinhalteplan trotz Berufung umgesetzt würde.
Rund vier Stunden diskutierten die Koalitionsspitzen im Staatsministerium am Freitag hinter verschlossenen Türen. Zumindest die grüne Regierungszentrale hatte offenbar mit einem raschen Ergebnis gerechnet und die Landespresse bereits für 14 Uhr, also nach einstündigen Gesprächen, in die Villa Reitzenstein gebeten.
Einigung muss bis 4. Oktober her
Grund für den Optimismus waren Signale der vergangenen Tage. Eine Sprungrevision galt als Königsweg, zuletzt hatte auch die CDU-Fraktion diese nicht ausgeschlossen. Dabei entscheidet direkt das Bundesverwaltungsgericht – und zwar nur darüber, ob die rechtliche Beurteilung zutrifft. Bereits im ersten Quartal 2018 könnte hier eine Entscheidung fallen, wenn die Richter auch über einen ähnlichen Streit aus NRW urteilen.
Doch die CDU beharrt auf der Berufung. Vor allem Parteichef Strobl pocht darauf und fährt damit einen härteren Kurs als die eigene Fraktion. Aus Koalitionskreisen hieß es, mittlerweile sei allerdings auch Ministerpräsident Kretschmann einer Berufung nicht abgeneigt. Doch seine Partei macht Druck und will diesen Weg auf keinen Fall mitgehen.
Damit haben Grüne und CDU ernsthaft Krach. Bislang konnten sie Konflikte in Spitzengesprächen in aller Regel rasch beilegen. Die Koalitionspartner müssen sich aber bis zum 4. Oktober auf ein Vorgehen verständigen. Denn dann endet die Frist, bis zu der man Rechtsmittel einlegen